Der Ostername: Osten – Morgenröte – Ostara?

Wer das Wort Ostern nach seiner Sprachgeschichte wissenschaftlich untersucht, wird feststellen, dass es mit dem altgriechischen Wort Eos (deutsch: Morgenröte) verwandt ist. Auch das Wort Osten als Bezeichnung der Himmelsrichtung stammt vom altgriechischen Eos ab, weil die Sonne morgens im Osten aufgeht.

Bei den verschiedenen germanischen Völkern gab es Lichtgöttinnen und Sonnengottheiten, die den Beinamen "Eostur" trugen. Dieser Titel stammt ebenfalls vom altgriechischen Wort Eos her; als Lichtbringer wurden diese Gottheiten mit der Morgenröte in Verbindung gebracht. Ins Lateinische übersetzt, wurde eine der Lichtgöttinnen mit dem Beinamen Eostur in der Literatur als "Ostara" bezeichnet.

Im heutigen Schleswig-Holstein, Dänemark und England war damals Morgenrot im Monat April sehr häufig. Deshalb hieß der Monat in der damaligen Sprache Eostur-Manoth (deutsch: Morgenrot-Monat).

Wurde ein heidnisches Frühlingsfest christlich vereinnahmt?

Das Christentum hat vielfach vorchristliche Festbräuche vereinnahmt oder aber mit völlig neuem religiösen Inhalt versehen. Ein Beispiel dafür ist Weihnachten. War es beim Osterfest vielleicht ähnlich?

Viele Jahrzehnte lang war die Meinung verbreitet, dass ein Frühlingsfest zu Ehren einer vorchristlichen Göttin Ostara christlich umgedeutet wurde. Diese Auffassung wurde in der Zeit des Nationalsozialismus mit seinem Germanenkult gefördert. Aber auch kirchenkritische oder atheistisch eingestellte Leute, die überhaupt nichts mit Rechtsradikalismus zu tun hatten, verbreiteten die Meinung, dass ein Ostara-Fest zum Osterfest wurde.

Heute wissen wir, dass das so nicht stimmt. Die Wörter "Ostara" und "Ostern" kommen zwar beide vom altgriechischen Eos her, aber Ostern kommt nicht von Ostara her. Zu Ehren der vorchristlichen Lichtgottheiten gab es zwar Feste, aber zu anderen Jahreszeiten. Es gab auch vorchristliche Frühlingsfeste, die aber genau zu Frühlingsanfang stattfanden und nicht erst ausdrücklich später, wie das beim christlichen Osterfest der Fall ist. Bei Ostern stimmt es also nicht, dass ein vorchristliches Fest vereinnahmt oder neu interpretiert wurde.

Missionare predigten die Symbolik von Sonne und Licht in der Bibel

Die christlichen Missionare, die zu den germanischen Völkern und Stämmen wanderten, waren damals tief beeinflusst und geprägt von Bibelworten, die nach ihrem Glauben eine große religiöse Symbolik zum Ausdruck brachten. Anders als heute war das Christentum viel weniger "weltlich" orientiert und viel stärker mit "Geheimnissen des Glaubens" verbunden.

Die Denkweise der Missionare befasste sich im Zusammenhang mit der in der Bibel berichteten Auferstehung von Jesus Christus intensiv mit dem Thema von Sonne und Licht in den Worten der Bibel: Ganz am Anfang des Alten Testaments werden Licht und Sonne von Gott erschaffen, ganz am Ende des Alten Testaments wird eine neue Sonne der Gerechtigkeit vorhergesagt. Im Neuen Testament sagt Jesus von sich, dass er das Licht der Welt ist und dass alle, die ihm folgen, dass Licht des Lebens haben werden. Am Ende des Markus-Evangeliums wird an einem Sonntag, der nach der Sonne benannt ist, bei aufgehender Sonne das leere Grab des auferstandenen Jesus gefunden.

Diese Symbolik von Sonne und Licht predigten die Missionare den Germanen und kamen damit oft gut an. Sie erklärten überzeugend, dass die Christen nicht mehr wie im Alten Testament am Samstag (Sabbat) ihren Wochenfeiertag halten, sondern am Sonntag, am Tag der Auferstehung von Jesus, am "Tag des Herrn". Nicht zufällig habe die Auferstehung an dem nach der Sonne benannten Tag stattgefunden; denn Jesus sei die vorhergesagte Sonne der Gerechtigkeit. Und nicht zufällig sei die Auferstehung nicht am siebten Tag der Woche (Sabbat) geschehen, sondern am ersten Tag einer neuen Woche, einer neuen Zeit. Und als das leere Grab gefunden wurde, sei das auch nicht zufällig bei Sonnenaufgang gewesen, sondern das sei die Morgenröte der neuen Zeit gewesen, die ins Licht des ewigen Lebens führe.

Der Begriff Ostern geht in seiner Popularität auf Wortspiele zurück

Um ihre christliche Symbolik von Sonne und Licht zu vermitteln, mussten die Missionare "dem Volk aufs Maul schauen" und für das Fest der Auferstehung von Jesus Christus einen treffenden und leicht verständlichen Begriff finden. Sie leiteten ihn deshalb vom Wort für Morgenröte und Osten ab. In der Theologie hieß das Fest weiter nach dem jüdischen Pessach-Fest (lateinisch: Pascha), aber in der Umgangssprache der Germanen hieß es jetzt "Eostra", woraus unser Wort Ostern entstand.

Nun ist die Wortwahl der Missionare die eine Sache, die Entwicklung einer lebendigen Sprache aber etwas Anderes. Wieso setzte sich das Wort Eostra – und das daraus entstandene Wort Ostern – tatsächlich durch? Das hängt mit einem damals beliebten und weit verbreiteten Wortspiel zusammen, das damals mit dem Wort Eostra gemacht werden konnte. In unseren heutigen Sprachen funktioniert das Wortspiel nicht mehr.

Damals konnte man zum Hauptwort Eostra ("Ostern") ein Tätigkeitswort bilden, das also – wörtlich in unsere heutige Sprache übersetzt – lauten müsste: "ich ostere, du osterst, er ostert, er wird geostert, er lässt sich ostern..." usw.

Das Wortspiel »Ostern – geostert werden« hat mit der Schöpfung und mit der Taufe zu tun

Heute kann man das Wortspiel »Ostern – sich ostern lassen« nicht mehr leicht nachvollziehen. Immerhin gibt es aber zum Beispiel im Isländischen noch das Wort "ausa" (deutsch: schöpfen). In der heutigen isländischen Sprache ist das Wort ganz eng begrenzt auf das Schöpfen von Wasser oder Suppe mit einer Schöpfkelle.

Vor 1700 Jahren war das altgermanische Tätigkeitswort in seiner Bedeutung viel breiter. Jede Art von Schöpfen konnte damit gemeint sein, und auch Begriffe wie Schöpfung oder Schöpfer konnten davon abgeleitet werden. Außerdem waren im Sinn des damaligen Tätigkeitswortes "schöpfen" auch die Ergebnisse des Schöpfens – also gewissermaßen das "Ausgießen" – enthalten.

Dadurch ergaben sich zahlreiche Möglichkeiten, durch Wortspiele mit "Ostern" an die Schöpfung der Welt durch Gott, den Schöpfer, oder an die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten zu erinnern. Vor allem aber konnte das Ausgießen des Wassers bei der christlichen Taufe wortspielerisch als Neuerschaffung des Menschen dargestellt werden.

Auch wenn uns das heute sprachlich komisch vorkommt, wurde die "Osterung" (Taufe) zu Ostern beliebt und trug zur Durchsetzung des Begriffs "Ostern" für das christliche Auferstehungsfest bei. Tatsächlich fanden am Ostersonntag im Gottesdienst oft Taufen von Hunderten Menschen statt.

Das „A und O“ – der Anfang und das Ende der Bibel und die endgültige Erlösung

Die Redewendung "das A und O" stammt vom ersten und letzten Buchstaben des griechischen Alphabets (Alpha und Omega) her. Ganz am Ende der christlichen Bibel, im Buch der Offenbarung, sagt Gott, dass er "das A und O" sei. Für die Christen schloss sich so die Verbindung von der Erschaffung des Lichts (Anfang des Alten Testaments) über die Prophezeiung der neuen Sonne (Ende des Alten Testaments), die Geburt von Jesus (Anfang des Neuen Testaments) und seine Wiederauferstehung als Morgenröte der neuen Zeit bis hin zum Ende der Bibel, wo die endgültige Erlösung in einer neuen Welt versprochen wird: "Siehe, ich mache alles neu!" (Offenbarung, Kapitel 21, Vers 5)

So konnte – über die damals verständlichen Wortspiele von Ostern und der Tätigkeit des "Osterns" (also der Taufe neuer gläubiger Christen) – das höchste christliche Fest auch in einem gewissermaßen allumfassenden Sinn als Fest der biblischen Wahrheit von Anfang bis Ende, des Lichts, der Auferstehung, der Neuschöpfung und des verheißenen ewigen Lebens begriffen werden. Und deshalb heißt es auch heute noch Ostern.

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