Aufgewachsen als Mafiatochter - Biografie von Karen Gravano - Buchvorstellung

"Aufgewachsen unter Gangstern" - ein Untertitel, der tiefere Einblicke der Mafiatochter Karen Gravano in verbrecherische Geheimnisse vermuten lässt. Eine Buchvorstellung.

Wie mag es sich wohl anfühlen, als Tochter eines mächtigen Mafia-Bosses aufzuwachsen? Die Rede ist hier nicht von irgendeinem Boss eines Mafia Clans, sondern von Sammy Gravano, genannt Sammy the Bull, Vize-Boss der Gambino-Familie. Respektiert und gefürchtet, pflastert Gewalt in seiner aktiven Zeit seinen Weg. 19 Morde konnten ihm nachgewiesen werden. Im Jahr 1991 dann der Wendepunkt: Gravano kooperierte mit den Behörden und entschied sich, gegen John Gotti, Oberhaupt der Gambino-Familie, auszusagen. Im Zuge des spektakulärsten Kronzeugenprozesses, den die USA bisher gesehen hatte, folgten zahlreiche Verhaftungen führender Mafia-Mitglieder. Im Buch "Mafia Tochter – Aufgewachsen unter Gangstern", schildert Karen Gravano die biografische Aufarbeitung ihres Heranwachsens mit einer starken Vaterfigur. Ein fürsorglicher Vater, der zugleich ranghoher Mafiosi der amerikanischen Cosa Nostra in New York City war.

Kindheit im Dunstkreis der Mafia

Fast wie eine normale Kindheit, wäre nicht das verbrecherische Netz diffus spürbar gewesen. Selbst Freunde und Spielkameraden des Mädchens waren Kinder anderer Mafia Mitglieder. Laut eigener Beschreibung von Karen Gravano wuchs sie als Tochter von "Sammy the Bull" wie eine Mafia-Prinzessin auf. Weiter beschreibt sie in ihrer Biografie, dass sie die bewundernde Faszination ihrer Mitmenschen aufgrund ihres Status als Mitglied der ranghohen Mafia-Familie genoss.

Trotzdem blieb Karen Gravano das Doppelleben ihres Vaters, dem Gangster-Dasein, für lange Zeit verborgen. Im Familienbund zeigte sich der Mafiosi liebevoll. Er kümmerte sich schützend um seine Familie. Zu seiner Tochter Karen pflegte er ein besonders inniges Verhältnis. Doch schon in früher Kindheit lernte das Mädchen, dass es besser ist, keine Fragen zu stellen, wenn ihr etwas merkwürdig erscheint. Sie hinterfragt weder die geheimnisvollen Treffen, noch die Präsenz von Waffen im Hause der Eltern. Sie fragt ihren Vater nicht, weshalb er öfter die Nächte nicht nach Hause kommt. Sie ist zwölf Jahre alt, als sie von Mord sowie anderen Verbrechen hört und die Realität auch vor ihr nicht mehr verborgen bleibt. Allmählich dämmert ihr, dass ihr Vater ein Gangster ist.

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Ehrenkodex unter Gangstern

Wikipedia beschreibt den Ehrenkodex als ein oftmals ungeschriebenes Regelwerk über Wohlverhalten. Im Klartext bedeutet dies u. a., niemand verrät den anderen, auch dann nicht, wenn es zum eigenen Schaden ist. Vater Sammy Gravano hielt sich an den strengen Ehrenkodex der Cosa Nostra. Der Ehrenkodex galt ebenso für die innere Familie. Auch die Tochter unterliegt den disziplinierten Regeln. Natürlich gilt er auch für Karen Gravano. Unter diesen Regeln wurde die Tochter erzogen.

Für sie völlig unverständlich, als "Sammy the Bull" sich später entschloss, den Ehrenkodex zu brechen und gegen seinen Boss der Gambino-Familie John Gotti auszusagen. Das bisherige wohlbehütete, allseits bewunderte Leben der Mafiatochter geriet aus den Fugen. Von einem Moment auf den anderen fiel die einstige Mafia-Prinzessin von dem hohen Podest, den sie bisher innehatte.

Reaktionen auf die folgenschwere Entscheidung des Vize Bosses folgten umgehend. Sammy Gravano wurde als "Ratte", als Verräter, verachtet. Freunde wandten sich von der Familie ab. Auch die damals 19jährige Karen verurteilte ihren Vater für dessen Entschluss, mit den Behörden zu kooperieren. Erst im Laufe des Prozesses erfuhr Karen Gravano die bittere Wahrheit über den Mann, den sie als fürsorglichen Vater, Freund und Beschützer kannte, der jedoch gleichzeitig ein kaltblütiger Killer war. "Sammy the Bull" hatte 19 Menschenleben auf dem Gewissen.

Im Schatten der Mafia – Eine biografische Aufarbeitung

In ihrem Buch beschäftigt sich Karen Gravano mit ihrer Kindheit im Kreise einer Mafia-Familie, deren Familienoberhaupt ein mächtiger sowie skrupelloser Mafia-Gangster war. Sie beschreibt, wie sich ihr eigener Lebensweg im Sog sowie im Schatten der Mafia seinerzeit entwickelte.

"Mafia Tochter" ist als biografischer Lebensbericht zu betrachten. Aus der Sicht eines heranwachsenden Kindes schildert sie in Rückblenden Einblicke in eine für den "Normalbürger" kaum vorstellbare Welt. Sie teilt dem Leser einiges über die von ihr erlebten Annehmlichkeiten als Angehörige eines Mafia-Bosses mit, ohne dabei die Schattenseiten in einem kriminellen Umfeld zu verschweigen. Sie scheut selbst nicht davor zurück, von ihren eigenen kriminellen Handlungen in ihrer Zeit als Drogendealerin zu berichten. Die Enthüllungen in ihrem Buch zeigen noch etwas. Es ist der innere Zwiespalt ihrem Vater gegenüber, der sie nicht loslässt.

Auf der einen Seite hegt sie als Tochter für den privaten Menschen Sammy Gravano liebevolle Empfindungen. Doch auf der anderen Seite ist der Vater ein Mörder und Verbrecher.

Detaillierte Erkenntnisse, sozusagen "Insiderwissen" aus den Machenschaften der Cosa Nostra findet der Leser jedoch nicht auf den 240 Seiten des Buches. Wer dies während der Lektüre erwartet, wird eher enttäuscht sein. Trotzdem ist die Biografie aus dem inneren Kreis eines bekannten Mafiosi durchaus lesenswert, auch wenn das Taschenbuch keine Neuerscheinung, sondern bereits im September 2012 erschienen ist.

MarianneRauch, am 17.02.2023