Ärzte wollen ihre »Einnahmen optimieren«

Klingt nach Pauschalurteil, spiegelt die Realität aber häufig wider

Auch hier eines vorweg: Dies soll keine Generalschelte gegen Ärzte sein. Zu einfach, zu billig und zu polemisch ist es, sich eine Zielgruppe, in diesem Fall eine Berufsgruppe, herauszusuchen und verbal auf diese Einzudreschen. Dies findet häufig genug an Stammtischen statt und trifft mal die Lehrer, dann die Beamten, dann die Jugend und besonders gerne natürlich die Ausländer. Es gibt viele Ärzte, die machen nicht nur ihren Job gut, sondern sehen diesen auch als ihre Berufung, mit der sie kranken Menschen ernsthaft helfen möchten.

Dies bedeutet aber auch keinesfalls, dass gute Ärzte nur diejenigen sind, die ein verhältnismäßig niederes Einkommen haben. Gute Arbeit ist Geld wert, egal ob Ingenieur, Geisteswissenschaftler oder Arzt. Alleine ein guter Verdienst macht unser Gesundheitssystem nicht krank. Was es krank macht, sind unter anderem solche Ärzte, die grundsätzlich und hauptsächlich darauf bedacht sind, ihr Einkommen zu optimieren – und davon gibt es beileibe nicht wenige. Nun mag man wieder einwenden, dass doch jeder versucht, sein Einkommen zu optimieren. Stimmt! Allerdings stellt sich dabei die Frage, auf welche Weise und vor allem auf wessen Kosten. Genau das ist aber bei Ärzten das Hauptproblem. Gespart wird nicht etwa an der Designer-Möblierung der Praxiseinrichtung oder am standesgemäßen Fuhrpark, sondern an der zielgerichteten Versorgung der Patienten durch Abschöpfen von Geldern der Solidargemeinschaft, die dann an anderer Stelle fehlen.

Wie kann man seine Einnahmen optimieren?

Es gibt viele Möglichkeiten auf welche Weise Ärzte ihre Einnahmen optimieren können, eine davon ist gängige Praxis und muss jedem der an unser Gesundheitssystem noch glaubt wahlweise die Zornesröte ins Gesicht treiben oder in Resignation verfallen lassen. Dass die Pharmaindustrie eine sehr entscheidende Rolle beim Geldvernichten oder besser beim Geldabschöpfen spielt, ist eigentlich längst jedem bekannt, wenngleich sich die Empörung erstaunlicherweise dennoch sehr in Grenzen hält. Ob es um Impfempfehlung gegen Grippe geht oder darum vor angeblichen Epidemiegefahren zu warnen – wenn es gilt, Kasse zu machen, sind die Pharmaunternehmen vorne dabei. Wie vielschichtig die Möglichkeiten sind, zeigt das Beispiel der Ärzteberatung zur Einnahmenoptimierung durch Pharmareferenten. Dabei bieten sie den kostenlosen Service an, in der Praxis am PC nach dem Rechten zu sehen und nachzuschauen, wo und wie noch Geld aus dem großen Topf, in den 70 Millionen gesetzlich Krankenversicherte einzahlen, zu holen ist. Sie prüfen anhand der bisherigen Verordnungen etc. vier Wochen vor Quartalsende, wo welcher Bereich des Budgets noch nicht komplett abgeschöpft wurde. Auf diese Weise wird vielen Patienten noch schnell zur persönlichen Sicherheit eine Ultraschalluntersuchung oder ein Langzeit-EKG angeboten oder auch mal etwas ausführlicher als nur 3 Minuten gesprochen. Der Patient erkennt dabei die Absichten in der Regel nicht, zumal er sich doch ausgesprochen gut aufgehoben und untersucht fühlt. Ob jede Untersuchung dabei auch tatsächlich sinnvoll ist oder nicht, spielt eine zweitrangige Rolle.

Jetzt könnte natürlich der Eindruck entstehen, Pharmareferenten sind echte »Gutmenschen«, die völlig ohne Entgelt und selbstlos – zumindest den Ärzten – ihre Dienste anbieten. Vordergründig mag das so erscheinen, tatsächlich aber möchten Pharmaunternehmen natürlich ebenso ihren Gewinn optimieren, und das gelingt ganz einfach, indem auch der Arzt völlig selbstlos vermehrt Medikamente des entsprechenden Unternehmens auf das Rezept schreibt oder auch Werbematerial für frei erhältliche Medikamente in der Praxis auslegt. Und da man als Mediziner einst Latein lernen musste, weiß selbstverständlich jeder »manus manum lavat« (»eine Hand wäscht die andere«)

Die Rolle der Krankenkassen

Auch die Krankenkassen machen unser Gesundheitssystem krank

Dass auch die Krankenkassen ihren Beitrag dazu leisten, unser Gesundheitssystem krank zu machen, hat wohl jeder schon lange geahnt, wenngleich immer das Gegenteil versucht wurde darzustellen. Krankenkassen als Partner, als »Gesundheitskasse«, als Verwalter und Hüter unserer Beiträge und Rettungsring in gesundheitlicher Not, so erscheinen sie auf bunten Prospekten, in der Fernsehwerbung und auf farbigen Anzeigenseiten großer Magazine und Illustrierten. Doch auch sie versuchen mehr und mehr die Einnahmen zu optimieren und das keinesfalls zum Nutzen des Beitragszahlers für den Fall, dass er grundsätzlich die nötige medizinische Behandlung erfährt. Auch wenn es der Gesetzgeber in Deutschland genau so nicht vorsieht, existieren unzählige Firmen, die von Krankenkassen gegründet wurden und ordentlich Geld für diverse Dienste abschöpfen, Geld das wiederum dort fehlt, wofür es eigentlich bestimmt sein sollte. So gibt es beispielsweise die AOK-Systems GmbH, die AOK-Consult GmbH oder die AOK-Verlag GmbH. Darüber hinaus existieren häufig mehrjährige Werbeverträge und Verträge mit Unternehmen zur Medienplanung, die Unsummen verschlingen und nicht mit der Notwendigkeit von informativer Werbung, die für jedes Unternehmen gilt, zu rechtfertigen ist.

Ein Beispiel der großen Verflechtungen stellt der Bismarck-Konzern dar, der 2008 von den Betriebskassen, den Innungskassen und den Ersatzkassen gegründet wurde und der wiederum aus mehreren Tochter und Beteiligungsfirmen, wie  der Bitmarck Holding GmbH, der Bitmarck Software GmbH, der Bitmarck Technik GmbH, der Bitmarck Beratung GmbH, der Bitmarck Service GmbH und der Bitmarck Vertriebs- und Projekt GmbH  besteht. Dort werden unter anderem Abrechnungsdaten analysiert, spezielle Software für Krankenkassen entwickelt und nicht zuletzt die Einführung der so genannten elektronischen Gesundheitskarte vorangetrieben. Woher das Geld des Konzerns mit einem Stammkapital von fast 7 Millionen Euro stammt, möchte man vermutlich lieber nicht wissen.

Ineffizienz wird belohnt

Gewinnoptimierung im Gesundheitssystem läuft anders als in der Marktwirtschaft

Jeder der in der freien Marktwirtschaft seine Einnahmen optimieren möchte kennt einige Grundregeln, die extrem vereinfacht so aussehen: Produktion bzw. Leistung erhöhen, Verkauf steigern, Ausgaben minimieren. Ganz anders sieht es da in unserem Gesundheitssystem aus. Hier zählt Ineffizienz. Das Abrechnungssystem ist derart kompliziert und nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, spricht es kostet unnötig viel Geld und ist darüber hinaus ausgesprochen anfällig gegenüber Manipulationen. Fallpauschalen sind ein weiterer Grund weshalb unser Gesundheitssystem krank ist. Dabei wird ein fester Betrag für Klinikaufenthalte gewährt. Längst ist die Anzahl beispielsweise an Operationen, die oftmals gar nicht notwendig sind, deutlich gestiegen, während am Personal massive Einsparungen gemacht wurden. Die Ineffizienz zur Gewinnoptimierung gipfelt zum Schaden der Patienten darin, dass heute Eingriffe und Operationen, die früher während einer OP oder Behandlung gemacht wurden, sehr häufig auf zwei OPs aufgeteilt werden. Der Grund? Ganz einfach! Auf diese Weise gibt es die Fallpauschale zweimal.

So beängstigend die genanten Punkte sind, sie sind nur ein Auszug dessen, woran unser Gesundheitssystem krank ist. Wer sich umfassender damit befassen möchte und ein wenig hinter die Kulissen schauen möchte, dem sei unbedingt das Buch von Renate Hartwig, »Geldmaschine Kassenpatient« empfohlen.

Alternativen zu unserem Gesundheitssystem

Gibt es solche überhaupt?

Stellt sich zum Schluss die Frage, gibt es denn vielleicht Alternativen zu unserem kranken Gesundheitssystem? Schaut man sich in anderen Ländern um, so wird man leider kein Modell finden, dass sich ganz einfach übertragen lässt. Doch eine andere, ergänzende Frage ist die, ob wir überhaupt eine Alternative brauchen? So wie das Gesundheitssystem derzeit aussieht, legt es zunächst eine Antwort nahe, doch wäre vermutlich die beste Alternative die, bei der die Grundstruktur unserer Solidargemeinschaft beibehalten wird, und man sich ernsthaft mit all den Missständen auseinandersetzt und das System gewissermaßen in einen positiv modifizierten Urzustand zurückversetzt. Doch dafür braucht es Mut, Unabhängigkeit der Entscheidungsträger und der Wille sich für das Allgemeinwohl einzusetzen anstatt sich mächtigen Lobbyisten auszuliefern. Fazit: Unser Gesundheitssystem – ein schwieriger Patient.

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