Der Snallygaster - Das geflügelte Ungeheuer der amerikanischen Berge
Der Snallygaster gehört zu den ältesten regionalen Legenden der Vereinigten StaatenDer Snallygaster - Das geflügelte Ungeheuer (Bild: Bernd Teuber / KI-generiert)
Der Snallygaster stürzt sich auf seine Opfer und saugt sie aus
Beschreibungen des Snallygaster variieren stark, doch einige Merkmale tauchen immer wieder auf. Das Wesen soll Flügel wie eine Fledermaus besitzen, einen langen, schlangenartigen Hals, messerscharfe Zähne und manchmal sogar Tentakel. Manche Berichte sprechen von einem Vogel mit Metallklauen und einem Auge in der Stirn, andere von einem Mischwesen aus Drache, Greif und Vampir. Besonders gefürchtet war seine Vorliebe für menschliches Blut. In manchen Erzählungen stürzte sich der Snallygaster aus der Luft auf seine Opfer, saugte sie aus und ließ nur ausgetrocknete Körper zurück. Diese blutrünstige Darstellung gab der Legende einen düsteren Beiklang – und verknüpfte sie mit anderen vampirischen Mythen, die im 19. Jahrhundert populär wurden.
Der Snallygaster blieb über Jahrzehnte ein lokales Schreckgespenst, bis er 1909 plötzlich landesweite Aufmerksamkeit erregte. In jenem Jahr berichteten mehrere Zeitungen an der Ostküste über angebliche Sichtungen des Monsters. Artikel aus Maryland und sogar aus New Jersey erzählten von einer "ungeheuren Bestie" mit Flügeln, deren Spannweite mehr als zwölf Meter betrug, und die über Berge hinweg Menschen und Tiere angriff. Sogar Präsident Theodore Roosevelt soll laut den Berichten erwogen haben, auf Monsterjagd zu gehen – ein Hinweis, der die Schlagzeilen zusätzlich befeuerte.
Der Snallygaster wandelte sich vom Schrecken zur Legende
Später stellte sich heraus, dass viele dieser Meldungen vermutlich erfunden oder übertrieben waren. Journalisten nutzten die Legende gezielt, um die Auflage ihrer Blätter zu steigern. Doch der Effekt war gewaltig: Der Snallygaster wurde zur nationalen Sensation, zum Stoff von Kindergeschichten, Schauerromanen und Volksliedern. In den 1930er-Jahren flaute der Hype ab – doch der Snallygaster verschwand nie ganz. Stattdessen wandelte sich sein Image: Aus einem Monster der Angst wurde ein Symbol regionaler Identität und Fantasie.
In Frederick County finden bis heute Feste und Events statt, die dem Snallygaster gewidmet sind. Besonders bekannt ist das "Snallygaster Beer Festival", das jährlich in Washington D.C. gefeiert wird. Was einst Schrecken verbreitete, steht nun für Lebensfreude, Kreativität und die skurrile Seite amerikanischen Folklore. Das zeigt, wie Mythen sich im Laufe der Zeit verändern können – vom warnenden Schreckgespenst zum charmanten Maskottchen.
Der Snallygaster ist mehr als nur ein Monster. In ihm spiegeln sich prägende Themen der frühen Siedler: die Angst vor der Wildnis, die Faszination des Unbekannten und das Bedürfnis, das Unerklärliche in Geschichten zu fassen. Wie viele Kreaturen der Folklore diente auch er dazu, die Grenzen des Verstehbaren zu markieren – eine Art mythisches Ventil für Sorgen und Sehnsüchte. Gleichzeitig zeigt die Geschichte, wie Mythen sich anpassen. Der Snallygaster überlebte nicht, weil er real war, sondern weil er sich mit der Zeit wandelte – vom Dämon zum Symbol, vom Schrecken zur Legende.
Der Snallygaster ist ein echtes Kind amerikanischer Erzähltradition – geboren aus den Mythen der Einwanderer, genährt von Sensationsjournalismus und weitergetragen durch Volkskultur. Er vereint das Alte Europa und die Neue Welt in einer einzigen, bizarren Kreatur. Ob man ihn als Drache, Vampir oder Folklorefigur betrachtet: Der Snallygaster erinnert daran, dass jede Gesellschaft ihre Monster braucht – nicht um sie zu fürchten, sondern um sich besser zu verstehen.
Bildquelle:
jimmywayne / Flickr
(Die Legende der Bell-Hexe im Wilden Westen)
kiszka king / Flickr
(Die Legende der Ozark-Bestie im Wilden Westen)
Bernd Teuber
(Der kopflose Reiter von El Paso - Eine unheimliche Legende aus dem ...)





