Schwangerschaftssymptome bei werdenden Vätern

Das Couvade-Syndrom bei werdenden Vätern äußert sich in körperlichen und seelischen Beschwerden, wie sie auch bei schwangeren Frauen typisch sind, nämlich Übelkeit am Morgen, Verdauungsstörungen mit gleichzeitigen Heißhungerattacken sowie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schwindelanfälle, Reizbarkeit, vermehrte Rührseligkeit und Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen. Vor allem in den ersten und letzten drei Monaten der Schwangerschaft der Partnerin zeigen sich bei den werdenden Vätern die schwangerschaftsähnlichen Symptome.

Und, was vielleicht noch überraschender ist: Die werdenden Väter bekommen auch einen Babybauch. Das heißt: Sie nehmen zu und setzen vor allem im Bauchbereich Fett an. Und zwar handelt es sich im Schnitt um eine Gewichtszunahme von vier Kilo, was ja ungefähr dem Geburtsgewicht eines Babys entspricht. Schätzungsweise bei jedem fünften Vater sollen diese Couvade-Symptome auftreten. Es gibt jedoch auch Studien, die von einer Betroffenheitsquote von bis zu 80 Prozent ausgehen. Dabei kommt es sicherlich auch auf den Ausprägungsgrad der Schwangerschaftssymptome an.

Extreme Erscheinungsformen des Couvade-Syndroms werden In vielen traditionellen Kulturen beobachtet. Und zwar ziehen sich hier Männer, die gerade Vater geworden sind, zu simulierten Geburten in Gebärhütten zurück, leiden sogar unter wehenähnlichen Schmerzen und stellen sich rituell auf ihre neue Rolle ein.

Gefühls- und Gedankenchaos bei werdenden Müttern und Vätern (Bild: johnhain/pixabay.com)

Hat er einen Babybauch? (Bild: steinchen/pixabay.com)

Hormonelle Veränderungen

Nach Ansicht der Wissenschaft könnten hormonelle Veränderungen bei werdenden Vätern das Couvade-Syndrom hervorrufen. Das heißt: Genau wie bei werdenden Müttern lassen sich auch bei werdenden Vätern Änderungen im Hormonhaushalt nachweisen, etwa beim "Milchhormon" Prolaktin, das bei Frauen unter anderem den Zyklus reguliert und während der Schwangerschaft für das Brustwachstum und die Bildung der Muttermilch sorgt, das aber auch im männlichen Körper vorhanden ist. Einer kanadischen Untersuchung zufolge steigt der Prolaktinspiegel bei werdenden Vätern deutlich an. Im Blut werdender Väter konnte zudem ein erhöhter Anteil des weiblichen Sexualhormons Östradiol gefunden werden, das bei Müttern die Bindung an die Säuglinge fördert. Sowohl bei werdenden Müttern als auch bei werdenden Vätern steigt zudem der Anteil des Hormons Cortisol – das mütterlich macht - im Blut an.

Ferner wurde festgestellt, dass werdende Väter oder Väter, die sich intensiv um ihre Kinder kümmern, sowie Männer, die in festen Partnerschaften leben, einen niedrigeren Anteil des Sexualhormons Testosteron im Blut haben als kinderlose Männer oder Singles. Insgesamt bewirkt dieser Hormoncocktail, also ein Anstieg des Prolaktin-, des Östradiol- und des Cortisolspiegels sowohl bei der werdenden Mutter als auch beim werdenden Vater und ein niedriger Testtosteronspiegel beim Mann, ein fürsorgliches Verhalten der Eltern gegenüber ihrem Nachwuchs. Und dabei könnte es sich um einen Prozess handeln, der von der Frau auf den Mann übergeht. Das heißt: Die hormonellen Veränderungen beim Vater könnten durch Pheromone verursacht werden, also durch Sexuallockstoffe, die vom Körper der schwangeren Partnerin ausgesendet und durch die Luft übertragen werden.

Der Umstand, dass nicht nur bei werdenden Müttern, sondern auch bei werdenden Vätern bestimmte Hormonveränderungen ausgelöst werden – die bei den werdenden Vätern mit schwangerschaftsähnlichen Symptomen einhergehen – könnte insgesamt einen im Lauf der Evo­lution entstandenen Brutpflege-Modus darstellen. Das Couvade-Syndrom wäre so gesehe ein Programm der Natur, das bewirken soll, dass sich auch die Väter intensiv um den Nachwuchs kümmern.

Zusammenwirken von physischen und psychischen Prozessen

Nach Expertenmeinung könnte das Couvade-Syndrom jedoch auch psychische Ursachen haben. Und zwar könnte es sich hier um eine Art unbewusster Imitation handeln. Das heißt: Insbesondere in engen und vertrauensvollen Partnerschaften ist es naheliegend, dass ein Partner die Symptome des anderen unwillkürlich nachahmt. Physiologische Basis dafür sind vermutlich die Spiegelneuronen. Denn diese Nervenzellen lösen im Gehirn beim Betrachter gewissermaßen spiegelbildlich die gleichen Handlungen aus, die gerade beobachtet werden. Folglich löst das Nervensystem des Mannes die Empfindungen im eigenen Körper aus, die es zuvor bei der schwangeren Frau wahrgenommen hat. Man könnte dies auch so deuten, dass der Mann versucht, nachzuempfinden, was es überhaupt bedeutet, schwanger zu sein. Es wird jedenfalls bei werdenden Vätern, die die Schwangerschaft ihrer Partnerin mit großer Empathie begleiten, eher zu den beschriebenen hormonellen Veränderungen kommen.

In diesem Kontext könnte man auch eine Erklärung dafür finden, warum sich auch werdende Väter während der Schwangerschaft ihrer Partnerin "einen "Babybauch zulegen". Das heißt: Der männliche Babybauch könnte eine direkte Folge der hormonellen Veränderungen und der damit einhergehenden Solidarität mit der werdenden Mutter sein.

Ferner ist festgestellt worden, dass sich Männer, bei denen die Hormonschwankungen sowie die Gewichtszunahme beträchtlich waren, später als besonders fürsorgliche Väter erwiesen. Die Gewichtszunahme werdender Väter könnte deshalb auch darauf zurückzuführen sein, dass die Väter Energiereserven zur Verfügung haben wollen, um ihre neuen anstrengenden Aufgaben besser bewältigen zu können. In diesem Zusammenhang gibt es aber auch die These, dass der stark vergrößerte Bauchumfang des Vaters Ausdruck des Bedürfnisses sei, dem Baby durch eine imposantere Statur besonders viel körperlichen Schutz und Geborgenheit geben zu können.

Bei werdenden Vätern mit starken Schwangerschaftssymptomen könnte ferner das – nicht ganz uneigennützige – Motiv eine Rolle spielen, ihrem Umfeld zu zeigen, dass die Vaterschaft genauso wichtig ist wie die Mutterschaft, um damit ihren Anteil an der engen Mutter-Kind-Beziehung einzufordern. In tiefenpsychologischer Perspektive wird den stark empathischen Vätern sogar unterstellt, insgeheim neidisch auf die Fähigkeit ihrer Partnerin zu sein, ein Kind zu gebären, so dass sie durch ihre Scheinschwangerschaft die eigene Unfähigkeit zum "Kinderkriegen" kompensieren wollen. Durch den eigenen Babybauch werde dann signalisiert: Hey, seht her, ich kann auch ein Kind bekommen!

Ein Blick ins Tierreich

Ein Blick ins Tierreich zeigt, dass das Couvade-Syndrom einschließlich väterlichem Babybauch tatsächlich ein origineller Einfall der Natur sein könnte, um bei bestimmten Säugetierarten, also auch beim Menschen, sicherzustellen, dass sich beide Elternteile um die Aufzucht des Nachwuchses kümmern. Besonders deutlich zeigt sich dies bei zwei Affenarten. Es gibt ferner eine Tierart, bei der es nicht nur zu Scheinschwangerschaften der Männchen kommt, sondern bei der die Männchen wirklich den Nachwuchs gebären.

Und zwar ist dies bei den Seepferdchen der Fall. Das heißt: Die Seepferdmännchen besitzen am Bauch einen verschließbaren Brutbeutel, in die die Weibchen am Ende des Balz-Rituals bis zu 200 Eier hineinpressen. Das Männchen befruchtet die Eier im Brutbeutel und trägt sie dann wie in einer Schwangerschaft aus. Nach drei bis vier Wochen werden die herangewachsenen Jungtiere unter wehenartigen Krämpfen ins freie Meer entlassen. Seepferdchenpaare bleiben sich übrigens ein Leben lang treu.

Schlusswort: Der Einfluss der Gesellschaft

Wenn man davon ausgeht, dass die Co-Schwangerschaft werdender Väter naturgegeben ist, wäre das Auftreten schwangerschaftsähnlicher Symptome bei Männern, deren Partnerin ein Kind erwartet, eigentlich nicht die Ausnahme, sondern Normalität. Das heißt: Es dürfte nicht überraschen, dass auch Männer ein bisschen schwanger werden können, sondern es müsste eher überraschen, wenn dies nicht der Fall ist. In diesem Zusammenhang könnte man vermuten, dass tatsächlich auch in modernen und nicht nur in traditionellen Gesellschaften werdende Väter immer schon schwangerschaftsähnliche Symptome gezeigt haben, dass diese aber anders erklärt, also nicht auf die Schwangerschaft der Partnerin zurückgeführt worden sind.

In patriarchalischen Gesellschaften – und auch die moderne Industriegesellschaft ist ja immer noch in Teilen patriarchalisch geprägt – war es zudem verpönt, sich als Mann intensiv um den Nachwuchs zu kümmern. Das war "Frauensache". Die Männer gingen deshalb auch bereits auf Distanz zu ihrer schwangeren Partnerin. Dass Männer an der Schwangerschaft der Partnerin wirklich Anteil nehmen und späte fürsorgliche Väter sind, hängt also auch mit den gesellschaftlichen Umbrüchen der letzte Jahrzehnte zusammen. Man konnte auch sagen, dass sich dadurch wieder etwas zeigen konnte, was eigentlich naturgegeben ist, aber durch gesellschaftliche Einflüsse überlagert worden war.

Nun gibt es natürlich nach wie vor Männer, denen die Schwangerschaft ihrer Partnerin mehr oder weniger gleichgültig ist, die auch mit der Pflege des Nachwuchses möglichst wenig zu tun haben wollen und die auf das Schreien eines Babys nicht empathisch, sondern aggressiv reagieren. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass sich diese Männer weiterhin an einem patriarchalischen Leitbild orientieren und/oder dass sie schlicht und einfach nicht in der Lage sind, sich in die Befindlichkeiten anderer Menschen empathisch einzufühlen. Letzteres wäre allerdings alarmierend, denn es würde bedeuten, dass solche Männer an einer Deformation ihres Nervensystems und daraus resultierenden psychischen Störungen leiden.

Quellenangabe:

http://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2014-11/maenner-schwangerschaft-couvade-syndrom/komplettansicht

Zum Thema "Seepferdchen"
http://www.wwf.at/de/menu882/subartikel3172/

https://forum.isoliert.de/viewtopic.php?t=172

Bildnachweis:

Alle Bilder: pixabay.com

 

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