Silvio Gesell war in seinem globalen Denken seiner Zeit weit voraus. Für ihn sollte die Erde allen Menschen gleichermaßen gehören, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Stand, Vermögen, Religion, Alter oder Leistungsfähigkeit. Landesgrenzen sollten überflüssig werden. Gesell war außerdem Vegetarier, der aus ethischen Gründen und Achtung vor Tieren das Fleischessen ablehnte.

 

Gesell's Kritik am Zins und die Alternative "Natürliche Wirtschaftsordung (NWO)"

Gesell lebte lange Zeit in Buenos Aires und betrieb dort ein Geschäft für medizinische Produkte. Schon früh stellte er Überlegungen über das mangelhaft geordnete Geldwesen als Ursache der damaligen Wirtschaftskrise und der sozialen Unruhen an. Seine Erkenntnisse zur Sozial-und Geldreform verbreitete er durch zahlreiche Broschüren, Bücher, Aufsätze und Vorträge in deutscher und spanischer Sprache. 1916 erschien sein Hauptwerk Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld.

Kritisiert wurde von ihm unter anderem, dass das Geld - im Gegensatz zu Waren und menschlicher Arbeitskraft - weder ''rostet'' noch ''verdirbt''. Ein Geldbesitzer kann Geld zurückhalten beziehungsweise ''horten'', ohne dabei einen Verlust zu erleiden. Er kann warten, bis die Ware für ihn billig oder die Zinsen hoch genug sind. Mit dem Abwarten störe er aber den Wirtschaftskreislauf. Händler sähen sich dadurch gezwungen, ihre Verkaufspreise zu senken, Ware zu lagern oder schlichtweg verderben zu lassen und müssten als Folge davon entstandene Kosten durch Kredite decken. Diese Kredite, für die Zinsen zu zahlen sind, stellten für den Geldgeber ein Einkommen dar, für das er keine Leistung erbringt. Zudem könne er die eingenommenen Zinsen erneut verleihen, so dass seine Einnahmen ständig steigen (Zinseszins). Nach Gesell werde so ''leistungsloser'' Reichtum dort angehäuft, wo er nicht benötigt wird, der arbeitenden Bevölkerung hingegen würde der ihr zustehende volle Arbeitsertrag vorenthalten.

Gesell hielt eine gleichmäßige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes für eine krisenfreie Wirtschaft für essentiell. Geld sollte ihr nur als Tauschmittel dienen und sie nicht als Hortungsmittel lähmen. Die Natur zeige deutlich, dass alles dem rhythmischen Wechsel von Werden und Vergehen unterliegt, nur beim Geld scheine diese Vergänglichkeit außer Kraft gesetzt zu sein. Statt Zins zu zahlen schlug Gesell vor, das Geld in eine staatliche Einrichtung umzuwandeln und eine Nutzungs- und Rückhaltegebühr zu erheben, um den Umlauf des Geldes zu sichern. Diese Gebühr käme nicht denen zugute, die mehr Geld haben als sie brauchen, sondern dem Staat und damit letztendlich allen. Auf diese Weise würde Geld auf seine Funktion als Tauschmittel beschränkt. Hat man mehr Geld als man braucht, bringt man es zur Bank, die es verleiht und wieder in Umlauf bringt. Der Preis der Ware regele sich nach wie vor durch Angebot und Nachfrage. Aufhören würde jedoch die Verzerrung des Marktgeschehens durch die einseitige Anhäufung von Geld in den Händen Weniger. Während der Zins ein privater Gewinn ist, sei die Nutzungsgebühr eine öffentliche Angelegenheit.

Modellversuche

In der österreichischen Kleinstadt Wörgl wurde Silvio Gesell's Modell 1931 zum erstenmal mit sogenannten ''Freigeldscheinen'' sehr erfolgreich umgesetzt. Sogar die Arbeitslosigkeit konnte seinerzeit um 25 Prozent gesenkt werden. Als sich daraufhin etwa 300 weitere Gemeinden für einen derartigen Versuch interessierten, sah die österreichische Notenbank ihr Geldmonopol gefährdet und ließ den Versuch umgehend verbieten.

Um das Gesetz des Drucks von Parallel- oder Komplementärwährungen zu umgehen, arbeitet man daher zum Beispiel mit ''Gutscheinen'' oder mit ''Arbeits- oder Zeitwertscheinen''. Ende September 2002 starteten sechs Schüler/innen und Christian Gelleri in Rosenheim das ''Chiemgauer''-Projekt. Heute ist es die erfolgreichste und größte Regionalwährungs-Initiative Deutschlands, mit dem etwa 600 Unternehmen arbeiten. Doch nicht nur in Deutschland und ganz Europa schätzt man Regionalwährungen, sondern weltweit gibt es inzwischen zahlreiche Regiogeld-Initiativen.

Die Silvio-Gesell-Tagungsstätte - Ort der Begegnung, des Austauschs und der Information

Die idyllisch gelegene Silvio-Gesell-Tagungsstätte in Wuppertal ist ein authentischer Ort der Bewegung, die Gesell seinerzeit in Gang setzte. Hier drehte und dreht sich sehr viel um Silvio Gesell, sein Leben, sein Werk, seine Visionen und das, was davon weltweit bisher umgesetzt wurde.
So referierte unter anderem im Jahr 2012 Werner Onken, einer der profundesten Kenner des Werkes von Silvio Gesell, zu ''150 Jahre Silvio Gesell - Leben und Werk des Sozialreformers''. Von ihm ist zu diesem Anlass auch das Buch ''SILVIO GESELL - Reichtum und Armut gehören nicht in einen geordneten Staat'' (Werksauswahl zum 150. Geburtstag) heraus gebracht worden.

 

Quellen:

Kurzschrift ''Ausweg aus der Krise'' von Dr. Magit Kenndey, EMU-Verlag, Lahnstein

Vorträge Silvio-Gesell-Tagungsstätte

silvio-gesell.de

 

Autor seit 11 Jahren
101 Seiten
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