Nietzsches Wahrheitsbegriff

In seiner Schrift "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne" macht er deutlich, dass die Aussprache der Begriffe metaphorisch ist.

Geht am Anfang des Textes davon aus, dass sich der Mensch als zu groß sieht, sich überschätzt, dass der Mensch sich selbst zum Zentrum der Welt macht und nicht über die eigenen Bewusstseinsgrenzen hinaus denken kann. Der Intellekt gilt als Hilfsmittel um zu überleben, vergleicht man ihn mit einem Tier, das auf seine Instinkte hört. Er nützt den Intellekt jedoch negativ, indem er von Täuschung und Lügen spricht.

Die Welt und die Wahrheit sind Illusionen, dass ist die Hauptaussage des Textes. Dazu genauer:

"Jetzt wird nämlich fixiert was von nun an "Wahrheit" sein soll, das heißt, es wird eine gleichmäßig gültige und verbindliche Bezeichnung der Dinge erfunden, und die Gesetzgebung der Sprache gibt auch die ersten Gesetze der Wahrheit: Denn es entsteht hier zum ersten Male der Kontrast von Wahrheit und Lüge". Und ein wenig später: "Nur durch die Vergesslichkeit kann der Mensch je dazu kommen zu wähnen er besitze eine "Wahrheit" (..). Wenn er sich nicht mit der Wahrheit in der Form der Tautologie, das heißt mit leeren Hülsen begnügen will, so wird er ewig Illusionen für Wahrheiten einhandeln".

Er frägt in der Mitte des Textes was also Wahrheit ist. Er beantwortet die Frage wie folgt: "Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, eine Summe von menschlichen Relationen, die, poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt wurden und nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: Die Wahrheiten sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind. Metaphern, die abgenutzt und sinnlich kraftlos geworden sind (..)".

Wissenschaftskritik

Der Wissenschaft wirft er vor, dass sie eine Illusion ist, weil sie sich auf die Wahrheit beruft, die ihrerseits eine Illusion ist, weil Dinge erfunden werden können. Bei der Wahrheit werden Dinge erfunden, die Übereinstimmung von zwei Zuständen soll erreicht werden.

Nietzsche sagt, "Nicht der Sieg der Wissenschaft ist das was unser 19. Jh. auszeichnet, sondern der Sieg der wissenschaftlichen Methode über die Wissenschaft" Er hat eine andere Form von Wissenschaft im Auge, und wandte sich gegen das, was er den eingeistigenden Einfluss unseres jetzigen Wissenschaftsbetriebes nannte.

Er kritisiert nicht primär die Wissenschaft als solche, sondern vor allem ihre rationalisierte, mechanisierte, instrumentalisierende Form. Einen Wissenschaftsbegriff wie man ihn verstärkt seit der frühen Neuzeit bei Bacon findet. Die Wissenschaft im Sinne Bacons sollte nicht mehr als eine einfühlende im Sinne der substantiellen Formen des Aristoteles sein, sondern eine sezierende. Eine, die die Natur auf die Folterbank spannt zum Zwecke ihrer Beherrschung. Naturbeherrschung ist allerdings, sofern der Mensch auf seine natürliche Seite hat, zugleich auch Menschenbeherrschung.

Nietzsche und Naturgesetze

Für Nietzsche sind Naturgesetze nur Worte des Aberglaubens und schlechte Philologie, die die Interpretation mit dem Text verwechselt. Die Naturwissenschaften, für welche die Berechenbarkeit der Welt ein Verstehen der Welt ermöglichen sollen, bauen letztlich immer noch auf den alten Vorstellungen von der Gegebenheit einer Korrespondenz zwischen den Dingen und dem menschlichen Denken auf.

In "Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne" stellt sich Nietzsche die Frage, was ein Naturgesetz überhaupt ist. "Das Naturgesetz selbst ist uns nicht bekannt, nur in seinen Wirkungen, in seinen Relationen zu anderen Naturgesetzen, die uns wieder nur als Summen von Relationen bekannt sind. Relationen verweisen aufeinander, seien unverständlich und nur das was der Mensch hinzubringt, wie die Raum oder die Zeit, Zahlen seien davon wirklich bekannt. Alles wunderbare, das man bei den Naturgesetzen erblickt liegt in der mathematischen Strenge und Unverbrüchlichkeit der Zeit und Raum Vorstellungen. Diese aber werden im Menschen selbst produziert. Der Mensch ist gezwungen alle Dinge nur unter diesen formen zu begreifen, denn alles muss das Gesetz der Zahl in sich trage. Und die Zahl ist gerade das erstaunlichste an den Dingen. Alle Gesetzmäßigkeit fällt im Grunde mit jenen Eigenschaften zusammen, die wir selbst an die Dinge heran bringen." Naturgesetze sind streng genommen der Kritikpunkt Nietzsches.

In den Naturwissenschaften geht es nicht darum, Naturphänomene in ihrer konkreten Beschreibung zu beschreiben, viel mehr geht es darum, sie im Rückgriff auf möglichst allgemeine Konzepte zu erklären. Der Chaotisch prozessuale Charakter der Realität den Nietzsche in seiner Kritik an den Wissenschaft in den Vordergrund rückt, soll die Zurückführung auf ein Materiell oder strukturell Beharrendes gefasst werden, und mit Hilfe unterschiedlicher komplexer mathematischer Formalisierungen kontrolliert werden.

Quellen

Friedrich Nietzsche: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne

Babette Babich: Das "Problem der Wissenschaft" oder Nietzsches philosophisch Kritik wissenschaftlicher Vernunft IN: Carlo Gentili und Cathrin Nielson [Hg.]: Der Tod Gottes und die Wissenschaft: Zur Wissenschaftskritik Nietzsches, Berlin 2010.

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