Übergangskleidung muss gegensätzlichen Anforderungen genügen

Für die Übergangszeit bieten sich verschiedene funktionale Kleidungsstücke an, die – glaubt man der Werbung – keine Wünsche offenlassen und den Träger perfekt vor Wind und Regen schützen, ohne ihm das Gefühl eines unfreiwilligen Saunabesuchs zu vermitteln. "Winddicht, wasserfest, atmungsaktiv" – so lautet die Devise. Ob der praktische Härtetest dann immer hält, was die Werbung verspricht, darüber gehen die Meinungen auseinander, was bei der Vielzahl der verarbeiteten Materialien auch kein Wunder ist.

Hier soll eine Art von Wetterjacken vorgestellt werden, die eine sehr lange Tradition hat und ganz auf Hightech-Materialien verzichtet. Gemeint ist die Wachsjacke, nach ihrem Erfinder auch oft Barbourjacke genannt. Sie stammt ursprünglich aus South Shields im Nordosten Englands, wo John Barbour im Jahre 1894 eine Firma gründete, in der er Ölzeug für Seeleute und Fischer herstellte. Nach den Wasserratten entdeckten auch Jäger und andere ländliche Naturburschen das wetterfeste Kleidungsstück; schließlich verbreitete es sich auch in englischen Adelskreisen bis hinauf zum Königshaus.

Was haben Wachsjacken, was andere nicht haben?

Wachsjacken bestehen aus einem strapazierfähigen Baumwollstoff, der mit Wachs getränkt wird. Gefüttert sind sie mit dünnem Baumwollflanell, der ein typisches Schottenkaromuster zeigt. Nur im unteren Drittel besteht das Futter aus Nylongewebe, so dass man sich mit der Jacke auch auf den feuchten Waldboden setzen kann, ohne nass zu werden. Wachsjacken haben meist einen Cordkragen, können jedoch auch mit einer gewachsten Kapuze ausgestattet werden.

Über den Komfort von Wachsjacken und ihren modischen Schick gehen die Meinungen seit jeher auseinander. Betrachten wir einfach mal, was dafür spricht und was dagegen.

Zunächst die Vorteile:

  • Auch die Queen trägt sie. Aber ob das wirklich ein Vorteil ist?
  • Man gehört dazu. Zu einem leicht snobistischen Zirkel, in dem Barbourjacken in sind. Wie aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, soll es unverfänglicher sein, in einer Barbourjacke auf einer vornehmen Gesellschaft zu erscheinen als in einem schlecht sitzenden Smoking.
  • Sollte man Jäger oder Angler sein, ist die Jacke wirklich praktisch: sehr strapazierfähig, dornenfest, winddicht und wasserabweisend. In der traditionellen Tarnfarbe Oliv fällt man in der Natur kaum auf und unter ökologischen Gesichtspunkten hat man ein reines Gewissen.
  • Wachsjacken sind kaum wechselnden Modeströmungen unterworfen. Im Gegenteil: Eine alte Barbourjacke ist sogar besser als eine neue. Die Patina, die durch jahrelanges Tragen entsteht, verleiht der Jacke erst den rechten Pfiff. Eine alte Barbourjacke mit sichtbar geflickten Stellen gilt nicht als vergammelt, sondern als stylish.
  • Eine Wachsjacke hält ewig. Vor allem, wenn sie an besonders beanspruchten Stellen regelmäßig nachgewachst wird. Hat man dies versäumt und ist glücklicher Besitzer eines echten Barbour-Originals, kann man den Reparaturservice der Firma in Anspruch nehmen. Die Jacke wird dann gereinigt, frisch imprägniert, wenn nötig, auch repariert und kommt nach einigen Wochen glaubwürdigen Berichten zufolge wie neu zurück.
  • Eine Wachsjacke braucht man nicht zu waschen. Bei Verschmutzungen reicht es, sie mit kaltem Wasser abzureiben.
  • Außer an heißen Sommertagen kann man Wachsjacken das ganze Jahr über tragen. Der Baumwollstoff selbst ist zwar nicht besonders warm, aber zusammen mit einem kuscheligen Pullover darunter isoliert die Jacke durch die winddichte Wachsschicht doch recht gut gegen Kälte. Echte Barbour-Modelle lassen sich überdies mit einem einknöpfbaren Winterfutter ausstatten.

Gut verpackt im Regen (Bild: Henrik Gerold Vogel / pixelio.de)

Kommen wir nun zu den Nachteilen:

  • In einer Barbourjacke läuft man Gefahr, einer snobistischen Gruppe zugerechnet zu werden, zu der man vielleicht gar nicht gehören will, wenn man sich die Jacke nur aus praktischen Gründen gekauft hat.
  • In der Großstadt ist ein wind-, wasser- und dornenfester Wetterschutz eigentlich unnötig.
  • Für modebewusste Damen, die gern ihre knackige Figur zur Schau stellen, sind die klassischen Modelle definitiv nichts. Diese Wachsjacken sind lang, weit und bequem und haben eine Unzahl von Taschen innen und außen, in denen alles Platz findet, auch die Fasanen, die der Jäger erlegt hat. Mittlerweile gibt es auch modischere Varianten, die dann aber nicht mehr ganz so wetterfest sind. Denn was passiert wohl, wenn man sich in einer Wachsjacke, die nur knapp bis zur Hüfte reicht, auf einen feuchten Waldboden setzt?
  • Im Vergleich mit Funktionsjacken aus Polyester sind Wachsjacken deutlich schwerer. Für eine Bergtour, bei der jedes Gramm zählt, sind sie vielleicht doch nicht das Richtige.
  • Bei echten Barbourjacken ist die abknöpfbare Kapuze nicht im Preis inbegriffen, sondern muss extra dazugekauft werden. (Als ob die Dinger nicht so schon teuer genug wären …) Auch das Winterfutter ist nicht dabei, sondern nur gegen Aufpreis optional erhältlich.
  • Wachsjacken verströmen im Neuzustand oder wenn sie frisch gewachst sind, einen ganz speziellen Geruch, den nicht jeder mag und mit dem man auf engem Raum vielleicht unangenehm auffällt.
  • Neue und frisch gewachste Jacken färben ab. Weiße Manschetten sind daher nicht die empfehlenswerteste Kleidung darunter, und auch die Hände muss man sich öfter mal waschen.
  • Auch in Wachsjacken kann man schwitzen, trotz aller Atmungsaktivität.
  • Wachsjacken dürfen nicht gewaschen werden, denn das heiße Wasser würde die Wachsschicht zerstören. Nach einiger Zeit bekommen sie daher eine gewisse Patina vom Gebrauch.
  • Von Zeit zu Zeit muss die Jacke nachgewachst werden. Das ist zeitaufwendig und nicht ganz leicht oder – wenn man den Reparaturservice in Anspruch nimmt – so teuer, dass man sich dafür schon fast wieder eine neue Jacke kaufen könnte.

Muss es eine echte Barbour sein?

Das ist eine echte Preisfrage. Für ein Barbour-Original muss man mehrere hundert Euro hinlegen, ein Imitat bekommt man schon für unter hundert Euro. Wer das Kleidungsstück allerdings als Symbol der Zugehörigkeit zur High Society auffasst, für den muss es natürlich "echt" sein. Da würde man mit einem Plagiat sofort ertappt. Wem es aber nur um eine praktische Wetterjacke geht, der kann unbesorgt auf Schnäppchenjagd gehen. Es gibt unzählige Nachahmungen, die qualitativ unterschiedlich ausfallen. Da hört man von übelriechenden Jacken oder von solchen, in denen man unerträglich schwitzt. Andererseits aber auch von preiswerten Imitationen, die jahrelang ihren Dienst zur Zufriedenheit ihrer Besitzer verrichten. Auch das Zubehör fällt unterschiedlich aus: Bei manchen Jacken ist die Kapuze dabei, bei anderen nicht. Bei einigen Firmen bekommt man ein Döschen Wachs dazu, bei anderen nicht. Am besten hört man sich ein wenig um – wenn möglich, bei echten Freunden und Bekannten, ansonsten in Internetforen – und trifft dann die Entscheidung, die zum eigenen Geldbeutel und Stilempfinden passt.

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