Roman "Effi Briest" T. Fontane 1895 - Romaninterpretation des 1.Kapitels

 

Genau in dieser Umgebung sitzen nun die Mutter mit ihrer Tochter allein und arbeiten fleißig und tugendhaft in absoluter Stille, was die Aussage von der ruhigen Idylle stützt und auch in das Rollenschema der damaligen Zeit und jegliche Unstimmigkeiten passt. Unterschwellig wird auch noch die Gläubigkeit der Familie vermittelt, durch erwähnen des Kirchturms und der angrenzenden Kirche und das Nähen eines Altarteppichs für selbjenige, was das Bild der sorgenfrei gestimmten Familie komplettiert.
In Zeile 54 werden beide als Damen bezeichnet, die routiniert und geübt mit der Nadel umgehen können ("fleißig, rasch und sicher Z. 5,34,39 ), doch dann zeigt sich nach und nach die Kindlichkeit der Tochter, die im Gegensatz zur Mutter Pausen einlegt um sich zu lockern vielleicht auch, weil ihre Konzentration nachgelassen hat und ihre diese Arbeit eigentlich keinen Spaß macht und sie diese nur tut, um der Mutter zu gefallen ( "ins Komische gezogene Übungen"). Die Mutter beäugt ihre Tochter dabei still und selbstzufrieden, was der Erzähler wohlwollend bewertet.
Ebenfalls im Kontrast zu Effi‘s damenhaftem Verhalten steht ihre jungenhafte Kleidung, die ebenfalls sehr genau beschrieben wird.
Der Erzähler charakterisiert Effi sehr positiv mit gepaarter "Übermut und Grazie"  sowie "Klugheit" und Herzensgüte. Der vermittelte Gesamteindruck von Effi ist jedoch sehr kindlich, bestärkt durch ihren Rufnamen Effi und ihren Kosenamen "Kleine"  ( was vom Erzähler gleich mit einer logischen Begründung hinterlegt wird ). Nach einiger Zeit gelingt es Effi in ihrer kindlichen Art die Aufmerksamkeit ihrer Mutter zu gewinnen, worauf die Erzählform vom Erzählbericht zur Figurenrede wechselt. Im Gespräch charakterisiert die Mutter Effi symbolisch als "Tochter der Luft" (90), was sich auf ihre kindliche Wildheit und Leidenschaft bezieht jedoch auch den Verlust der Bodenhaftung bedeutet und somit Gefahr und Anlass zur Sorge bedeutet, welche ja für eine Mutter berechtigt sind.
Daher spricht die Mutter sie darauf an bekommt jedoch nur eine kindlich ins Lustige gezogene Antwort mit der Reflexion auf die Mutter von der sie es ja habe, jedoch ist dies keine ernste Anschuldigung Effis an die Mutter, da sie diese zu sehr mag und leitet das Gespräch auf ihren unpassenden "Jungenkittel" (96), den sie als Mittel der Mutter auffasst sie davon abzuhalten eine Dame zu werden und dass sie erst in kurzen Kleidern wieder höfisches Benehmen zeigen würde ( "knicksen" 99 ).
Effis Verhalten zu Oberst Goetze ist ein weiterer Beweis ihrer kindlichen Mentalität, da sie ihn zu ¾ als Onkel sieht (103) und kindisch mit ihm spielen will ( "Hoppe- Hoppe Reiter" ) und da sie ihn nicht als Liebhaber sieht. Zur Unterstreichung ihrer Auffassung darüber stellt sie Scheinrhetorische Fragen, warum sie noch keine Dame ist ( 104f. ), welche sie auf Nachfragen jedoch selbst verneint, weil sie ihre Mutter zu sehr mag und Kinder niemals Kritik oder Zweifel an ihrer Mutti üben zu dieser Zeit.
Die Mutter ist über das unbefangene Jugendliche Verhalten ihrer Tochter besorgt, kommt aber nicht dazu diese weiter auszuführen und nutzt die jungen Mädchen um ihre Tochter zu gesellschaftlichem Umgang zu bringen, da die Mädchen wegen ihres damenhaften Verhaltens gegenüber der Mutter vielleicht einen guten Einfluss haben könnten. Die Mutter macht sich wie es zur anfänglichen Idylle passt wieder an die Arbeit und lässt die Jugend allein.

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