Was ist Niwaki?

Niwaki heißt wörtlich übersetzt soviel wie "Gartenbäume". Es bezeichnet Bäume in der Form, wie wir uns einen Baum vorstellen. Die Bilder, die in unseren Köpfen entstehen, wenn wir das Wort "Baum" hören, sind individuell verschieden. Für den einen bedeutet es in erster Linie eine besonders große und schöne Krone, für einen anderen einen besonderen spezifischen oder gleichmäßigen Wuchs und bei einem Dritten kann vor dem geistigen Auge zuerst das Bild von knorrigen Ästen auftauchen. Die japanische Kunst des Niwaki ist es, einen Baum in den Zustand zu versetzen, der dem vorgestellten Bild am nächsten kommt. Ein Baum, der auf natürliche Weise wächst, bildet womöglich Eigenschaften aus, die wir nicht sofort mit einem schönen Baum in Verbindung bringen. Wenn wir einen Baum malen oder modellieren, so können wir ihn nach unseren Vorlieben gestalten, in der Natur steht dem sein natürlicher Wuchs entgegen. Ziel ist es, das natürliche Wachstum in Bahnen zu lenken, sodass am Schluss der Baum aus unserer Vorstellung entsteht.

 

Obstbäume lassen sich ebenfalls in Form schneiden und sind als Spalierobst schön anzusehen.

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Niwaki - eine Jahrhunderte alte Tradition

Niwaki ist inspiriert von der Religion und der Kultur des japanischen Volkes. Auch klimatische Gegebenheiten spielen eine Rolle. Dennoch hat sich die alte Kunst des Niwaki in den letzten eineinhalb Jahrtausenden gewandelt. In der damiligen kaiserlichen Hauptstadt Kyoto entstand im frühen Mittelalter die Kunst des Niwaki und wird seitdem gepflegt. Zum damaligen Zeitpunkt wurden nur Bäume aus der Region um Kyoto herum verwendet, später dann aus ganz Japan und heute umfasst Niwaki alle Gartenbäume, und zwar japanische und ausländische gleichermaßen. Gemeinsam ist allen, dass sie von Menschenhand in die gewünschte Form gebracht werden. Man will damit die besonderen Merkmale, die man einem Baum zuspricht, herausstellen. Diese Merkmale sind vor allem knorrige Äste, weit ausladende Äste, buschige Kronen und guter Wuchs, wobei japanische Gärtner ein gewisses Maß an Asymmetrie bevorzugen.

Niwaki selber machen

Zu Beginn tritt der Mensch erst einmal als Betrachter der Natur auf. Man interpretiert die Gegebenheiten der Natur und versucht, die dahinterstehende Ästhetik zu verstehen. Balance, Ebenmaß und Gleichgewicht sind Aspekte, durch deren Beachtung dieses Verständnis gelingt. In der Vorstellung entsteht nun ein Bild von einem natürlichen und harmonischen Gleichgewicht. Die Bäume werden nun in der Art und Weise gezogen, dass sie diesem Idealbild entsprechen und das Bild vervollständigen. Eine geometrische Gestaltung findet man in japanischen Gärten selten, vielmehr wird hier der Schwerpunkt auf asymmetrische Formen und geschwungene Linien gelegt. Paarweise Pflanzungen findet man selten, dagegen sind einzelen Bäume und auch Dreiergruppen häufiger zu finden.

 

Um selber seine Formgehölze auf japansiche Art in Form zu bringen, sind grundlegende Kenntnisse über Schnitttechniken nötig.

- Der Schnitt erfolgt immer direkt über einer Knospe, aber nicht zu nahe an ihr und auch nicht zu weit von ihr weg.

- Die Richtung des Neuaustriebs einplanen: Der Neuaustrieb richtet sich nach der Schnittstelle. Dieser ist so vorzunehmen, dass der Neuaustrieb nach außen erfolgt.

- Wenn man größere Äste abschneiden oder absägen muss, sollte man darauf achten, die Schnittstelle möglichst klein zu halten, damit sie besser heilen kann.

 

Umformen:

Fukinaoshi ist eine Technik, mit der die Struktur eines ausgewachsenen Baumes verändert werden kann. Der Baum wird so stark zurückgeschnitten, dass nur noch der Stamm und die Hauptäste von 30cm Länge übrig bleiben. Wenn er dann neu austreibt, kann man ihn mit gezieltem Zurückschneiden in die gewünschte Form bringen. Für diese Technik eignen sich übrigens auch bei uns heimische Bäume wie Buchsbaum, Eibe oder Stechpalme. Der Schnitt sollte im Frühjahr erfolgen, möglichst nach den starken Frösten. Man wählt zweckmäßigerweise einen gesunden Baum aus, der auch ein starkes Zurückschneiden nicht übel nimmt. Die übrig gebliebenen Äste gilt es nun, in die gewünschte Form zu bringen. Mit Schnüren und Lattengerüsten werden die Äste gebogen und fixiert. Auch für diesen Teil der Arbeit ist das Frühjahr die geeignete Jahreszeit, weil hier durch die frischen Säfte die Zweige biegsamer und elastischer sind als im Herbst. Zu dicke Äste, die sich nicht biegen lassen, werden geschient oder im schlimmsten Fall zurückgeschnitten, um den nachwachsenden Neuaustrieb wie gewünscht formen zu können. Nachdem das Grundgerüst ausgeformt ist, macht man sich an die Ausgestaltung der einzelnen Äste. Analog zum vorhergehenden Verfahren werden hier auch die Triebe zurückgeschnitten, die aus den Ästen stammen, um deren Neuaustriebe wiedeum in die gewünschte Richtung biegen zu können. Um eine Paddelform des Astes zu erreichen, müssen beispielsweise sämtliche senkrechten Triebe entfernt werden und es werden nur die waagrechten Triebe in Form geschnitten. Eine schöne Krone erhält man, indem man drei bis vier der oberen Seitenäste (alles was darüber ist kommt weg) seitlich nach unten biegt und am Stamm fixiert. Nach etwa einem halben Jahr kann die Fixierung gelöst werden, der Baum sollte nun seine neue Form behalten. Der komplette Weg vom normalen Baum bis zum fertigen Niwaki kann drei bis vier Jahre in Anspruch nehmen und muss mindestens einmal im Jahr nachgeschnitten werden. Das Kunstwerk ist fertig und doch nicht fertig, der Niwaki kann jederzeit wieder in seiner Form verändert werden.

Bonsai und Niwaki

Um Niwaki im Westen bekannt zu machen, versuchte man sich eine Zeit lang an der Wortschöpfung "Groß-Bonsai", wohl, um den Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad des Bonsai auf die neuentdeckte Kunst zu übertragen. Allerdings bedeutet Bonsai "eingetopfter Baum", ein Niwaki hingegen wächst immer im Boden. Ihre Gemeinsamkeit haben beide in der Tatsache, dass sie von Menschen kultiviert und gezogen werden. Mehr noch: Bei beiden soll mit der Kultivierung das wesentliche Merkmal eines Baumes herausgearbeitet werden. Beim Bonsai wird wegen der geringen Größe mehr Wert auf die detailliertere Umsetzung des Schnittes gelegt, dafür kennt Niwaki eine Vielzahl unterschiedlicher Stile, auf deren Grundlage die Bäume in Form gebracht werden. Die Stile hängen von der verwendeten Baumart ab sowie dem Umfeld, in dem der Baum steht, denn die Harmonie zur Umgebung und dem restlichen Garten muss gewahrt bleiben. Die Stile umfassen mehr Spielraum als es der in Europa bekannte Kugelschnitt vermuten lässt. Denn Niwaki beschränkt sich keineswegs auf die uns bekannten geometrischen Figuren, sondern kennt noch eine ganze Reihe anderer, zum Beispiel Muscheln, Stufen, Zwillinge, Bälle, die gerade, gebogen, alleine oder als Gruppe geschnitten werden können.

 

Sonja, am 25.04.2012
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Bildquelle:
Eigenes (Alleebäume im eigenen Garten)
Eigenes (Selbstversorgung mal anders - Esskastanien selber im Garten anpflanzen)

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