Entweder Zeit oder Geld - wie es niemandem gefällt
Ein zugleich komödiantischer und gesellschaftskritischer Roman, veröffentlicht als Print-on-demand und E-Book. Themen sind Kreativität, Arbeitslosigkeit, Freundschaften.Worum geht's?
Rena ist nach Studium und diversen Praktika mal wieder arbeitslos und nicht mehr motiviert, sich den nächsten prekären Arbeitsplatz oder irgendeinen Aushilfsjob zu suchen, nur um "in Arbeit" zu sein. Nicht nur, weil sie sich davon längst keine grundlegende Verbesserung ihrer Lebenssituation mehr erhofft, sondern auch, weil sie während der Phasen der Arbeitslosigkeit ihre Passion für das kreative Schreiben entdeckt und weiterentwickelt hat.
Sie tut sich mit dem Schauspieler Till zusammen, der während einer Auszeit vom Rollenspiel in einem Kleingarten haust. Die beiden fangen klein an, mit Straßentheater, das sich zu Kabarett-Auftritten auswächst.
Da Till schwul ist, kann aus den beiden auf keinen Fall ein Paar werden, dafür aber eine wunderbare Freundschaft wachsen. Um Freundschaften, Zufallsbekanntschaften oder auch Animositäten geht es in der Jazz-Kneipe Alt-Sax, wo gegen Dumping-Löhne und die ungerechte Verteilung von Arbeit, Zeit und Geld gewettert und für bedingungsloses Grundeinkommen plädiert wird. Wie das Leben so spielt, kommen von anderer Seite Vorwürfe: Schließlich verschlingen Arbeitslose das Geld der Steuerzahler.
Während andere Urlaub machen, purzelt Rena ins finstere Mittelalter, wo sie Parallelen zu den Erfahrungen ihres aktuellen Lebens entdeckt.
Bei Epubli ist der Roman auch als E-Book erhältlich.
Leseprobe
Erst als der See in Sicht kommt und Rena die Bewegung ebenso genießt wie den Wind auf ihrer Haut, wird ihr bewusst, wie sehr sie das vermisst hat: Allein umherzustreifen und, wenn ihr der Sinn danach steht, schauen, was es zu sammeln gibt. Im vergangenen Jahr hat ihr selbstgemachtes Apfelmus bis weit in den Winter gereicht. Auch heute hat sie sich für unverhoffte Funde ausgerüstet, mit einer Stofftasche für Fallobst und einer Dose für Brombeeren.
Doch nicht lange, und schon wieder setzt leichter Nieselregen ein, der sich in kürzester Zeit zu einem Schauer auswächst. Zunächst ist Rena unschlüssig: Abwarten oder schnell zurückfahren? Das Prasseln wird heftiger, aber Rena geht davon aus, dass sich die dunklen Wolken auch diesmal schnell verziehen werden. Sie schlüpft in ihre Regenjacke und sucht Schutz unter der dichten Krone einer Eiche. Von dort aus hat sie einen freien Blick auf den See, und sie gibt sich ganz dem Schauspiel des Regens hin, der vom Wind über die Oberfläche des Wassers gepeitscht wird.
Ihr Ausharren wird belohnt: Nicht lange, und der Regen lässt nach, durch eine Wolkenlücke scheint wieder die Sonne und über dem See bildet sich ein Regenbogen wie ein Portal. Sie schiebt ihr Rad ein Stück, und bei jedem Schritt quietschen ihre Gummistiefel. Dieses Geräusch weckt Kindheitserinnerungen. Also stellt sie ihr Rad ab, bleibt vor einer großen Pfütze stehen, schaut hoch zum Regenbogentor — und springt mitten hinein in die Pfütze, wobei das Wasser nach allen Seiten wegspritzt. Sie lacht vergnügt, dreht sich einmal um ihre eigene Achse — und findet sich vor einer Kneipe wieder. Ein rostiges Schild mit der Abbildung eines Bären quietscht in seinen Scharnieren, während sich das Regenwasser sichtlich Mühe gibt, den Unrat aus der Gosse zu spülen. Rena blickt an sich herab — und stellt fest, dass sie nicht nur in einem mittelalterlichen Gewand, sondern auch im Körper eines Jungen steckt. Fast schon ein Mann...
Und dieser junge Mensch, Erasmus, ist sehr aufgeregt. Am Tag zuvor ist eine Gauklertruppe in die Stadt gekommen, und natürlich hat er sich die Aufführung angesehen: Zuerst trat ein Jongleur auf, zu dem sich bald ein zweiter gesellte, und die beiden warfen sich die Bälle zu und ließen sie in der Luft tanzen. Dann kam das Spiel, ein Schwank, der recht lustig war — doch was Erasmus am meisten beeindruckt hat, das waren die Lieder, frech und aufrührerisch: eines davon gegen die Pfaffen gerichtet, ein anderes gegen die weltliche Obrigkeit und eines gegen die Pfeffersäcke. Zu Letzteren gehört auch Erasmus, seinem Stand nach. Bislang noch. Den Gaukler, der die Laute schlug und diese wagemutigen Lieder sang, hat er angestarrt wie einen Helden. Er schien ihm der Anführer der Truppe zu sein, hoch aufgeschossen und dünn, mit einem schmalen Gesicht, das Erasmus an einen streunenden Kater denken ließ. Nach dem Spiel hat er all seinen Mut zusammengerafft und ihn angesprochen. Ihn gefragt, ob es ihm nichts ausmache, diese Lieder zu singen, ob das nicht gefährlich sei? Wolfram hat gelacht: "So ist unser Leben nun einmal. Natürlich könnten wir auch Spiele aufführen, die Kirchenmoral predigen — und manchmal tun wir das sogar. Aber danach bleibt immer noch Zeit für ein kleines Lied."
Sehr sonderbar hat Wolfram ihn angesehen, durchdringend. Innerlich hat Erasmus sich gewunden unter diesem Blick, aber dennoch weitere Fragen gestellt. Zu seinem Erstaunen schien Wolfram sich nicht belästigt zu fühlen, sondern hat Antwort gegeben. Bis er dann doch irgendwann darauf hinwies, dass er sich um den Karren und das Pferd kümmern müsse. Aber er hat ihm angeboten: "Wenn du willst, kannst du später nochmal zurück kommen. Nach der Abendvorstellung." Das Lächeln, mit dem er diesen Vorschlag begleitet hat, konnte Erasmus nicht deuten. Es weckte Regungen in seinem Körper, die er sich bald abgewöhnen muss, wenn es nach seinem Bruder geht.
Natürlich ist er wieder hingegangen — die fahrenden Leute haben schon immer eine geheimnisvolle Anziehung auf ihn ausgeübt. Aber auf das, was geschah an diesem Abend — war es wirklich erst gestern? — war er nicht vorbereitet: Küsse, Zärtlichkeiten... Er hat eine vage Vorstellung von dem, was zwischen Männern und Frauen geschieht — aber wenn dies zwischen Männern geschieht, oder richtiger: zwischen Mann und Knabe — das ist ganz sicher eine Sünde! Vielleicht sogar eine Todsünde? Wieder hat Wolfram gelacht und ihm erklärt: "Ist es nicht die Aufgabe der Vaganten, sich einen Dreck um die Gesetze zu scheren? Glanz gleich, ob sie von der Kirche oder vom Kaiser gemacht wurden."
Und dann, nach weiteren Zärtlichkeiten, wollte er wissen: "Es gefällt dir doch auch, oder etwa nicht?"
Erasmus wusste nicht recht: War es vielleicht doch nur das aufregend prickelnde Gefühl, etwas Verbotenes zu tun?
Während der schlaflosen Nacht in seinem Bett hat er seinen Entschluss gefasst, und deshalb steht er jetzt hier, vor der Bärenschenke. Morgen werden die Vaganten weiter ziehen. Und er ist wild entschlossen, mit ihnen zu reisen. Mit der rechten Hand fasst er an die Brust, dort wo der Lederbeutel hängt, unter dem Wams verborgen. Darin sind die Münzen, die er aus der Truhe seines Bruders genommen hat. Vor sich selbst hat er sein Tun damit gerechtfertigt, dass es weitaus weniger ist als die Summe, die Nikolaus, sein älterer Bruder, dem Kloster geben würde, in das er ihn abschieben will. Erasmus denkt an das Einzige, was ihn an diesem Leben reizen würde: Klöster haben Bibliotheken. Und Bücher sind das Tor zum Wissen. Aber davon abgesehen... Das ganze Leben spielt sich ab in einer fest gefügten Routine von Beten und Arbeiten...
Eine weitere Leseprobe gibt es in Frida's Textstudio: fridakopp.wordpress.com
Entweder Zeit oder Geld - wie es niemandem gefällt
Bildquelle:
W. Zeckai
(Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)