Der Umbau der gesellschaftlichen Fundamente

Durch die Wissensrevolution, die mit der Anwendung der Netzwerktechnologie einhergeht, werden nicht nur die Kommunikationsstrukturen grundlegend verändert. Es werden auch die wesentlichen sozialen, ökonomischen und politischen Prozesse neu geordnet. Das heißt: Durch die netzwerkbasierte Kommunikation verändert sich nicht nur das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft, sondern auch die Beziehungen zwischen den verschiedenen Sphären des Sozialen, etwa zwischen der Ökonomie und der Politik, werden neu geregelt.  Resultat ist eine strukturelle Abhängigkeit dieser gesellschaftlichen Subsysteme, aber auch  der privaten und der öffentlichen Kommunikation, von der automatischen Datenverarbeitung und den digitalen Netzwerken. Nach Expertenmeinung hat niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte ein technisches System eine derartig dominierende Rolle für die Funktionsweise fast aller gesellschaftlichen Bereiche gespielt wie aktuell die Netzwerkmedien.

World Wide Web (Bild: Pixabay)

Menschen im Netz (Bild: Pixabay)

Die Auflösung der Grenze zwischen öffentlicher und privater Sphäre

Eine weitere wesentliche Komponente der "Google"-Gesellschaft ist die Auflösung der Grenze zwischen den Sphären öffentlich und privat, die konstitutiv für die bürgerliche Moderne war. Im Zeitalter globaler Netzwerke haben mit anderen Worten viele Subjekte das dringende Bedürfnis, all das publik zu machen, was das Individuum der Moderne ebenso zwanghaft vor der Öffentlichkeit zu verbergen suchte, nämlich persönliche Begebenheiten, Vorlieben, Leidenschaften. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird damit bedeutungslos. Im Zeitalter des Internet hat sich das Individuum mit anderen Worten gewandelt zu einem hyperkommunikativen Subjekt, das nicht nur kognitiv, sondern auch emotional vom medial vermittelten Informationsaustausch abhängig ist.

Zur Bedeutung von "Facebook"

Facebook/PixabayWas den Informationsaustausch via Internet betrifft, steht das soziale Netzwerk "Facebook" ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Und zwar bietet Facebook seinen Nutzern nach eigenem Bekunden die Chance, mit den Menschen, die in ihrem Leben wichtig sind, in Verbindung zu treten und mit ihnen Inhalte zu teilen.  Facebook ermöglicht mit anderen Worten – so der selbst gesetzte Anspruch - weltweite Kommunikation bei gleichzeitiger relativer Intimität der selbst gestalteten Freundeskreise.

Was ist eigentlich "Freundschaft"?

Nach traditioneller Auffassung  ist Freundschaft eine Beziehung zwischen  Menschen, die auf Zuneigung, Vertrauen und gegenseitiger Wertschätzung beruht. Dazu gehört, dass man den anderen so akzeptiert wie er ist, also mit seinen Stärken, aber auch mit seinen Schwächen. Und der andere muss sich darauf verlassen können, dass die Freundschaft nicht "Mittel zum Zweck" ist, dass die Freundschaft also nicht aus egoistischen, sondern aus uneigennützigen Motiven geschlossen worden ist. Ein Freund muss mit anderen Worten loyal und solidarisch sein.

Kommunikation im Netz (Bild: Pixabay)

Dialog (Bild: Pixabay)

"Freundschaft" im Zeitalter des Internet

Wenn man die Art und Weise betrachtet, wie  Freundschaften über soziale Netzwerke geschlossen werden, wird schnell klar, wie wenig diese mit der traditionellen Vorstellung von Freundschaft gemeinsam haben. Das heißt: "Normalerweise" ist das Schließen einer Freundschaft ein längerer Prozess, in dem sich erst herausstellen muss, ob man dem anderen wirklich vertrauen kann. Und das erfordert eigentlich auch, dass man dem anderen persönlich begegnen und ihm dabei "in die Augen schauen kann". Bei den via Internet massenhaft geschlossenen "Blitzfreundschaften" ist beides nicht der Fall. Dass man über ein Netzwerk wie Facebook "wahre Freunde" im herkömmlichen Sinne finden kann, ist deshalb eine Illusion. Bestenfalls findet man "gute Bekannte".

Fallen im Internet

"Blauäugig"/PixabayEine Erscheinungsform des unkritischen – vielleicht sollte man besser sagen: naiven - Umgangs mit den Kommunikationsmöglichkeiten über "Facebook & Co", die allerdings für die Betroffenen üble Folgen haben kann, ist das Verbreiten sehr persönlicher Informationen über sich in Verbindung mit mehr oder wenigen vorteilhaften Bildern. Denn solche Informationen  "landen" nicht nur bei den "Freunden", sondern auch bei Personalchefs, so dass sich die Betroffenen damit berufliche Chancen verbauen können. Wie heißt es so schön: "Das Internet vergisst nichts!"  Eher kurios erscheint dagegen das Phänomen der über Facebook organisierten Partys, bei denen die Betroffenen vergessen haben, diese als "private Veranstaltung" zu deklarieren, so dass auf einmal  10 000 "Gäste" statt der erwarteten 100 kommen. Wie man der Presse entnehmen kann, enden solche "Partys" in der Regel mit Polizeieinsätzen.

Die besonderen Vorzüge des Internet

Über diesen eher negativen Begleiterscheinungen des Umgangs mit dem Internet sollte man nicht vergessen, dass es hier "Communities" gibt, die nicht primär dem Generieren von "Freundschaften" dienen, sondern in denen vielfältige Möglichkeiten zum Meinungsaustausch geboten und  spannende Themen zur Diskussion gestellt werden. Ein weiterer Vorzug des Internet ist die Schnelligkeit, mit der man sich über Sachverhalte, die einen interessieren, informieren kann. Zudem findet man immer die aktuellsten Informationen. "Das gute alte Lexikon" kann hier  nicht mehr mithalten.

Vernetzt (Bild: Pixabay)

Surfen im Internet (Bild: Pixabay)

Das politische Potenzial netzwerkbasierter Kommunikation

Die Nutzung netzwerkbasierter Kommunikationsmedien beschränkt sich nicht auf unpolitische Aktivitäten wie den Aufbau von "Freundeskreisen", dem Organisieren von Partys oder dem Meinungsaustausch, sondern dient  auch politischer Demonstration und Mobilisierung. Das heißt: Am  Beginn des 21. Jahrhunderts nutzen politisch aktive Gruppen, aber auch politisch interessierte Einzelpersonen, das Internet immer häufiger, um ihre Anliegen publik zu machen, also um beispielsweise gegen Missstände zu protestieren, und dafür Unterstützung sowie gegebenenfalls Mitstreiter zu gewinnen. Auf diese Weise schließen sich Internetnutzer machtvoll zu Bewegungen zusammen und setzen die Themen, die sie interessieren, auf die politische Tagesordnung.

Die Alternativnetzwerke der Zivilgesellschaft

Bunte Bewegung/PixabayAls Beispiele wären hier zunächst die Alternativnetzwerke der Zivilgesellschaft zu nennen wie die  globalisierungskritische, transnationale Bewegung "Attac", wobei sich Attac dadurch auszeichnet, dass diese Bewegung sowohl im "Web" als auch im "Real Life" als Netzwerk organisiert ist, nämlich als Netzwerk autonomer regionaler Gruppen. Ein weiteres Netzwerk dieser Art, das in den letzten Jahren weltweit Aufsehen erregt hat, ist die Enthüllungsplattform "Wikileaks", die sich der Idee verpflichtet fühlt, dass durch vollkommene Transparenz der Informationsflüsse eine Welt entsteht, in der es keine Machtverzerrungen durch Informationsasymmetrien gibt und in der deshalb Gerechtigkeit herrscht. Auch die Hacker-Gruppe "Anonymous", die immer wieder durch spektakuläre Attacken auf die Webseiten von Regierungen und Konzernen von sich reden macht, ist ein solches Alternativnetzwerk.

Der Missbrauch des Netzes für rechtsextremistische Agitation

Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten zur politischen Mobilisierung, die mit der netzwerkbasierten Kommunikation verbunden sind, verwundert es nicht, dass auch politische Extremisten das Internet nutzen, um ihre Vorstellungen zu verbreiten. So gibt es immer mehr deutschsprachige Web-Seiten mit rechtsextremem Gedankengut, und Rechtsextremisten werben in sozialen Netzwerken, auf Videoportalen und in Blogs für ihre rassistische und antisemitische Ideologie. Dabei haben sie vor allem Jugendliche im Visier. Zudem vernetzen sie sich immer stärker über eigene Communities im Internet. Laut einem Bericht von Jugendschutz.net, einer gemeinsamen Initiative der Bundesländer, die rechtsradikale Aktivitäten im Internet überwacht, ist das Internet heute für den Rechtsradikalismus die Propagandaplattform Nummer eins.

"Heiliger Krieg" (Bild: Pixabay)

Rechtsextreme (Bild: Pixabay)

Die Nutzung des Internet für die Anwerbung von "Gotteskriegern"

Auch religiöse Fundamentalisten  rekrutieren neue Mitglieder immer stärker über das Internet. Angetrieben werden sie dabei von einer Vision, die folgendermaßen umschrieben werden kann: Ein Heiliger Krieg ohne militärischen Führer und mit einer Armee aus Einzeltätern. Eine wichtige Rolle bei der Verwirklichung dieser Vision spielen Web-Foren, in denen zum Kampf für den islamischen Gottesstaat aufgerufen und versucht wird, die Legitimität dieses "Dschihads" mit theologischen Argumenten zu begründen. Hinzukommen konkrete Anleitungen in Waffenkunde und Bombenbau sowie Propagandafilme- und Bilder. Durch diese Indoktrination fühlen sich auch einzelne Nutzer schnell als Teil einer globalen Bewegung und werden entsprechend radikalisiert.

Fazit

Google/PixabayGrundsätzlich ist das Internet eine der segensreichsten Erfindungen der Menschheitsgeschichte. Denn durch die Nutzung des Internet ist die Vision von einer weltweiten Gemeinschaft der Menschen, die auf ungehinderter Kommunikation beruht, im "Cyberspace" bereits verwirklicht. Die Ursachen für einen möglichen Missbrauch des Internet sind nicht dem Internet anzulasten, sondern sind "offline", also außerhalb des Netzes, zu suchen.

Bildnachweis

Alle Bilder: Pixabay.com

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