Inhalt: Mackie Messer, Familie Peachum und Tiger-Brown

Mr. und Mrs. Peachum betreiben im London des 18. Jahrhunderts einen schwungvollen Handel mit dem Mitleid, indem sie Bettlern Lizenzen für verschiedene Distrikte ausstellen. Captn Macheath, genannt Mackie Messer, ist der Anführer einer Bande von Straßenräubern und Dieben. Peachums Tochter Polly verliebt sich in den kriminellen Herzensbrecher. In einem mit Diebesgut improvisiert ausstaffierten Pferdestall wird die Räuberhochzeit vollzogen. Unter den Gästen ist auch Sheriff "Tiger-Brown", ein alter Kriegskamerad Macs, der ihn deckt und von seinen Geschäften profitiert. Der Bettlerkönig und seine Frau sind allerdings wenig begeistert von dem neuen Schwiegersohn. Sie bestechen die Hure Seeräuberjenny, Mac zu verraten.

Der wird zwar von Polly gewarnt, hat eh vor ins lukrativere Bankgeschäft wechseln und will aus London flüchten. Sein Abschiedsbesuch im Hurenhaus wird ihm jedoch zum Verhängnis. Kaum gelingt ihm mithilfe seiner "Zweitfrau" Lucy der Ausbruch aus dem Gefängnis, begeht er prompt denselben Fehler und wird von den Huren erneut ans Messer geliefert. Brown kann Mac diesmal nicht helfen – Peachum droht ihm, mit einem Massenauflauf der Bettler die Krönungsfeierlichkeiten zu stören. Der Galgen ist bereits errichtet, als ein reitender Bote auftaucht: Mac sei zur Feier des Tages von der Königin höchstpersönlich begnadigt. Obendrein werden ihm eine Leibrente und ein Schloss zugesprochen.

Die Musik von Kurt Weill – Kanonensong und Seeräuberjenny

Die Dreigroschenoper ist eigentlich keine Oper, sondern ein Stück mit Musik. Der Komponist Kurt Weill vertonte die Lieder, die Brecht teils selbst schrieb, teils von Künstlern wie Kipling oder dem französischen Volkssänger Villon übernahm. Die berühmt gewordenen Songs wie "Die Moritat von Mackie Messer", "Der Kanonensong" oder "Die Seeräuberjenny" kommentieren die Handlung, die wiederum von der Musik unterlaufen wird. Vor allem durch den Gegensatz zwischen zynisch-derbem Text und expressiv-leichter Musik verlieh Weill seiner stilistisch breit gefächerten Inszenierung subversive Sprengkraft. Der Stilmix aus Opern- und Operettenelementen, Anklängen an Kirchenmusik und dem Jazz der zwanziger Jahre stieß beim Publikum auf Begeisterung – Schallplattenfirmen produzierten in den Folgejahren eine Vielzahl von Aufnahmen.

Interpretation: "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral."

Brecht zeichnet das Bild einer Welt ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt, in der nach Hobbes das Recht des Stärkeren herrscht und der Mensch dem Menschen zum Wolfe wird. Ein jeder ist auf seinen Vorteil bedacht, es besteht keinerlei Loyalität: weder von Mac gegenüber seiner Bande und seinen beiden Frauen, noch von den Huren gegenüber ihrem ehemaligen Zuhälter Mac. Jeder ist käuflich. An jeder Ecke lauern offener Verrat und Eigennutz. Selbst der sentimentale Brown bricht letztlich ein, selbst die romantische Polly lässt von Mackie Messer. Liebe entpuppt sich als abhängig von Angebot und Nachfrage. Die exzessive Betonung der niederen Instinkte des Menschen begründet Brecht in zweierlei Weise: Zum einen in Macs Diktum "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral". Ein leerer Magen denkt nicht gern an andere, sondern ans Überleben. Zum anderen ist die Moral in den Händen einer heuchlerischen Bourgeoise, die sich nach unten abgrenzen will, in Wahrheit jedoch um keinen Deut besser ist.

Dreigroschenoper: Offene Grenzen zwischen Räuber und Bürger

Hierauf zielen Macs rhetorische Fragen: "Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?" Aus Brechts marxistischer Perspektive fügen Banken durch Schuldzins, Umverteilung nach oben und Kapitalakkumulation dem kleinen Mann effektiver Schaden zu, als dies ein Räuber vermag – weshalb der bürgerlich solide Mac den Wechsel in die Berufssparte des "legalen Raubs" erwägt. Brecht schrieb dazu, der Irrtum, dass der Räuber kein Bürger sei, beruhe auf dem Irrtum, der Bürger sei kein Räuber.

Durch die Erhebung Mackie Messers in den Adelsstand wird ebenso wie durch den geschäftstüchtigen Bettlerkönig Peachum die Trennung zwischen Räuber und räuberischer Oberschicht vollends aufgehoben: Die einen rauben beruflich aus Not, die anderen "ehrenamtlich" aus Gier. Raub wird angesichts der Verhältnisse zum Kriterium für gesellschaftlichen Aufstieg und Anerkennung – entsprechend dem auf Ausbeutung beruhenden Wesen des dargestellten Kapitalismus, der das Wesen der in ihm lebenden Menschen zum Ausbeuterischen hin verändert.

Brecht: "Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!"

(Wahre) Moral ist in diesem System nicht möglich. Hierin besteht ein revolutionärer Aspekt des an sich anarchischen Stücks, das Brecht – dies zeigt auch die Verschärfung in den Fortsetzungen des Stoffs – ausdrücklich auf seine Zeit übertragen sehen wollte: Ein menschenfeindliches, entfremdendes Wirtschaftssystem, in dem der Mensch zur Ware verkommt, fordert eine Veränderung der überholten Verhältnisse hin zu einer gerechteren Güterverteilung, die wiederum einen neuen Menschen hervorbringen soll. Denn, wie Peachum selbstentschuldigend vorbringt: "Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!"

Die Wirkung der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht

Trotz der antibürgerlichen und letztlich revolutionären Intention genoss die Dreigroschenoper nach ihrer Uraufführung am 31.8.1928 die Aufmerksamkeit der Presse, wurde in der Weimarer Republik ein großer Erfolg und ist es auch heute noch: Um 1933 war das Stück bereits in 18 Sprachen übersetzt und einige Hundert Male inszeniert worden. 1931 erschien zudem der Film "Die Dreigroschenoper" von Regisseur Georg Wilhelm Papst. Da in diesem gewünschte stoffliche Änderungen Brechts unberücksichtigt blieben, kam es zu rechtlichen Streitigkeiten, die der Autor in seinem Text "Der Dreigroschenprozeß" (1930) kommentierte. Im Jahr 1934 veröffentlichte er einen Dreigroschenroman, in dem das Geschehen auf den Kapitalismus des 20. Jahrhunderts übertragen wird.

In den folgenden Jahrzehnten folgten weitere Verfilmungen, Hörspiele und Vertonungen, daneben wurden einzelne Lieder und Themen der Dreigroschenoper von unzähligen Künstlern aufgegriffen.

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