Ernst Piper: "Rosa Luxemburg. Ein Leben". Rezension
Vor hundert Jahren wurde die 46-jährige Rosa Luxemburg erschlagen und erschossen. Der Autor Piper rollt noch einmal ihr Leben auf.
Buchcover
Geldprobleme und etliche Zeitungspublikationen
Sie wurde 1871 als Rozalia Luksenburg im russisch-polnischen Zamosc geboren, war keine Proletarierin, sondern wuchs im Großbürgertum auf. Wie selbstverständlich ging sie aufs Gymnasium und war polyglott, neben Polnisch und Jiddisch auch Deutsch, Russisch, ja sogar Französisch. Um als Frau studieren zu können, immatrikulierte sie sich in Zürich, wo sie auch promovierte, und zwar "Über die industrielle Entwicklung Polens", eine tendentiöse Dissertation, über die sich Piper breit auslässt, weil hier die Grundfesten ihres Denkens verankert sind. Dort lernte sie den Litauer Leo Jogiches kennen, und es entstand eine Art Halbehe, da Leo bindungsscheu war und sie mehr aus der Ferne liebte. Er war es, der über Jahre hinweg ihr Leben finanzierte. Bei der Wohnungssuche in Deutschland war sie wenig angetan von Wilmersdorf – so viele Proletarier!! -, also zog sie ins Berliner Hansaviertel, wo sie gleich nach ihrem Ankommen der SPD beitrat. Den Großteil ihres Lebens war sie damit befasst, sich mühsam über Wasser zu halten, zunächst war es Jogiches, dann die vielen linken Zeitungspublikationen und schließlich hatte sie noch eine Stelle als Dozentin in der SPD-Parteischule. Im Juli 1904 geriet sie wegen Majestätsbeleidigung für drei Monate in Haft, was sich noch einige Male wiederholen sollte: Den 1.Weltkrieg verbrachte sie hauptsächlich im Gefängnis, wo sie eine lebhafte Aktivität entfaltete und literarische Zeitungstexte herausschmuggeln konnte.
Ein gewaltiges Arbeitspensum
Eine langjährige Partnerschaft begann sie 1907 mit Kostja Zetkin, und diese Liebesbeziehung führte dazu, dass Leo vor Eifersucht förmlich ausrastete, sie bedrohte und ihr mit einer Pistole Angst einjagte. Unzählige Briefe sind erhalten, erstaunlich ist die Vielzahl von Koseworten, die sie für ihre Freund*innen und Liebhaber verwandte. Eine Feministin war sie nicht, sie war eine Internationalistin, die sich um autonome Nationalstaaten nicht kümmerte – auch nicht um die polnische, was ihr nicht wenige Gegner in ihrem Heimatland einbrachte. Die magenkranke Luxemburg absolvierte ein unglaubliches Pensum, sie war in der Schweiz, in Polen und in Deutschland unterwegs, sie scheute keine Reisestrapazen, um an irgendwelchen Versammlungen teilzunehmen und Reden zu halten, ganz abgesehen von ihren unzähligen Schriften! Obwohl sie nur selten eine Mehrheit fand, waren die Leute von ihr fasziniert, zumal sie als große Theoretikerin und begnadete Rethorikerin galt. Sie war eine gänzlich unproletarische, geradezu klassische Akademikern, die ihr Leben dem Proletariat verschrieb. Im Gegensatz zu Lenin, bei dem eine übermächtige Kaderpartei die Belange der Arbeiter diktieren sollte, war für sie die Massendemonstration bzw. die Massenrevolution das Ziel. Zum Buch gehören auch unablässige Erläuterungen über die SPD-Flügelkämpfe. Da war zum einen das bürgerliche Lager, der Bereich der Mitte (Kautsky: "Wir sind eine revolutionäre, aber keine Revolution machende Partei"), und zum anderen das marxistische Zentrum, dem Luxemburg mit vollem Herzen anhing. Viel zu ausführlich sind die permanenten Streitereien und Machtkämpfe des SPD-Personals. So ist es auch ein Werk über die Entwicklung der SPD bis 1919 geworden.
Ernst Piper: Rosa Luxemburg. Ein Leben. Blessing Verlag München, 2018. 832 Seiten
Bildquelle:
W. Zeckai
(Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)
dco-Verlag
(Rezension: Wenn dich jemand sieht)