Relative Armut in Deutschland

Hierzulande spricht man von "Relativer Armut", was bedeutet, dass für die meisten armen und armutsgefährdeten Menschen die Grundbedürfnisse wie Nahrung und ein Dach über dem Kopf gesichert sind. Relative Armut definiert sich durch eine Unterversorgung an materiellen und immateriellen Gütern wie wohnen, Bildung, Gesundheit, Arbeit, Einkommen, Versorgung mit technischer und sozialer Infrastruktur und eine Beschränkung der Lebenschancen im Vergleich zum Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft. Das heißt, auch relative Armut sieht von Land zu Land anders aus. In Deutschland bedeutet es, eine Person oder Familie besitzt deutlich weniger als ihre Mitmenschen und/oder verdient nur maximal 50% des Medianeinkommens einer Bevölkerungsgruppe. Bewegt sich der Verdienst bei 60% des Medianeinkommens ist man bereits armutsgefährdet, bei 40% spricht man schon von strenger Armut. Das momentane Medianeinkommen liegt in Deutschland bei 1500€ netto monatlich. Im Jahr 2014 war jeder fünfte Deutsche, das bedeutet 16,2 Millionen Menschen von 80 Millionen, von Armut bedroht. 20% unserer Gesellschaft sind betroffen. Immerhin liegt Deutschland damit 4,5% unter dem europäischen Durchschnitt, aber man sollte sich ja immer mit denen messen, die über einem selbst stehen, um bessere Ergebnisse zu erzielen.

Warum werden Menschen arm?

Ursachen für Armut in Deutschland gibt es viele. Die häufigste ist sicher die Arbeitslosigkeit, welche im Jahr 2014 durchschnittlich 2,91 Millionen Deutsche betraf, weit weniger als die Zahl der von Armut bedrohten Menschen. Arbeitslosigkeit resultiert vor allem aus dem Mangel an Qualifikationen sowie Arbeitsplätzen und nicht zuletzt durch das Outsourcen von Arbeit ins Ausland, in dem billiger produziert werden kann. Das geschah zum Beispiel bei der Firma Nokia im Jahr 2008. Zweitausend Deutsche verloren so ihren Arbeitsplatz ans Ausland und Nokia sparte kräftig. Solche Handlungen deutscher Unternehmen sollten meiner Meinung nach nicht ungestraft bleiben.

 Eine weitere Ursache für Armut ist zu geringe Entlohnung, die vor allem im Osten zu finden ist. Ich bin selbst in Thüringen aufgewachsen und kenne nicht wenige Menschen (auch innerhalb meiner Familie) die bei 40 Wochenarbeitsstunden gerade einmal 1100€ netto monatlich verdienen. Ein Stundenlohn einer gelernten Arbeitskraft liegt gut und gerne bei 9€, die Tariflöhne der Branche allerdings bei knapp 13€. Ich frage mich, wo bleibt die Fairness? In Ost und West wird bei teilweise gleichen Lebenshaltungskosten gleichermaßen gearbeitet aber unterschiedlich verdient. Das erklärt, warum es mehr arme Menschen im Osten Deutschlands gibt, als im Westen. Zumindest dieses Rätsel wäre damit gelöst.

Hohe Schulden sind auch eine Ursache, wobei die Schulden wiederum darauf zurückzuführen sind, dass ein gewisser Lebensstandard, der in der Gesellschaft üblich ist, eingehalten werden möchte und somit durch Kredite und Ratenkäufe Schulden verursacht werden. Der Versuch mit den Nachbarn und Bekannten mitzuhalten steigert somit die Armutsgefährdung.

Armutsgefährdete Familien sind oftmals auch diejenigen mit vielen Kindern. Krippen- und Kindergartenplätze sind in Deutschland sehr teuer und Familien werden eventuell immer noch nicht genug vom Staat unterstützt. Zum Beispiel bekommt jede Familie den gleichen Betrag an Kindergeld, egal ob reicher Manager oder wenig betuchte Großfamilie. Kommt hier noch eine Scheidung hinzu, steigt die Gefährdung gleich um ein Vielfaches. Genau wie über die sogenannte "Millionärssteuer" sollte eventuell auch über eine Anpassung des Kindergeldes nachgedacht werden.

Einwanderer sind häufig auch von Armut betroffen, was sich leider oft auf Vorurteile zurückführen lässt. Häufig bekommen diese einen Job nicht, weil er bei gleichen oder besseren Qualifikationen lieber an einen gebürtigen Deutschen vergeben wird. Oftmals werden die Qualifikationen aus dem jeweiligen Herkunftsland in Deutschland nicht anerkannt und die Person muss von vorne, oder besser gesagt unten, mit einem schlecht bezahlten Job anfangen.

Kinderarmut und ihre Folgen

In unserer deutschen Gesellschaft sind 19% der Kinder und Jugendlichen von Armut betroffen oder gefährdet. Hierbei gilt: hat ein Elternpaar mit einem Kind unter 14 Jahren monatlich weniger als 1564€ netto zur Verfügung, ist die Familie armutsgefährdet. Betroffen sind 26,3% im Osten und 17,4% im Westen Deutschlands, wobei sich die Quoten allerdings nach und nach annähern. Die meisten "armen" Kinder gibt es in Bremen und Mecklenburg-

Vorpommern, die wenigsten in Bayern und Baden-Württemberg. Als arm gilt, wer sich keine regelmäßige Urlaubsreise (einmal jährlich) leisten kann, keine regelmäßige warme Mahlzeit bekommt, keinen Fernseher, Computer oder Internetzugang besitzt oder wer keinen festen Betrag monatlich sparen kann. Die Kinderarmut hierzulande sieht natürlich lächerlich aus wenn man bedenkt, dass pro Jahr ca. 10 Millionen Kinder an Unterernährung sterben, 100 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen können, 250 Millionen Kinder arbeiten müssen und es weltweit 200 Millionen Straßenkinder gibt. Allerdings macht es sich Frau von der Leyen (CDU) auch etwas zu einfach indem sie sagt "Armut ist in einem reichen Land wie Deutschland relativ." und somit versucht die Situation zu verharmlosen. Es klingt allerdings immer etwas aufgesetzt und heuchlerisch wenn Menschen, die die deutsche Armut selbst nicht erlebt haben darüber urteilen. Kinderarmut geht leider auch oft mit Gewalt an der Schule einher. Die Gewaltstudie 2013 zeigt, dass von 900 Befragten Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und sechzehn Jahren 25% angeben, Gewalt gehöre für sie zum Alltag. Gewalt und Mobbing gehen hierbei Hand in Hand, sodass ich zweiteres nicht gesondert erwähne. 32% der aus armen Verhältnissen stammenden Kindern werden oft oder manchmal geschlagen und fühlen sich in der Schule von Mitschülern unfair behandelt. Dass andere, Privilegiertere Schüler von den Lehrern besser behandelt werden, sagten 45% der von Armut betroffenen Schüler aus, dem gegenüber stehen 23% der Privilegierten Schüler. Spätestens wenn durch solche Studien ans Licht kommt, dass Kinder unter Gewalt und Mobbing leiden, nur weil ihre Eltern nicht genug Geld verdienen, sollte die Gesellschaft und die Politik aufwachen und gegen die Armut im eigenen Land vorgehen, als auch den Umgang mit ihren Kindern und die Werte die ihnen vermittelt werden überdenken.

Hartz IV als Armutsurteil?

Oft wird gesagt, und das nicht zu unrecht, Hartz IV sei gleichbedeutend mit Armut. Der derzeitige Hartz IV-Höchstsatz liegt seit 1. Januar 2015 bei 399€, zudem wird einer Person eine 45m²-Wohnung und 2 Personen eine 60m²-Wohnung bezahlt. Jede weitere Person erlaubt eine Aufstockung um 15m², wobei ein Säugling als Person gilt. Nach meinem Empfinden sind die Wohnungsgrößen für kleine Familien passend und erlauben ein normales

Leben. Viele Studenten leben in anderen Verhältnissen, 15m² inklusive Küche und Bad sind in einer Studentenstadt wie Gießen keine Seltenheit. Und diese sind dann zumeist noch völlig überteuert und müssen vom Mieter selbst bezahlt werden. Da sieht man monatlich mancherorts 16€ pro m² vom Konto verschwinden. Von schlechten Wohnverhältnissen kann man als Hartz IV-Empfänger also nicht reden. Jedoch stellt sich die Frage, wie man mit knapp 400€ monatlich in Deutschland am gesellschaftlichen Leben teilnehmen soll, ohne in Schulden zu versinken. Das klingt nach einer Herausforderung. Immer wieder hört man, dass Hartz IV eine Form von gewollter Armut durch die Regierung sei, und ganz unverständlich ist dieser Gedanke nicht. Die Folgen für die meisten Hartz IV-Empfänger gleichen also denen der anderen armutsgefährdeten Deutschen.

Folgen von Armut

Folgen der Armut in Deutschland sind zwar meist nicht, wie in anderen Ländern der Welt, tödlich, allerdings sind sie auch auf keinen Fall zu unterschätzen. Die wohl schlimmste Folge ist der soziale Abbau, der durch den gesellschaftlichen Tod herbeigeführt wird. Es ist kein Geld da, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Keine Kinobesuche, keine Verabredungen zum Kaffee, kein Urlaub. Wie bleibt man da Teil der Gesellschaft? Aus diesem gesellschaftlichen Stillstand resultiert der Verlust von Kommunikation und Anerkennung im Bekanntenkreis und somit der Verlust von Selbstvertrauen.

 

 Egal ob die Armut in Deutschland durch Hartz IV provoziert wird oder nicht. Ob die relative Armut von der wir hier reden nach Meinung der Politik überschätzt wird oder nicht, es wird einer Gesellschaft nicht gut tun, dass zahlreiche ihrer Mitbürger ungewollt und unverschuldet nicht an ihrer Gestaltung und Weiterentwicklung teilhaben können.

Autor seit 9 Jahren
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