Die "Geiz ist Geil-Mentalität" hat längst die Reiseindustrie erreicht. Die Welt ist ein Dorf, die Reiseländer sind in einen starken Konkurrenzkampf getreten. Wer ist der Billigste? Die Meeresküsten werden über Kilometer mit großen Hotels über 300 Betten zugebaut. Diese Bettenburgen wollen gefüllt werden, auch Leerstand kostet Geld, will man nicht nach dem Winter mühevoll renovieren. Die Überkapazitäten führen zu einem starken Preiskampf untereinander.

Das All-inclusive-Konzept versprach den Reisegästen eine perfekte Reise ohne zusätzliche Kosten. Essen und alle Getränke sind bereits im Reisepreis enthalten. Der Gast muss nicht mehr vor die Türe treten, um in der kleinen Taverne zu essen. Er schlappt vielleicht noch die wenigen Meter zum Strand.

In der Winterzeit müssten die Hotels ohne Gäste geschlossen werden. Das Meer und der Pool sind zum Baden zu kalt. 

Kappadokien
Kappadokien

Kappadokien (Bild: Reisefieber)

Der Eckpreis - ein Lockmittel zur Reisebuchung

Der sogenannte Eckpreis ist der günstigste Preis, zu dem man eine Reise buchen kann. Mit diesem Preis wird zum Teil ein halbes Jahr geworben. Er soll sofort ins Auge fallen und steht groß oben auf dem Angebot. Wer sich dann mit der Reisepreistabelle beschäftigt, findet schnell heraus, dass

  • der Preis nur an einem oder wenigen Terminen buchbar ist
  • es Zuschläge für verschiedenen Flughäfen gibt
  • nur Grundleistungen wie z.B. Frühstück enthalten sind

Wie kommt so ein Eckpreis zustande? Meist sind in der Nebensaison große Hotelkapazitäten vorhanden, die leer stehen. Sei es, dass im Reiseziel zahlreiche große Bettenburgen gebaut wurden, die nun gefüllt werden müssen oder das Wetter in den Monaten nicht so mitspielt. Der günstigste Preis liegt immer außerhalb der Ferienzeiten, häufig in den Wintermonaten Januar, Februar. An Baden im Freien ist meist nicht zu denken.

Wenn dann die Fluggesellschaften noch freie Kontingente haben, kann ein günstiger Ab-Preis gezimmert werden. Die vielen günstigen Low-Cost-Airlines bzw. No-Frills-Angebote machen es möglich. Bei No-Frills-Airlines sind in der Regel Leistungen wie z.B. Essen, Getränke und Tageszeitungen oder ein Unterhaltungsangebot in der Maschine nicht vorhanden. Alle nicht wichtigen Serviceangebote werden weggelassen, um den Preis zu senken.

Beim Eckpreis verdient der Veranstalter in der Regel nichts. Er wird meist als Selbstkostenpreis angeboten. Umsatz kann nur durch Masse oder Zusatzpakete erzielt werden. Der billige Preis dient dazu, mit dem Angebot zu werben.

Kann sich der Reisepreis rechnen?

Versuchen wir es mit einem Rechenbeispiel:

Flug von Frankfurt nach Antalya und zurück 100 Euro

14 Nächte Übernachtung, Frühstück im Hotel 99 Euro.

In der Regel sind allein die Flugpreise höher. Gehen wir davon aus, dass der Veranstalter über die Buchung großer Kontingente einen Supersonderpreis erhalten hat. Dann blieben für den Bustransfer und die Übernachtung nur noch 99 Euro. Das sind nicht einmal 7 Euro pro Gast und Tag! Busfahrer und Reiseleiter wollen auch bezahlt werden.

Da meldet sich der gesunde Menschenverstand. Vom Grundpreis kann weder der Veranstalter, noch die Agentur oder das Hotel vor Ort leben. Die Wenigsten reisen tatsächlich zu dem im Angebot genannten Preis unter 200 Euro. Je nach Saison steigt der Preis auf bis zu 399 Euro.

Reisepakete

Die Lösung zur Erzielung zusätzlicher Einnahmen sind Reisepakete. So werden dem Gast vor Ort buchbare Pakete geschnürt. Für eine Kappadokien-Rundreise wurden angeboten: 

Eintritte und Führungen 69 Euro - Waren diese früher im Grundpreis einer Rundreise enthalten, so gehen manche Veranstalter dazu über, diese den Gästen erst vor Ort anzubieten. Der Reiseleiter, will er Geld verdienen, sieht sich gezwungen, das Paket an den Mann/ die Frau zu bringen. Das ist nicht angenehm zum einen für den Reiseleiter - würde er doch lieber über Land und Leute erzählen, zum anderen für den unbedarften Reisegast. Er fühlt sich, nachdem er das Kleingedruckte seiner Reisebeschreibung nicht gelesen hat, etwas verschaukelt. Die Stimmung im Bus ist dementsprechend und kann leicht in Unmut umschwenken. 

Halbpension im Badehotel 69 Euro für 7 Abendessen.

Halbpension 109 Euro. Da die genauen Hotels für die Rundreise in der Reisebeschreibung nicht genannt sind, kann man vorab nicht recherchieren, wie weit außerhalb sie zum Teil liegen. Der Preis klingt plausibel für 7 Abendessen. Nach einem langen Tag ist man vielleicht auch zu müde, um nach einem Restaurant zu suchen. Viele Hotels liegen dann tatsächlich weit ab von einem Ort, ohne ein weiteres Restaurant in der Nähe.

Vier Mittagessen und zwei Shows 89 Euro. Für das Mittagessen in Kappadokien werden sehr große Restaurants im Niemandsland angefahren, die auch mehrere Busse gleichzeitig verköstigen können. Da stehen schon mal fünf Reisebusse. In der Regel gibt es Buffet, um die Menge der Gäste bewältigen zu können. Weitere Essensmöglichkeiten sind meist nicht vorhanden. Wer nicht gebucht hat, muss sich mit Plätzchen oder unterwegs gekauftem Essen versorgen. Zu den Shows gehören die tanzenden Derwische sowie ein folkloristischer Abend mit Bauchtanz.

Rechnet man alles zusammen, sollte man sich vor der Buchung überlegen, ob man nicht gleich eine hochwertige Rundreise mit Badeaufenthalt bucht. 

Worauf soll ich vor der Buchung achten?

Prüfen Sie genau die Inklusivleistungen der angebotenen Reise.

Wird die Fluggesellschaft genannt oder ist es nur eine renommierte Airline? Hierzu zählen auch Billigfluglinien. Bei höher preisigen Rundreisen werden in der Ausschreibung oft auch die genauen Flugzeiten angezeigt. 

Sind die Hotels bereits genannt? Dann lohnt es sich, die Hotels im Internet zu recherchieren. Bedenken Sie, dass Hotelklassifizierungen in anderen Ländern nicht identisch mit der deutschen Hotelklassifizierung sind. 

Wie sind die Verpflegungsleistungen? Sind es nur Frühstück oder auch Halb- oder Vollpension?

Sind alle Eintrittsgelder und Führungen des Reiseleiters im Preis enthalten? Oder finden sich winzige Zusatznoten, die Erklärung in kaum lesbarer Schrift irgendwo in der Preistabelle zu finden sind.

Zu guter Letzt die Reisezeit. Wie ist das Klima in der gewünschten Reisezeit? Regnet es häufig, kann es Schnee geben. Ein günstiger Saisontermin muss nicht schlechtes Wetter bedeuten. 

Busse (Bild: Reisefieber)

You get what you pay for

Sie bekommen die Leistung, für die Sie gezahlt haben! Erwarten Sie bei einer Billigreise keine hervorragenden Hotels mit romantischen Restaurants und nettem Service nahe der Stadt, guter Rundumreisebetreuung unterwegs und viel Zeit bei den Sehenswürdigkeiten.

Billige Preise werden über Masse erreicht, d.h. auch große Essenssäle mit langen Schlangen am Buffet und immer die gleichen Gerichte.

Wenn Sie wenig Geld ausgeben möchten oder können, finden Sie sich mit den Unannehmlichkeiten ab.

Wer ist nun Verlierer und Gewinner?

Die Frage ist schwierig zu beantworten. Verlierer ist die Umwelt durch den Bau immer neuer Hotelkomplexe. Auch der Hotelier ist nur scheinbarer Gewinner, auf Dauer kann er dem Preiskampf nicht entrinnen und muss sein Hotel für ein Minimum anbieten. Das führt beim Personal wiederum zu geringerem Gehalt und erhöhtem Stress. Sind sie im Restaurant doch nur noch mit dem Abräumen des schmutzigen Geschirrs und Verkauf der Getränke beschäftigt. Trinkgelder fallen da auch seltener an.

Die Essensqualität steht und fällt mit dem Preis. Je weniger der Gast bezahlt, umso einfacher bzw. eintöniger werden die Gerichte. Dem Einen ist das wichtig, der Andere will nur satt werden.

Sie als Reisender sollten sich prüfen, was Ihnen wichtig ist. Schließlich geht es um die beste Zeit des Jahres, der lang ersehnte Urlaub. Möchten Sie den Urlaub genießen und vielleicht einmal in einem netten Lokal bei einer Flasche Wein sitzen? Das werden Sie beim Buffet eher nicht finden. Vielleicht wollen Sie Land und Leute richtig kennenlernen. Es lohnt sich! Das ist spannend! Umso mehr Freizeit für eigene Unternehmungen eingeplant ist, umso besser.

Vielleicht ist das kleine, hübsche Hotel doch schöner. Individuelles Reisen ist nicht immer günstig, entschädigt jedoch durch mehr einmalige Erlebnisse in einem fremden Land, dessen Erkundung sich lohnt.

Fazit

Die Bausteine der Rundreise wurden erfüllt. Die herrliche Landschaft entschädigt für die lange Fahrerei. Die Hotels waren bis auf eines gut, das Essen annehmbar. Bei einem längeren Hotelaufenthalt sollte das Hotel auf jeden Fall recherchiert werden.

Wünschenswert wäre es die Eintritte und Führung in den Reisegrundpreis direkt einzurechnen. Das entspannt die Gäste, die Reiseagentur vor Ort und den Reiseleiter, der sonst mehr als Verkäufer auftreten muss.

Reisefieber, am 23.11.2014
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Bildquelle:
Reisefieber / Katzen in Istanbul (Die Katzen von Istanbul)
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Autor seit 11 Jahren
165 Seiten
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