Das Ergebnis vorweg: Eine Erzieherin ist in der Praxis oft für 10 Kinder zuständig, dabei sollten es offiziell nur 5 Kinder sein. Was ist von dieser Diskrepanz zu halten?

Gibt es eine Betreuungschlüssel- "Lüge"?

Bei einer Lüge wird bewusst die Unwahrheit gesagt. Und der Empfänger soll das Gesagte glauben.

1. Gesagt wird von der Politik, dass der Betreuungsschlüssel 1 zu 5 beträgt. Dies ist aus Elternsicht nicht die Wahrheit; wie unten näher ausgeführt beträgt der Betreuungsschlüssel in der Praxis 1 zu 10.

 

2. Ich gehe davon aus, dass hochrangigen Politiker die tatsächlichen Gruppenzahlen kennen und wissen, dass auch Erzieherinnen ein Urlaubsanspruch zusteht und sonstige Tätigkeiten zu erledigen sind. Also der tatsächliche Betreuungsschlüssel nur 1 zu 10 beträgt.

 

3. Ich gehe auch davon aus, dass die Politiker annehmen, dass die Eltern von einem 1 zu 5 Betreuungsschlüssel ausgehen.

 

Damit kann man wohl von einer Lüge der Politik über den Betreuungsschlüssel sprechen!

Im Folgenden schildere ich in sechs Schritten, wie aus 1 zu 5 in der Praxis langsam 1 zu 10 wird

1. Die Kinderärzte fordern übrigens sogar einen Betreuungsschlüssel von 1 zu 3. (Quelle für die Forderung eines Betreuungsschlüssels von ungefähr 1 zu 3 durch die deutschen Kinderärzte.)

2. Der offizielle "Betreuungsschlüssel" beträgt 1 zu 5. Das muss man sich wie folgt bildlich vorstellen:

 

 

Das wäre so, also ob eine Mutter ihr Kind und 4 weitere bis 3 jährige Kinder aus der Spielgruppe gleichzeitig betreuen müsste. Selbst dieser Betreuungschlüssel ist also nicht üppig (Nachweis der Forderung des offiziellen Betreungsschlüssels von ungefähr 1 zu 5 (Bundesdurchschnit 1 zu 4,5, Hamburg 1 zu 5,2)).

3. Die Gruppenzusammenstellung erfolgt für einen Betreuungsschlüssel von 1 zu 7. Ich kenne beispielsweise Gruppen, wo 2 Erzieherinnen für 15 Kinder zuständig sind, 3 Erzieher für 20 Kinder und 4 Erzieher für 22-28 Kinder. (Quelle für den Betreuungsschlüssel von ungefähr 1 zu 7 laut S.11 der Hamburger Kita-Richtlinien. Hier ist zwar von "Fachkraft-Kind-Relation" die Rede, die andere Bezeichnung verbessert die Situation in der Praxis jedoch auch nicht.)

4. Auch Erzieherinnen haben mal Urlaub oder sind krank: Der Betreuungsschlüssel sinkt rechnerisch auf ungefähr 1 zu 8. Berechnung: Von 53 Wochen im Jahr arbeitet eine Erzieherin ungefähr 7 Wochen nicht (5 Wochen Urlaub, 2 Wochen Krankheit), macht gut 10 % Fehlzeit.

5. Jetzt kommt der Punkt "Sonstiges", der hier zu einem Schlüssel von 1 zu 10 führt. Damit wird selbst das offiziell als "Betreuungsschlüssel" bezeichnete Verhältnis von 1 zu 5 verdoppelt, also eine Erzieherin muss auf doppelt so viele Kinder aufpassen wie behauptet! 

So wie Eltern sich das vorstellen, die Erzieherin und alle Kinder die ganze Zeit in einem Raum, so ist es nämlich leider nicht. Immer mal wieder ist eine Erzieherin mit Tätigkeiten beschäftigt, bei denen sie nicht direkt am Kinder arbeitet: Vorbereitung, Besprechungen mit Eltern und der Leitung, und wahrscheinlich fällt noch einiges andere an, von dem ich als Mutter gar nichts mitbekomme. Der Umfang dieser Zeit soll mindestens 25 % betragen. (Quelle für einen Zeitaufwand von 25 % für sonstige Tätigkeiten.)

6. Und schlimmer geht's übrigens auch noch: 1 zu 11 gibt es auch schon einmal! Es fehlt beispielsweise noch die Sache mit dem Überstundenabbau. Eine Teilzeit-Erzieherin tritt beispielsweise ihren Dienst später an, weil sie, als die Vollzeit Erzieherin Urlaub hatte, länger geblieben ist. Ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 11 Das ist auch keine reine Theorie, sondern z.B. gerade Realität in der Gruppe meines Sohnes: Für zurzeit 22 Kinder stehen eigentlich 4 Erzieherinnen zur Verfügung. Eine Stelle ist zurzeit nicht besetzt (das Thema habe ich hier der Übersichtlichkeit halber sogar vernachlässigt), eine Erzieherin ist im Urlaub, bleiben 2 Erzieherinnen für 22 Kinder. Also 1 für 11 Kinder.

Autor seit 12 Jahren
213 Seiten
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