Was zur Entdeckung des Reflexes führte

Scheinbar unbeeinflussbare Probleme der Halswirbelsäule fielen mir in meiner physiotherapeutischen Praxis ständig auf. Trotz der mir zur Verfügung stehenden, absolut kontrollierbar normalisierenden Behandlung der Wirbelsäule, lassen sich oftmals keinerlei Zustandsveränderungen erreichen. (Siehe: Genickbrecherische-chiropraktik-und-Chirotherapie.)

Die Lösung derartiger Probleme lässt sich jedoch in aller Regel durch die Miteinbeziehung innerer Organe in die Behandlung, auch mit physiotherapeutischen Mitteln, wie beispielsweise der Segmenttherapie und Lymphdrainage zwar vorübergehend aber spontan in wenigen Minuten erzielen. Ein Phänomen, dass m. E. beachtet und bedacht werden sollte.

Ein charakteristisches Fallbeispiel

Der etwa 40 Jährige beklagt sich über Druckgefühle im rechten Oberbauch, die ihn bei der Atmung behindern und weiter über fast unerträgliche Schmerzen in  etwa der Mitte der Brustwirbelsäule. Zugleich bestehen schmerzhafte Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und ein bis in den Kleinfinger einstrahlendes Schulter-Armsyndrom. Die Computer-Tomografie zeigt einen Bandscheibenvorfall zwischen dem 9. und 10. Brustwirbel und Veränderungen der Halswirbelsäule.

Eine Bandscheibenoperation ändert an der bestehenden Symptomatik nichts. Bei der Ultraschalluntersuchung der Oberbauchorgane werden mehrere 2 bis 3 mm große Polypen auf der Gallenblase gefunden, die jedoch für nicht behandlungsbedürftig eingestuft werden. Die ergebnislose Therapie seit mehr als einem Jahr besteht aus Injektionen in die schmerzenden Abschnitte der Wirbelsäule, Einnahme von Entzündungshemmern und Schmerzmitteln etc. sowie Krankengymnastik und Chirotherapie der Brustwirbel- und der Halswirbelsäule..

Drei Krankheitsbilder - drei Fachärzte?

Bei näherer Betrachtung der Beschwerdebilder entsteht der Eindruck, dass hier drei verschiedene Krankheitsbilder vorliegen. Einmal der operierte thorakale Vorfall, eine weitgehend befundlose Beeinträchtigung der Halswirbelsäule, sowie eine scheinbar harmlose Anomalie der Gallenblase. Streng genommen handelt es sich um zwei orthopädische, ein internistisches Krankheitsbild, während das Nacken-, Schulter-Armsyndrom in das Fachgebiet der Neurologie fallen könnte. Theoretisch müsste der Patient somit einen Orthopäden, einen Internisten und einen Neurologen konsultieren, um seine Beschwerden therapeutisch abzudecken. Spezialisten, die ausschließlich nur ihr Fachgebiet aber nicht über den Gartenzaun auf das Grundstück ihres Nachbarn sehen. Dadurch wird  verhindert, dass ein gemeinsamer Schlüssel für alle bestehenden Beschwerden gefunden wird.

Dieser Schlüssel ist in reflektorischen Abläufen zwischen dem Zwerchfell und der Halswirbelsäule, dem Diaphragma-Zervikalreflex (DZR), zu finden, durch den Störungen und Erkrankungen der Atemwege, sowie der Bauchorgane in die Halswirbelsäule übertragen werden. 

Das Zwerchfell und sein Nerv

Das Zwerchfell (Diaphragma) ist der größte Atemmuskel. Er befindet sich der Mitte des Rumpfes. Sein Absenken nach unten bewirkt Einatmung und seine Bewegung nach oben presst die Luft aus der Lunge. An seiner Oberfläche hat es Kontakt mit den Lungenflügeln und die untere Fläche berührt Bauchorgane.

Die nervliche Versorgung wird vom Nervus Phrenikus vorgenommen. Dieser Nerv tritt zwischen dem 3. und 4. und 5. Halswirbel aus dem Rückenmark aus, zieht von da entlang der Vorderseite der Wirbelsäule nach unten zu seinem Muskel und bildet dort ein engmaschiges Netz.

Sofern sich eines der benachbarten Organe in einem Reizzustand befindet, wird diese Störung reflektorisch in die Halswirbelsäule übertragen. Hier befindet sich das Hals- und Armnervengeflecht über die es augenscheinlich zu Beeinträchtigungen der Halswirbelsäule und zu Einstrahlungen in die Schulter und den Arm kommen kann.

Segmentierung und innere Organe

Zwerchfell und N.Phrenikus

Zwerchfell und N.Phrenikus

Der Reflex im Detail

Das Zwerchfell trennt den Bauchraum von den Atmungsorganen. Seine nervliche Versorgung erhält es vom Nervus phrenicus, der auf beiden Seiten zwischen dem 3. und 4. Halswirbel aus dem Rückenmark austritt und von dort aus nach unten zur Rumpfmitte führt. Dieser Nerv bildet hier ein engmaschiges Netz, auf das sich Reizzustände der dort gelegenen Organe mitteilen, die danach in die Halswirbelsäule transferiert werden.

Da sich der Austritt vom Phrenikus (C3 - C4 - C5) annähernd in der Mitte des Halsgeflechts (Plexus cervicalis C1 - C4) und nur einen Wirbel höher als das Armgeflecht (Plexus brachialis C5 - Th2) befindet, wird erklärlich, dass die dem Zwerchfell nahgelegenen Organe die gesamte Halswirbelsäule beeinflussen und u. U. ihren Reiz bis in den Arm übertragen können. 

Etwa 1935 versuchten die deutschen Neurologen Hansen und von Staa diese Erscheinungen zu erforschen und machten ebenfalls die Beobachtung, dass bei Patienten mit internistischen Krankheitsbildern stets die Zonen C3 - C4 auf der Körperseite der jeweiligen Erkrankung in Erscheinung traten. Sie zeigen sich im Bereich der Schulter-Nackenregion nicht nur als Verquellung der Haut und Spannungserhöhung der Muskulatur, sondern auch als Schmerz und Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule, sowie der Schulter- und auch gelegentlich der Armgelenke. Eine Begründung für diese Phänomen wurde von ihnen nicht genannt und es blieb bei der unerforschten Aussage, dass organische Störungen die Halswirbelsäule beeinträchtigen können. Dieser Zusammenhang dürfte auch bis heute noch nicht erforscht sein. In der Praxis wird er jedoch regelmäßig angetroffen.

Die Erklärung dürfte sich aus der Lage und Funktion des Nervus Phrenikus ableiten lassen. Der Austritt dieses Nervens aus dem Rückenmark befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Nervengeflechten der Halswirbelsäule. Bildlich ausgedrückt, liegen hier Nerven wie unaufgerollte Elektrokabel unordentlich übereinander. Nervenfasern haben, ebenfalls vergleichbar mit Elektrokabeln, eine  gegenüber den Nachbarn isolierende Schicht. Ist diese Schicht beschädigt, in der Medizin wird dabei von einem Myelinschaden gesprochen, kommt es zu "knisternden Störfeuern" - Irritationen der einzelnen nervlichen Strukturen.

Eine heute bekannte Wechselwirkung zwischen dem Diaphragma und der Halswirbelsäule ist die Phrenikusreizung. Sie kann nach einer gashaltigen Laparoskopie auftreten, die sich in Bdrust- bzw. Schulterschmerzen äußert. Das verwendete Gas übt Druck auf das Zwerchfell aus, dadurch kommt es zu dieser Nervenreizung. Nach Entweichen des Restgases erlischt diese Symptomatik. 

Das Zwerchfell, seine organische ...

Das Zwerchfell, seine organische Nachbarschaft und nervliche Versorgung

Das universelle Organmitbeteiligungsgebiet C3 - C4

Ausblick

Mit dem Diaphragma-Zervikal Reflex lassen sich viele, ansonsten mit herkömmlicher Therapie der Halswirbelsäule nicht beeinflussbare Beschwerdebilder, inkl. der Schulter-Armsyndrome nicht nur begründen, sondern wegen der damit verbunden Denkweise mit deutlich mehr Aussicht auf Erfolg (internistisch) behandeln. Sie hat sich seit mehr als 5 Jahren nicht nur bei mir, sondern ebenso in den Praxen der von mir in der Energetisch-Statischen-Behandlung (ESB/APM) ausgebildeten Kolleginnen und Kollegen bewährt. Ein besonderer und wirkungsvoller Schwerpunkt waren da bisher u.a. Behandlungen langfristig bestehender Schleudertraumata.

Ein Selbstversuch

Da der Zwerchfellnerv paarig, d.h. auf beiden Seiten vorhanden ist, übertragen sich von inneren Organen stammende Störungen einseitig auf die Halswirbelsäule ihrer Seite. Der auf der linken Körperseite befindliche Magen beeinträchtigt demnach auch den linken N. Phrenikus. Sinngemäß Gleiches gilt für die auf der rechten Seite gelegenen Gallenblase. Allerdings sind diese beiden Organe nicht die alleinigen Auslöser. Schuld an den "Telefonaten in den Nacken" kann ebenso jedes andere innere Organ sein. Weiter könnte es sich auch um Ausstrahlungen der oberhalb des Zwerchfells gelegenen Atmungsorgane handeln.

Um sich selbst diese Zusammenhänge zu belegen hat sich folgender Versuch bewährt: Dazu wird auf der Seite der Schulter-Nacken- oder Armbeschwerden etwas Tiefgekühltes oder ein dem Gefrierfach entnommenes Coolpack  vorn und hinten auf die unteren Rippen platziert. Das Eis bleibt dort für etwa jeweils 30 Sekunden liegen. Sofern sich dadurch die Symptomatik der Halswirbelsäule oder Schulter etc. bessert, kann von einer Beeinträchtigung und Auslösung eines inneren Organs ausgegangen werden. Der Orthopäde sollte dafür dann nicht mehr der Ansprechspartner sein, sondern ein Facharzt für innere Medizin.

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Klaus_Radloff, am 06.10.2009


Bildquelle:
EmbryoScope am Kinderwunschzentrum Ulm (Schwanger werden! Interview mit dem Leiter des Kinderwunschzentrums...)

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