Aus dem Inhalt

Es handelt sich bei diesem Buch nicht um einen Roman, sondern um eine biografisch geprägte Erzählung von den beiden Lektoren Anne Weiss und Stefan Bonner. Nach deren eigener Aussage im Nachwort sollen die hier beschriebenen Ereignisse – so unglaublich manche Szenen auch erscheinen mögen – in der einen oder anderen Form tatsächlich passiert sein. Lediglich Einzelheiten zu den Personen wurden zum Schutz des Personenrechts verfremdet dargestellt.

Die Erzählung beginnt aus Annes Perspektive. Zu dem Zeitpunkt, als die Handlung einsetzt, ist sie noch nicht lange im Verlag angestellt. Vor kurzem erst hat sie sich – was mit ihrer Arbeit natürlich nichts zu tun hat – von ihrem Exfreund namens Oliver getrennt, weil er offenbar noch immer nicht bereit war, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen und ein bisschen mehr erwachsen zu werden. Er war ein Langzeitstudent, der zu Hause lieber Videospiele spielte, statt sich auch einmal am Haushalt zu beteiligen. Um es mit diesem plakativen Ausdruck zu sagen: Er war ein ausgeprägtes "Betamännchen".

Im Büro wird Anne nun vom Chef ihr Kollege Stefan zur Seite gestellt, um ihr das Einleben in den Verlagsalltag zu erleichtern. Sie verstehen sich gleich gut. Bei einem Rundgang durch den Verlag stellt er sie den anderen Mitarbeitern vor und zeigt ihr die Räumlichkeiten inklusive der Teeküche. Anne ist zunächst ganz erstaunt, dass Stefan als Mann Gesundheitstee trinkt und auf den Nachwuchs einer Kollegin so abwehrend bzw. sehr unsicher reagiert.

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Indes ahnt Stefan, als er zu Hause die Nachricht seines besten Freundes Marko von dessen baldiger Vaterschaft vernimmt, noch nicht, dass er sich bald in einer ähnlichen Situation wiederfinden wird. Erst, als Maja ihm in einem Gespräch direkt mitteilt, dass sie schwanger ist, beginnt er die Lage zu realisieren. Zunächst ist es für ihn ein Schock. Er fühlt sich seiner zukünftigen Aufgabe als Vater nicht gewachsen und ist sich unsicher, was er alles tun muss, um seinem Kind ein guter Vater zu sein. Was wird von ihm erwartet? Wie hat ein "richtiger Mann" zu sein? Ob ihm ein "Männerseminar", über das er sich zunächst noch lustig macht, dabei weiterhilft? Er möchte es richtig machen, weiß aber nicht, wie das konkret gehen soll. Er hatte ja auch kein männliches Vorbild dafür. Folglich muss er selbst eine Lösung finden.

Die Skepsis seines Schwiegervaters Helmut ihm gegenüber und die Tatsache, dass ausgerechnet Torsten – Majas Exfreund – der frisch gebackenen jungen Familie ein Haus im bergischen Land anbietet, macht es für Stefan nicht unbedingt einfacher. Können sie sich mit ihrem Verdienst überhaupt ein Haus leisten, zumal, wenn in Zukunft zeitweilig einer alleine das Geld verdienen muss? Wie könnten sie Beruf und Familie vereinbaren, wie wird Stefan gleichzeitig ein guter Vater und ein ausreichend verdienender Lektor sein können? Wird nicht als Mann von ihm verlangt, dass er die Familie ernährt? Und wenn Maja in ihrem Beruf bleiben wird bzw. dorthin zurückkehrt: Wäre es ihm möglich, seinerseits in Elternzeit zu gehen?

Anne hingegen fragt sich, ob es in der Welt da draußen noch "richtige Männer" gibt und nicht nur "Betamännchen" wie ihr Exfreund, oder Männer wie die, mit denen ihre Wohnungsgenossin Sandra verkehrt und denen man erst beibringen muss, wozu eine Dusche da ist. Einerseits genießt sie das Singleleben, doch andererseits hat sie auch den Wunsch, ihren Traummann eines Tages kennen zu lernen. Schließlich ist sie schon in den fortgeschrittenen Dreißigern und die biologische Uhr bleibt nicht stehen. Ein paar Mal gibt sie daher den Verkupplungsversuchen ihrer WG-Freundin nach, lässt sich sogar von ihr überreden, sich auf einer Online-Singlebörse anzumelden. Als Sandra mit ihrem jetzigen Freund in eine eigene Wohnung umziehen will, zieht auf deren Initiative hin einer von deren Kollegen, Wolfgang, stattdessen bei Anne ein. Dabei handelt es sich zufällig um den Mann, dem sie bereits kurz im Verlauf der Frankfurter Buchmesse begegnet war. Dort hatte er sie vor einem ziemlich aufdringlichen Interviewpartner gerettet. Obwohl sie zuerst Vorbehalte gegen den Einzug hatte, kommen die beiden letztlich zusammen. Auch, wenn sich herausstellt, dass Wolfgang keineswegs perfekt ist, glaubt sie, ihn zu lieben, und die Beziehung geht eine Weile gut. Bis er einen unverzeihlichen Fehler macht...

Meine Rezension

Ich habe mich bei der Lektüre köstlich amüsiert und bestens unterhalten gefühlt. Die unterhaltsame Story ist in einem flüssigen Stil in einer leicht verständlichen, populären Sprache geschrieben. Die Sätze sind prägnant verfasst, oftmals kurz und niemals länger als nötig. Dadurch liest es sich zügig. Auch die Länge der Kapitel finde ich vollkommen angemessen. Sie gehen im Durchschnitt knapp über 10 Seiten, sind somit kurz genug, falls man mal eben zwischendurch ein Kapitel oder zwei lesen möchte. Zudem unterteilen sich die Kapitel ab und zu, nämlich wo dies sinnvoll ist (etwa zwischen verschiedenen Szenen oder wenn etwas Neues kommt), in Abschnitte. Den gesamten Aufbau empfinde ich als logisch und die Spannung fördernd. Nur ein kleines Detail in der Gestaltung fand ich nicht optimal: Die orange umrandeten Seitenzahlen sind mit ihrer weißen Schrift etwas schwer zu lesen. Beide Perspektiven ergänzen sich gut. Von den Charakteren konnte ich mir aufgrund der situations- und inhaltsbezogenen Schilderungen ein gutes Bild machen. Die Protagonisten kamen sympathisch herüber und ich konnte mich gut in ihre Lage und Nöte hineinversetzen. 

Allerdings hätte ich es gar nicht schlimm gefunden, wenn die Lektüre der 399 Seiten länger gedauert hätte. Denn die Autoren verstehen es, spannend, lustig und sehr abwechslungsreich von der Handlung her zu schreiben. Voller Elan nehmen sie erzählend den Leser mit in das Geschehen, das sich immer weiter entfaltet und an fast jeder Ecke mit interessanten wie überraschenden Wendungen aufwartet. Dabei entwickelt sich die Handlung natürlich und somit ohne den Leser mit geballten Informationen zu überfordern. Es wird immer nur so viel verraten, wie im Augenblick wichtig ist und der Leser in dem jeweiligen Moment verarbeiten kann. Das Ganze wird nicht bierernst und schon gar nicht trocken, sondern mit einiger Situationskomik und einer guten Portion Humor erzählt. An vielen Stellen regt das Buch zum Schmunzeln an.

Gleichzeitig machen sich die Autoren aber auch durchaus "seriös" Gedanken zur Thematik, über die immer noch oder teils nicht mehr gängigen männlichen und weiblichen Rollenbilder. Als weiteren, gut auf die jeweils kommende Szene abgestimmten Denkstoff wurden Zitate aus Zeitschriften, Büchern und von mehr oder weniger bekannten Persönlichkeiten zu der Genderthematik, teils auch aus der Genderforschung, eingefügt. Dabei wird nichts als einzig "richtig" oder "falsch" dargestellt, sondern es bleibt jedem – dem Leser, Anne und Stefan – selbst überlassen, für sich individuelle Antworten zu finden, selbstverständlich unter der Voraussetzung einer gegenseitigen Gleichberechtigung und eines respektvollen Umgangs beider Geschlechter. Zwar fand ich ein paar Stellen nicht ganz klischeefrei, doch insgesamt hielten sich diese wenigen Klischees noch im menschlichen Rahmen. Diese wurden durch die augenzwinkernde Erzählweise weitgehend wett gemacht.

Ob tatsächlich alle Ereignisse so passiert sind, kann ich mir nicht vorstellen. Es sind durchaus einige etwas "schräge" Szenen enthalten, zum Beispiel die Sache mit dem "Topfpinkler". Außerdem erscheint mir das Aufeinandertreffen mancher "Zufälle" ein wenig unwahrscheinlich. Natürlich ergeben sich auch im Leben manchmal solche Zusammenhänge. Durch die geballte Häufung in Form dieses Werkes kam es mir aber ab und zu so vor, als wären es ein wenig zu viele zufällige Zusammenhänge. Damit meine ich nicht die "einfacheren" Zufälle wie der, dass Stefan und sein Kumpel kurz hintereinander Vater werden. Das ist durchaus plausibel, zumal, wenn sich Menschen eines Freundeskreises in einem ähnlichen Alter und in dem gleichen Lebensabschnitt befinden. Das versehentliche Wiedersehen mit Benno, Annes Jugendschwarm, der sich schon damals letztendlich als Arschloch entpuppte, unterstreicht die Situationskomik.

Doch wie viel Zufall ist notwendig, damit ausgerechnet der Typ von der Buchmesse, von dem sie befürchtet hatte, ihn nie mehr wiederzusehen, ihr neuer Mitbewohner werden soll? Die Buchbranche ist ja schließlich nicht so klein, dass dort automatisch jeder jeden kennt – oder? Und warum stirbt Stefans Vater, der Millionär, den er gerade erst flüchtig kennen gelernt hat, der ihm nichts außer einer Zigarrenkiste mit einem signierten Feuerzeug vermacht hat, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt? Das erwähnte Feuerzeug trägt übrigens den Namen "Johann". Sein Vater hatte es von dem Mann bekommen, welcher der Vater von Stefans Jugendfreund Patty war und zu Stefan damals wie eine Art Ersatzvater war. Noch so ein Zufall: Dass Stefans Vater mit diesem Johann einmal befreundet war – ohne dass damals irgendetwas von dieser Bekanntschaft durchgesickert ist. Ich zweifle ja nicht an, dass es so geschehen sein könnte. Vielleicht liegt es einfach an der Art des Erzählens, die ich wie gesagt sehr kurzweilig, amüsant und daher vor diesem Gesichtspunkt gelungen finde, dass es mir so unglaublich vorkommt.

Insgesamt ziehe ich zu diesem Buch ein positives Fazit. Auch, wenn die einzelnen Aspekte der Thematik für mich persönlich jetzt nicht akut waren, finde ich sie hier doch auf gelungene, keineswegs aufdringliche Weise umgesetzt. Wer eine gute Unterhaltungslektüre sucht, der liegt hiermit sicherlich richtig. Für ernsthaft wissenschaftlich Interessierte gibt es entsprechende Sachbücher oder Magazinbeiträge.

Weiterführende Infos findet man zum Beispiel hier:

Aktuelle Studie "Jungen und Männer im Spagat - Zwischen Rollenbildern und Alltagspraxis"

Ich bedanke mich bei Blogg dein Buch und dem Bastei Lübbe Verlag, die mir das Buch "Betamännchen – Sind die Männer noch zu retten?" von Stefan Bonner und Anne Weiss als Rezensionsexemplar kostenlos bereitgestellt haben.

Noch mehr lustige Anekdoten der Autoren sowie Event-Termine gibt es auf dem Gemeinschaftsblog der Autoren.

Bildnachweis: Pixabay

Autor seit 13 Jahren
104 Seiten
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