Wer war Frau Birkenbihl?

Vera F. Birkenbihl war eine renommierte deutsche Managementtrainerin und Sachbuchautorin, die 2011 verstarb. Sie wurde 1946 in München geboren und war bekannt für ihre Arbeit im Bereich des gehirngerechten Lernens und der Kommunikation. Ihre Bücher und Seminare erreichten ein breites Publikum und zeichneten sich durch ihren pragmatischen und humorvollen Ansatz aus. Frau Birkenbihl galt als Pionierin in der angewandten Gehirnforschung und faszinierte ihr Publikum mit ihren erfrischenden Ideen und unkonventionellen Ansichten.

Die emotionale Komplexität des Ärgers:

Der Ärger ist eine emotionale Farbpalette, die mit leuchtenden Nuancen von Frustration, Wut und Enttäuschung gemalt ist. Er ist eine menschliche Antwort auf ein Gefühl der Ungerechtigkeit, wenn unsere inneren Erwartungen mit den äußeren Umständen kollidieren. Der Ursprung des Ärgers liegt in der Tiefe unseres Wesens verborgen, geformt durch unsere individuellen Lebenserfahrungen, kulturellen Einflüsse und persönlichen Werte.

Jedoch ist die 15-Sekunden-Regel von Frau Birkenbihl nicht als Schablone zu betrachten, die auf alle Ärgerauslöser passt. Vielmehr ist sie ein kraftvoller Hinweis auf den Anfang des Ärgers.

  • Was folgt auf diese 15 Sekunden?
  • Welche inneren Prozesse setzen sich in Gang und wie manifestieren sie sich in unseren Handlungen?

 

Die Biologie des Ärger-Reflexes

Unser Gehirn ist das Produkt von Millionen von Jahren evolutionärer Entwicklung, geprägt von Anpassungen, die uns halfen, als Spezies zu überleben. Der Ärger-Reflex ist eine dieser genialen Anpassungen, die uns in gefährlichen oder herausfordernden Situationen schützen sollten. Wenn wir uns bedroht fühlen oder unsere Bedürfnisse nicht erfüllt werden, schüttet das Gehirn Stresshormone aus, was zu einem Anstieg des Blutdrucks und der Herzfrequenz führt. Dies bereitet unseren Körper auf eine kampfbereite oder fluchtbereite Reaktion vor.

Die kritischen 15 Sekunden

Diese ersten 15 Sekunden sind entscheidend und unvermeidbar. In diesem Zeitraum sind wir emotional von äußeren Reizen beeinflusst und unsere Reaktion ist weitgehend reflexhaft und automatisch. Obwohl diese natürliche Reaktion unseren Vorfahren half, körperliche Bedrohungen zu bewältigen, kann sie in der modernen Gesellschaft unangemessen sein.

Die bewusste Entscheidung

Der entscheidende Wendepunkt tritt auf, wenn die 15 Sekunden ablaufen. Nun haben wir die bewusste Entscheidung, wie wir mit unserem Ärger umgehen wollen. Indem wir uns nach dieser kurzen Phase dazu entscheiden, am Ärger festzuhalten und ihn zu kultivieren, geben wir dem Ärger die Macht, uns zu beherrschen. Doch genau hier können wir unsere intellektuelle Überlegenheit nutzen, um unseren Emotionen zu steuern und uns von einem reinen Reflexverhalten zu lösen.

Die Komplexität der Wahl

Warum entscheiden wir uns manchmal dafür, uns länger als nötig im Ärger zu verlieren? Diese Frage führt uns in die Tiefen unseres Bewusstseins und unserer Emotionalität. Oft sind es tief verwurzelte Emotionen und vergangene Erfahrungen, die unseren Ärger am Köcheln halten. Vielleicht gibt es unbewusste Bedürfnisse nach Bestätigung oder das Gefühl der Macht, wenn wir anderen die Schuld zuschieben. Die Komplexität der menschlichen Psyche macht deutlich, dass unser Ärger oft mehr über uns selbst sagt als über die äußere Situation.

Selbstreflexion als Schlüssel

Die Fähigkeit, unseren Ärger zu beherrschen und in produktive Bahnen zu lenken, erfordert Selbstreflexion und emotionale Intelligenz. Indem wir uns bewusst mit unseren eigenen Reaktionsmustern auseinandersetzen, können wir unsere innersten Motive und Glaubenssätze erkennen. Diese Selbstkenntnis eröffnet den Weg zur emotionalen Heilung und ermöglicht es uns, unsere Beziehungen zu anderen und zu uns selbst zu stärken.

 

Entdecken Sie die Macht Ihrer inneren Welt

 

  • Welche Situation hat in Ihnen Verärgerung oder Sprachlosigkeit hervorgerufen? Beschreiben Sie diese näher.

  • Was geht in Ihnen vor, wenn Sie sich auf die Situation fokussieren und an die Worte "Halt! Durchatmen! Nach-Fühlen!" denken?

  • Wie haben Sie die Situation und die beteiligten Personen in Ihrer Verärgerung bewertet? Welche Adjektive würden Sie verwenden, um diese Bewertungen zu beschreiben?

  • Wo haben Sie den Ärger in Ihrem Körper physisch wahrgenommen? (Magenschmerzen, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen usw.) Beschreiben Sie auch die Empfindungen mit passenden Adjektiven, wie z.B. brennend, drückend, etc.

  • Was genau hat den Ärger in Ihnen ausgelöst? Welche Auslöser Ihrer Emotionen können Sie identifizieren?

  • Haben Sie Ihre Erwartungen in dieser Situation klar ausgedrückt oder unterstellt, dass der andere wissen sollte, was Sie verärgert? Beschreiben Sie Ihre Kommunikation und Ihre Annahmen.

  • Glauben Sie, dass Ihr Gefühl tatsächlich Ärger ist oder verbirgt sich dahinter möglicherweise eine andere Emotion wie Enttäuschung, Trauer oder ähnliches?

  • Wie hätten Sie eigentlich gerne auf die Situation reagiert? Beschreiben Sie Ihre gewünschte Reaktion und verwenden Sie passende Adjektive, wie z. B. ruhig, konstruktiv, einfühlsam.

  • Welche Ängste haben Sie daran gehindert, so zu handeln, wie Sie es wollten? Beschreiben Sie diese Ängste und verwenden Sie passende Adjektive, wie z. B. ablehnend, konfrontativ, ängstlich.

  • Visualisieren Sie, wie Sie selbstverantwortlich auf den Vorfall hätten reagieren können. Beschreiben Sie diese Visualisierung und verwenden Sie passende Adjektive, wie z. B. besonnen, wertschätzend, mitfühlend, grenzenrespektierend.

  • Treffen Sie nun eine Entscheidung: Fühlen Sie sich gerüstet, den Vorfall ruhen zu lassen oder sehen Sie einen Wert darin, in einem klärenden Gespräch nachträglich Grenzen aufzuzeigen? Beschreiben Sie Ihre Entscheidung und Ihre Gedanken dazu.

 

 

Die Methode des spontanen Aufschreibens

Die Methode des spontanen Aufschreibens ist einfach und dennoch kraftvoll. Sie erfordert nur ein Notizbuch oder einen Zettel und einen Stift. Setzen Sie sich für 10 Minuten hin und schreiben Sie ungefiltert und ohne Nachzudenken alles auf, was Ihnen in den Kopf kommt. Lassen Sie Ihre Gedanken fließen, ohne sich um Grammatik, Rechtschreibung oder Logik zu kümmern. Es ist wichtig, nicht zu zensieren oder zu bewerten, sondern einfach alles herauszulassen, was in Ihrem Geist auftaucht.

Die Gedankenflut

Während Sie die Worte auf das Papier bringen, tauchen verschiedene Gedanken auf - manchmal geordnet, manchmal chaotisch. Es können Gefühle, Erinnerungen, Träume, Ängste oder sogar banale Alltagsbeobachtungen sein. Die Gedankenflut zeigt uns eine Momentaufnahme unserer Gedankenwelt und ermöglicht uns einen seltenen Einblick in unsere tiefsten Emotionen und Überzeugungen.

Die magische 10-Minuten-Marke

Nach etwa 10 Minuten, die sich möglicherweise wie eine Ewigkeit oder wie ein kurzer Moment anfühlen, legen Sie das Notizbuch zur Seite und lesen es auf keinen Fall sofort durch. Diese Pause ist entscheidend, da sie uns Zeit gibt, unsere Gedanken zu verarbeiten und emotionale Distanz zu gewinnen.

Die spontanen Reaktionen

Einige Zeit später, an einem anderen Tag, nehmen Sie das damals Geschriebene zur Hand und schreiben zu jedem Absatz spontane Reaktionen auf. Wieder lassen Sie Ihre Gedanken frei fließen, ohne Selbstzensur oder Bewertung. Die Assoziationen können an verschiedenen Tagen wiederholt werden, um zu erkennen, wie sich unsere Reaktionen auf das Geschriebene im Laufe der Zeit ändern.

Die Verbindung zur 15-Sekunden-Regel des Ärgers

Die Methode des spontanen Aufschreibens hat eine tiefgreifende Verbindung zur 15-Sekunden-Regel des Ärgers. Ähnlich wie der ursprüngliche Ärgerreflex von Natur aus auftritt, lassen wir beim spontanen Aufschreiben unsere Gedanken ohne bewusste Kontrolle oder Zensur fließen. Die erste 15-minütige Phase des Schreibens spiegelt das Reflexhafte wider, während die nachfolgende Reflexion und Assoziation uns die bewusste Entscheidung und Kontrolle über unsere Reaktionen zeigt.

Die Kraft der Selbstreflexion

Die Methode des spontanen Aufschreibens eröffnet uns einen intimen Einblick in unser eigenes Denken und Fühlen. Sie ermöglicht uns, unbewusste Muster und emotionale Verbindungen zu erkennen, die in unserem täglichen Leben oft im Verborgenen liegen. Durch diese Selbstreflexion können wir bewusster mit unseren Emotionen umgehen und unseren Ärger besser verstehen und bewältigen.

Schritt 1: Finden Sie einen ruhigen Ort

Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, an dem Sie ungestört sind. Dies könnte Ihr Lieblingsplatz im Garten, ein gemütliches Café oder einfach ein ruhiges Zimmer in Ihrem Zuhause sein. Nehmen Sie ein Notizbuch oder einen Zettel und einen Stift zur Hand, um Ihre Gedanken festzuhalten.

 

Schritt 2: Lassen Sie Ihre Gedanken frei fließen

Setzen Sie sich für 10 Minuten hin und beginnen Sie, ohne Nachzudenken alles aufzuschreiben, was Ihnen in den Kopf kommt. Es spielt keine Rolle, ob die Gedanken sinnvoll erscheinen oder zusammenhängen. Lassen Sie Ihre inneren Kritiker ruhen und zensieren Sie sich nicht. Erlauben Sie Ihren Gedanken, frei zu fließen, ganz gleich, ob sie positiv, negativ, traurig oder fröhlich sind.

"Ich fühle mich heute irgendwie gestresst. Das Meeting gestern war anstrengend. Habe ich genug erledigt? Warum fühle ich mich so unsicher? Die Sonne scheint so warm heute, das macht mich glücklich. Ich sollte öfter Zeit im Freien verbringen. Was soll ich zum Abendessen machen? Oh, ich habe morgen einen wichtigen Termin, ich hoffe, es geht gut. Mir fällt nichts ein. Mir fällt nichts ein."

 

Schritt 3: Lassen Sie Ihre Gedanken ruhen

Nach den 10 Minuten legen Sie das Notizbuch zur Seite und lesen Sie es NICHT sofort durch. Geben Sie sich Zeit, um Ihre Gedanken zu verarbeiten. Lassen Sie die Worte und Emotionen, die Sie aufgeschrieben haben, in Ihrem Bewusstsein ruhen, ohne sie zu analysieren oder zu bewerten.

"Ich erinnere mich an das Meeting gestern und wie gestresst ich mich danach gefühlt habe. Ich denke, ich habe tatsächlich viel erreicht, aber mein Perfektionismus lässt mich unsicher fühlen. Die Sonne erinnert mich an einen glücklichen Moment in meiner Kindheit. Ich sollte wirklich öfter Zeit im Freien verbringen. Das Abendessen macht mir Sorgen, weil ich wenig Zeit habe, aber ich kann eine schnelle und gesunde Mahlzeit zubereiten. Der morgige Termin lässt mich nervös sein, aber ich werde mich gut vorbereiten."

Schritt 4: Schreiben Sie spontane Reaktionen auf

Nehmen Sie das Geschriebene an einem anderen Tag zur Hand und schreiben Sie spontane Reaktionen zu jedem Absatz auf. Lassen Sie Ihre Assoziationen frei fließen, ohne sich zu zensieren oder zu filtern. Notieren Sie, wie die Worte oder Emotionen in Ihnen aufsteigen und welche Empfindungen sie hervorrufen.

 

Schritt 5: Wiederholen und Hinzufügen von Assoziationen

Wiederholen Sie die Schritte 3 und 4 an verschiedenen Tagen. Lassen Sie Zeit verstreichen, bevor Sie Ihre Notizen erneut lesen. Fügen Sie bei jeder Wiederholung spontane Assoziationen hinzu. Lassen Sie Platz zwischen den spontanen Gedanken in den ersten 10 Minuten, um später weitere Notizen hinzuzufügen.

 

Tag 2: "Nachdem ich gestern die Notizen gelesen habe, fühlte ich mich etwas erleichtert über den Stress des Meetings. Vielleicht habe ich mir zu viel Druck gemacht. Die Sonne erinnert mich wirklich an meine glücklichen Sommerurlaube. Es gibt so viele schöne Erinnerungen. Das Abendessen war köstlich und ich fühlte mich stolz auf mich selbst, dass ich es geschafft habe, etwas Gesundes zuzubereiten. Für den morgigen Termin habe ich eine Checkliste gemacht, um mich besser vorzubereiten."

Tag 3: "Heute hatte ich einen anstrengenden Tag. Als ich meine Notizen las, fühlte ich mich erschöpft. Das Meeting gestern war wirklich schwierig, aber ich habe mein Bestes gegeben. Ich sollte wirklich öfter Zeit im Freien verbringen, um Stress abzubauen. Das Abendessen war praktisch, aber nicht so lecker, wie ich es gerne gehabt hätte. Ich fühle mich ein wenig besorgt über den morgigen Termin, aber ich denke, ich werde gut vorbereitet sein."

Die Methode des spontanen Aufschreibens offenbart uns eine faszinierende Reise in die Tiefen unserer eigenen Psyche. Mit diesem kraftvollen Werkzeug der Selbstreflexion tauchen wir ein in ein schier endloses Meer unserer Gedanken und Emotionen. Unzensiert und ungefiltert fließen sie auf das Papier und enthüllen eine schillernde Vielfalt an Empfindungen, Erinnerungen und Träumen, die uns normalerweise verborgen bleiben.

Diese Form der inneren Entdeckungsreise ermöglicht es uns, unser wahres Selbst besser zu verstehen. Die Unmittelbarkeit unserer Gedanken gibt uns einen authentischen Einblick in unser tiefstes Inneres - ohne die Masken oder sozialen Schutzmauern, die wir im Alltag oft tragen. Es ist eine intime Konfrontation mit unseren eigenen Ängsten, Hoffnungen und Wünschen, die uns erlaubt, ehrlich zu uns selbst zu sein und unsere wahre Essenz zu erkennen.

Sobald wir uns erlauben, unsere Gedanken frei zu entfalten, öffnen wir uns für die Komplexität unseres Seins. Wir erkennen die Verbindungen zwischen unseren Emotionen und vergangenen Erfahrungen, die uns prägen und beeinflussen. Die Methode des spontanen Aufschreibens macht die unsichtbaren Fäden sichtbar, die unser Denken und Fühlen miteinander verknüpfen. Sie zeigt uns die Quellen unserer Freuden und Leiden, unsere Stärken und Schwächen und hilft uns, uns selbst mitfühlender zu betrachten.

In Verbindung mit der 15-Sekunden-Regel des Ärgers von Vera F. Birkenbihl erlangt dieses Instrument der Selbstreflexion eine zusätzliche Bedeutung. Die kurze und dennoch bedeutsame Zeitspanne von 15 Sekunden, in der der Ärger reflexhaft auftritt, spiegelt die unmittelbare Natur unserer Reaktionen wider. Doch genau hier liegt die Möglichkeit der bewussten Entscheidung. Die Kombination dieser beiden Ansätze bietet uns die Chance, unseren Ärger nicht nur zu verstehen, sondern auch aktiv zu gestalten.

Marie_Blumenmond, am 23.07.2023
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