Im schlimmsten Fall droht Gewalt

Der Mediziner hat dafür ein spezielles Programm entwickelt. Der Name lautet: "OGE". In einem Interview erklärte er, das wäre einfach "EGO" rückwärts gelesen. Das Ego stünde uns nämlich häufig im Wege beim bewussten Umgang mit Gefühlen, meint Dufour. Nach dem Titel "Das verlassene Kind. Gefühlsverletzungen aus der Kindheit erkennen und heilen" ist nun ein weiteres Buch des Arztes erschien.

 

Der Band mit dem provokanten Titel "Wut ist gut" setzt sich Dufour mit dem Gefühl der Wut auseinander. Unterdrücken bringt nichts, so die Kernaussage. Im Gegenteil: Wer immer alles wegsperrt, riskiert, dass es irgendwann unvermittelt hervorbricht und im schlimmsten Fall in Gewalt ausartet. Deshalb sei es wesentlich gesünder, sich mit diesen Gefühlen genauer auseinanderzusetzen.

Was ist schon normal?

Wer Bücher von Sigmund Freud oder anderen Psychotherapeuten gelesen hat, wird mit dem Satz "Das Verdrängte kehrt wieder" sicher vertraut sein. In vielen modernen Methoden der Psychotherapie wird aber vor allem eine "Verhaltens-Korrektur" angestrebt. Das bemängeln Kritiker üblicher psychotherapeutischer Verfahren bereits seit vielen Jahren. Auch Dufour findet, dass in den traditionellen Therapieansätzen häufig einfach ein "Funktionieren" angestrebt wird. Die Gabe von Psychopharmaka nimmt jährlich zu. Doch damit würden häufig einfach nur Symptome bekämpft. In einem Interview mit dem Journalisten Oliver Bartsch für den spirituellen Kanal Mystica tv, warf Dufour auch die Frage auf, wer denn überhaupt entscheiden könne was normal beziehungsweise unnormal ist.

 

Blinde Flecken der Psychotherapie

Blinde Flecken in der Psychoanalyse und der daraus resultierende Umgang mit Klienten in der psychotherapeutischen Praxis hatten bereits Alice Miller (1923 bis 2010) auf die Palme gebracht. Die herausragende Psychologin polnisch-jüdischer Abstammung hatte sich intensiv den Traumata der Kriegsgeneration und deren Kindern, mit dem "Untertanengeist" und den Problemen der Erziehung westlicher Prägung auseinander gesetzt. Schließlich war sie sogar aus Protest aus der psychoanalytischen Gesellschaft ausgetreten. Mit ihren Büchern – Dein gerettetes Leben: Wege zur Befreiung oder "Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst" – half sie Millionen Menschen, ein Leben in Selbstakzeptanz und Würde aufzubauen und alte Traumata zu heilen. Bis heute rangieren ihre Bücher auf den Bestseller-Listen bei Amazon.

 

 

Psst, das gehört sich nicht ...

Alice Miller vertrat die Ansicht, dass ein Kind in seiner Entwicklung Affekte (also Emotionen wie Wut) ausleben möchte ohne dabei die Liebe ihrer Bezugspersonen zu verlieren.- Aber wer kennt das nicht: "Psst", "Sei still", "Das macht man nicht" sind häufig Reaktionen der Eltern auf einen Wutanfall oder es wird mit "Liebesentzug "reagiert. So ist es kaum verwunderlich, dass wir uns als Erwachsene genieren, wenn wir plötzlich Wut in uns aufsteigt. Daniel Dufour sieht darin das als zentrales Problem. Unterdrückte Wut wäre eine der häufigsten Ursachen von Krankheiten sowie von psychischen und psychosomatischen Beschwerden, so der Medizinier. Kränkung oder Vernachlässigung, seelische oder körperliche Gewalt, Verluste, Verlassenheits- oder Ohnmachtsgefühle bilden den Hintergrund dafür: Erfahrungen also, die nur den Wenigsten erspart bleiben", verweist der Klappentext des jüngsten Buches auf die Allgegenwärtigkeit solcher Erfahrungen in unserer Gesellschaft.

 

 

Ich persönlich mag es manchmal weniger theoretisch und deshalb empfehle ich das wunderbare Buch: "Kleine Helden - Riesenwut: Geschichten, die stark machen" von Angelika Bartram, Jan-Uwe Rogge. Für tolle Illustrationen sorgte Annette Swoboda. Die Geschichten sind so spannend und lustig. Da gibt es Wutwolken etc.... - Es macht Spaß die Geschichten zu lesen, und versöhnt vielleicht mit schlechten Kindheitserfahrungen. 

Das Denk-Chaos überwinden

In seinem Buch stellt Dufour schließlich verschiedene Selbsthilfe-Übungen vor. Für ihn ist es entscheidend dabei die "Denke" abzuschalten. "Denke" meint hier einen "nutzlosen Teil des Gehirns", der uns nur blockieren würde. Was er darunter versteht erklärt er gleich zu Beginn des Buches. Man müsste zwischen Reflexion und Denke unterscheiden. Die "Denke" zeigt sich oft in einem Durcheinander von Gedanken, Ideen, Einschätzungen. Dabei würden sich noch Ängste und Sorgen darunter mischen. Letztlich führe dieses gedankliche Chaos zu nichts außer Entscheidungsunfähigkeit, Handlungsblockaden und Frustration. Dufours Logik zufolge sollte ein Mensch zunächst aus diesem Durcheinander aussteigen, einen Punkt finden an dem er sozusagen wieder zum Souverän wird. Insofern erinnert das Konzept ein wenig an verschiedene andere östliche Traditionen, die heute vermehrt aufgegriffen werden. Auch in den buddhistischen Lehren, wir immer wieder ein Ruhepunkt angepeilt und die Überwindung des sogenannten "Egos".

 

 

Von der Reflexion zur Akzeptanz

Auch Dufours Ansatz peilt so eine Art Ruhe- oder Reflexionspunkt an. Erst dann könne man überhaupt Emotionen erkennen. Als nächstes erfolgt das Zulassen und schließlich auch das Ausleben. Erst wenn wir uns Emotionen wie Wut aber auch Trauer und Freude zugestehen, sie zulassen und sie nicht "zurückhalten" wie ein "Staudamm, der das Wasser am Abfließen hindert" könnten wir schließlich das "Negative" auch loslassen und transformieren, so Dufour. 

 

 

Dabei geht es nicht darum andere Menschen mit Wutausbrüchen zu behelligen. Vielmehr forciert Dufour einen, selbstbestimmten Ansatz, der viel mit Selbstakzeptanz und Selbstliebe zu tun hat.

Fazit: Wir Menschen sind eben wie wir sind und Emotionen gehören zum menschlichen Dasein. Sie sind weder gut noch schlecht. Sie sind wie sie sind. Erst die Art und Weise wie wir sie beurteilen und damit umgehen, wird unsere Lebensqualität entscheidend beeinflussen. 

Autor seit 10 Jahren
61 Seiten
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