Die neuen AGBs: Segen oder Fluch?

Pagewizz: Herr Waibel, in Ihrer Funktion als selbstständiger Fachinformatiker für Systemintegration haben Sie sich doch sicher auch mit den Änderungen in den Datenschutzrichtlinien bei Facebook beschäftigt. Sind diese wirklich so schlimm, wie alle sagen?

Waibel: Das kommt ganz darauf an, wen Sie fragen. Für Unternehmen, vor allem solche, die in der Werbung sehr aktiv sind, ist dies natürlich eher ein Glücksfall. Und gerade Facebook lebt von den Werbeeinnahmen. Ansonsten könnte es seine Dienste nicht kostenlos anbieten.

Pagewizz: Sicherlich. Aber überall hört man doch von der Angst, ein gläserner Kunde zu sein und eigentlich gar keine Privatsphäre mehr zu haben. Ist da was dran?

Waibel: Es ist zumindest so, dass Facebook nunmehr viel mehr Daten seiner User nutzt als vorher. Dabei sollte man aber nicht vergessen, dass es dies vorher auch schon getan hat: Facebook ließ sich von seinen Mitgliedern schon immer mit Daten füttern. Es registrierte sehr genau, in welchen Gruppen man war und wo man überall ein like hinterlassen hat. Dadurch konnte es die Vorlieben des Einzelnen schon ziemlich gut erkennen und entsprechende Werbeprofile erstellen.

Der gläserne Kunde?

Pagewizz: Also waren wir doch sozusagen schon gläsern?!

Waibel: Bis zu einem gewissen Grad schon. Aber durch seine neuen Datenschutzrichtlinien will Facebook seine Werbemöglichkeiten noch verbessern.

Pagewizz: Wie soll das geschehen?

Waibel: Facebook wertet nun auch das gesamte Surfverhalten für sich aus. Über den Button, den viele Internetseiten mittlerweile verwenden, kann Facebook die persönliche ID jedes Users über mehrere Seiten hinweg auswerten. Wenn Sie zum Beispiel bei Facebook eingeloggt sind und parallel auf einer Shoppingseite surfen, kann Facebook erkennen, welche Artikel Sie angeklickt haben. Dadurch weiß es, wofür Sie sich interessieren und kann Ihnen zukünftig gezieltere Werbung zukommen lassen.

Pagewizz: In diesem Zusammenhang habe ich auch von einem Webnetzwerk namens Atlas gehört. Können Sie als Fachmann mir verständlich erklären, was das ist?

Waibel: Mit Atlas möchte Facebook die User plattformübergreifend auswerten. Bisher war es immer so, dass die Websites Cookies verwendeten. Diese speichern beim Besuch kleine Informationen über die Besucher ab, zum Beispiel welchen Browser sie verwenden. Leider können diese Cookies die Informationen aber jeweils nur auf einem Gerät speichern. Wer einen Laptop und dann ein Smartphone benutzte, hinterließ immer nur Infos zu dem aktuell genutzten Gerät. Atlas verwendet neben den Cookies aber auch aktive Logins von Facebook oder die Kenn- und Gerätenummern installierter Apps und fügt alles zu einem Profil zusammen. Wenn Sie also an Ihrem Laptop nach Gartenmöbel suchen und sich später über das Smartphone in die App eines Baumarktes einloggen, kann Atlas erkennen, dass Sie wahrscheinlich eine größere Gartenanlegung oder Ähnliches planen. Aber damit allein gibt das neue Netzwerk sich nicht zufrieden. Es entwickelt aus Ihren Bewegungen auch reales Bewegungsprofil.

Pagewizz: Sie meinen, Facebook weiß wo ich bin?

Waibel: Leider ja. Smartphones verfügen über GPS und das kann Facebook nutzen, um die Bewegungsgewohnheiten des Nutzers aufzuzeichnen. Interessant ist vor allem, in welchen Geschäften und Gaststätten man sich aufhält. Ob man zum Beispiel eine Vorliebe für italienische Restaurants oder Boutiquen teurer Designer hat.

Pagewizz: Kann ich das nicht unterbinden?

Waibel: Für jede App kann man festlegen, ob Sie auf die Positionsdaten zugreifen darf. Wirklich sicher sind Sie aber nur, wenn Sie das GPS deaktivieren. Das geht über die Einstellungen im Smartphone. Dann können Sie aber auch keine anderen Features benutzen, die standardmäßig auf Ihre Position zugreifen. Natürlich denkt man da als erstes an Navigationsprogramme, aber auch lokale Shoppingportale können dann nicht mehr funktionieren.

Wie kann man seine Privatsphäre schützen?

Pagewizz: Das wäre wirklich unpraktisch. Aber kann ich nicht wenigstens dafür sorgen, dass Facebook meine Daten nicht für Werbung nutzt?

Waibel: Darüber wird sich noch gestritten. Aktuell sieht es so aus: Sobald Sie Facebook nutzen, erklären Sie sich mit den aktuellen Datenschutzrichtlinien einverstanden. Facebook fragt also nicht mehr gesondert, ob diese oder jene Daten genutzt werden dürfen und Sie haben auch kein Widerrufsrecht. Aber dieses würde in der Praxis sowieso wenig nutzen, da die meisten Nutzer grundsätzlich zu freizügig und unbedacht mit ihren Daten umgehen.

Pagewizz: Wie meinen Sie das?

Waibel: Die wenigstens Menschen denken wirklich darüber nach, was Sie auf Facebook posten. Exzessive Party und anschließende Katersymptome werden da genau so oft gepostet wie gedankenlose Kommentare. Ein Klassiker ist, dass jemand an seine Pinnwand heftet, dass er heute blau macht und total vergisst, dass er über Facebook mit seinem Chef befreundet ist. Aber es geht noch schlimmer: Vor einiger Zeit stellte ein ausländischer Politiker eine Hautveränderung an seinem besten Stück fest. Mit dem Smartphone machte er ein Foto davon – wohl um es seinem Arzt zu schicken. In seiner Facebookapp war jedoch ein automatischer Bilderupload eingestellt. So wurde das Foto automatisch auf Facebook gepostet. Damit war seine Karriere natürlich zu Ende. Und solche Fehler geschehen ständig. Diejenigen, die sich aktuell kritisch mit den neuen AGBs von Facebook beschäftigen, sind eigentlich diejenigen, die damit weniger Probleme haben werden, da sie im Umgang mit ihren Daten schon sensibilisiert sind.

Pagewizz: Aber können die Nutzer nicht noch mehr tun, um Facebook zu bremsen?

Waibel: Wie gesagt: Ein Widerrufsrecht existiert nicht. Möchten Sie dennoch den Zugriff verweigern, sollten Sie in Ihrem Profil grundsätzliche Freigaben verweigern. Bei allem, was Facebook nicht weiter geben soll, müssen Sie dann ein "niemand" setzen. Das hat damit dann aber wieder zur Folge, dass Ihre Freunde vieles auch nicht mehr sehen können. Insgesamt stellt sich so irgendwann die Frage, warum man überhaupt noch auf Facebook ist, wenn niemand mehr etwas über einen lesen kann.

Pagewizz: Gibt es keine Alternativen?

Waibel: Doch: Einfach bei Facebook abmelden und seine Freundschaften im realen Leben pflegen.

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