Das Unvergängliche am Vergänglichen würdigen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten mit seiner Trauer umzugehen.Jeder, der schon einmal um einen lieben Verstorbenen getrauert hat weiß, dass es gerade jenes Unvergängliche ist, die Erfahrungen, Freuden, das Leben, welches man mit diesem Menschen geteilt hat, was sehr weh tun kann. Nicht, weil es da ist, sondern weil es keine Fortsetzung mehr findet. Wer sich dem unangenehmen Thema Tod stellt, sei es weil er selbst darüber nachdenkt oder auch, weil entsprechende Gespräche geführt werden, stößt auf einen wichtigen Gedanken: Mehr noch als zu sterben macht es Angst und Kummer, vergessen zu werden.
Das Unvergängliche am Vergänglichen würdigen
Virtueller Friedhof
Das Internet hat sich zu einem Abdruck der wirklichen Welt entwickelt. So ist es nur natürlich, dass die Tatsache, dass das Web nichts vergisst, auch bei der Trauerbewältigung eine Rolle spielt. Wenn eine Grabstätte gemietet wird, kostet das Geld und der Vertrag ist zeitlich begrenzt. Beides kann ein Problem sein. Im Internet gibt es Portale, in denen jeder seinen Lieben einen virtuellen Ort des Gedenkens einrichten kann. Meist sind diese Portale kostenfrei und zum Beispiel auf gedenkseiten.de bleibt dieses virtuelle Denkmal solange erhalten, bis es von einem User gelöscht wird. Dabei kann die Seite liebevoll gestaltet werden. Es können Kerzen angezündet werden und auch andere virtuelle Grabstätten können besucht werden.
So ist der Zugang zum Ort des Gedenkens immer möglich, auch wenn der Friedhof, auf dem der liebe Mensch ruht, hunderte von Kilometern weg ist. Auch andere Menschen können so am eigenen Verlust Anteil nehmen und so manches tröstende Wort von einem ganz Fremden kann die Wunde im Herzen ein wenig heilen helfen. Das Gefühl, mit dem Verlust und der Trauer alleine zu sein, wird etwas gemildert. Der Verstorbene wird nicht vergessen, denn Vergessen ist das Einzige, was das Internet nicht kann.
Das Unvergängliche am Vergänglichen würdigen
Eine Frage des Standpunkts
Sicherlich ist die Einrichtung eines virtuellen Grabes eine kontroverse Sache. Auf der einen Seite ist der Verlust eines geliebten Mitmenschen eine sehr persönliche, eine private und intime Erfahrung. Doch oft genug ist es auch eine, die für einen alleine einfach zu viel ist. Dann kann es sehr helfen, das Unfassbare mit anderen, und seien sie noch so fremd zu teilen. Wer hat nicht schon erlebt, dass er in öffentlichen Verkehrsmitteln von einem fremden, älteren Menschen angesprochen wurde, der gerade den Lebenspartner zu Grabe tragen musste? Es liegt in der menschlichen Natur, Anteil zu nehmen, aber auch Anteilnahme zu brauchen. Das Argument, man gehe mit seiner Trauer hausieren, ist nicht tragfähig.
Das "echte" Grab ist leider ein oft nicht unerheblicher Kostenfaktor. Daraus kann einem Trauernden noch mehr Kummer entstehen, wenn etwa die Grabmiete nicht aufgebracht werden kann oder auch das Wissen, dass das Grab des für einen selbst unsagbar wichtigen Menschen in einigen Jahren einfach eingeebnet wird. Das mag eben der Lauf der Dinge sein, aber für einen Trauernden sind diese Gedanken unerträglich. Eine virtuelle Seite zum Gedenken an den lieben Menschen bleibt. Sie kostet nichts, ist also auch nicht von den finanziellen Unwägbarkeiten, die das Leben schon einmal bringen kann, bedroht. Ebenso nicht von Baumaßnahmen oder Naturgewalten, die ein physisches Grab betreffen können.
Auch Fragen wie das Wetter, dass Einfluss nehmen kann auf den Gang zum Friedhof, oder auch die Tatsache, dass man einfach alleine gedenken und Zwiesprache halten möchte aber nicht kann, stellen sich bei einer virtuellen Gedenkstätte nicht. Besonders wenn der Verlust frisch ist, will der Trauernde vielleicht ganz spontan gedenken. Der Aufruf einer Internetseite bietet diese Möglichkeit schneller und direkter, als eine Auszeit am Grab des Verstorbenen möglich wäre.
Natürlich soll und kann ein virtueller Friedhof den echten nicht ersetzen. Auch der Weg ans physische Grab wird immer noch eine andere Qualität haben, als das Betrachten der Gedenkseite im Internet. Doch kann der Weg ins World Wide Web Möglichkeiten bieten, mit der eigenen Trauer besser zurecht zu kommen. Wenn der Kreis der Verwandten und Bekannten weit verstreut ist, kann jeder der dies möchte, im Web ans Grab gehen, eine Kerze anzünden, verweilen und gedenken. Virtuelle Friedhöfe können eine Hilfe sein, bei der Trauerbewältigung. So bleibt das, was den Verstorbenen unvergesslich macht, erhalten.
Bildquelle:
Monika Hermeling
(Bilanz der Kirchen zum Corona Weihnachten)