Domenico Starnone: "Auf immer verbunden" - Rezension
Ein zusammen älter gewordenes Paar, das nicht mehr miteinander kann. Drei Perspektiven erhellen das Scheitern einer Ehe, die zu einer Lebensbewältigungsmaschine degeneriert.
Buchcover
© Deutsche Verlags-Anstalt
Weiblich-normativer Ehebetrieb
Aldo ist ein erfolgreicher, aber schwacher Mensch. Als er noch jünger war, war er eine eine öffentliche Person, er hatte Fernsehauftritte und sammelte Kritiken über seiner medialen Errungenschaften. Heute, als Vorgreis, fühlt er sich mit 76 Jahren schlapp und resümiert: "Schon immer organisiert sie mein Leben, ohne auch nur den geringsten Hehl daraus zu machen. Und schon immer folge ich ihren Anweisungen." Die Geschichte von Domenico Starnone ist eine Geschichte des Scheiterns. Der ganze Familienverbund kracht auseinander. Angesichts der jahrzehntelangen Ehestreitereien gehen die Kinder Sandro und Anna zu ihren Eltern auf größtmögliche Distanz, sie sind untereinander halb verstritten, aber vertragen sich in Ausnahmesituationen. Am Ende plündern und verwühlen sie die Wohnung der abwesenden Eltern – und nehmen die Katze Labes mit. Hier dominiert die Technik des Perspektivismus: Aldo hingegen, von geistiger Schwäche und Verfolgungswahn angekränkelt, glaubt an illegale Einbrecher mit Erpressungsversuchen. Aldo ist paralyisiert im normativen Ehebetrieb. Aus dem libidinös aufgeschlossenen, ideologisch inspirierten Ausbrecher ist ein Pantoffelheld geworden, weil er sich ohne Unterlass von seiner Frau maßregeln lässt, zum Schutz seiner Kinder, die sich leider innerlich schon längst verabschiedet haben. Längst sind sie innere Emigration, Ausreißer, die es besser haben wollen, aber aber kalt geworden sind, unter den Kinder- und Ehekrankheiten der Eltern leidend.
Kaputtes Elternhaus, kaputter Nachwuchs
Inzwischen wissen wir, dass Anita Raja, die unter dem Pseudonym Elena Ferrante erfolgreiche Neapel-Romane geschrieben hat, die Frau von Domenico Starnone ist, doch das spielt für die Kritik keine Rolle, da Starnone den Roman wohl allein geschrieben hat. Was er wohl bezwecken will, ist, dass bei verkrachten, offensichtlich aneinandergeketteten Eltern die Kinder darunter zu leiden haben, egal, wie groß die Fürsorge auch immer sein mag. Mangelnde Harmonie sorgt für Disharmonie beim Nachwuchs, und das Ergebnis ist, dass ein einst arrivierter Mann unter der Fuchtel einer an übertrieben geordneten Verhältnissen orientierten Frau zu einem gutmütigen, partiell nervenschwachen Trottel mutiert. Der dreiteilige Perspektivismus – die Frau, der Mann, die beiden Kinder – liefert perfekte Innnenansichten, die selbstverständlich stark voneinander abweichen. Fast könnte man meinen: Hätte Aldo das 68er-Modell nur durchgezogen, mit einem wechselnden Kinderaustausch ohne Furie. Wahrscheinlich wäre er glücklicher geworden. So hinterlässt er nur einen Trümmerhaufen.
Domenico Starnone: Auf immer verbunden. Roman: Aus dem Italienischen von Christiane Burkhardt. 2018 Deutsche Verlags-Anstalt, München. 171 Seiten.
Bildquelle:
W. Zeckai
(Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)