Wenn Jugendliche Gewalt als einzige Lösung sehen

In den neuesten Statistiken ist zu lesen, dass der Anteil von Gewalttaten, die von Menschen unter 18 Jahren verübt werden, stark angestiegen ist. Schon im Kindesalter steht vom Stehlen bis zum Einbruch, von der Schlägerei bis zur massiven Körperverletzung alles auf dem Programm. Da muss die Frage nach den tieferen Beweggründen gestellt werden. Warum sinkt die Grenze der Gewaltbereitschaft immer stärker, was bringt Kinder und Jugendliche dazu, das Eigentum oder gar das Leben eines anderen nicht mehr zu achten und wie kommt es zu den immer häufiger zu beobachtenden Aggressionen in so jungem Alter?

Viele Kinder und Jugendliche erleben Gewalt in der Familie

Es scheint eine Tatsache zu sein, dass immer mehr Kinder in der eigenen Familie mit Gewalt in Berührung kommen. Viele Eltern sind von den eigenen Lebensumständen und den Anforderungen des Berufes gestresst, fühlen sich überfordert und wissen nicht anders mit familiären Konflikten umzugehen, als zuzuschlagen. Dabei sind sie sich nur selten bewusst, dass gerade sie erstes und wichtigstes Verhaltens-Beispiel für ihr Kind sind. Die Sendung "Die Supernanny" zeigt dies immer wieder erschreckend deutlich. Auch unter Geschwistern werden Streitigkeiten nicht mehr im Gespräch gelöst, sondern mit den Fäusten. Wer aber von den eigenen Eltern oder Geschwistern täglich Gewalt erfährt, der wird diese bald als völlig normale Methode der Konfliktlösung betrachten und sich ebenso verhalten.

Alkoholkonsum bei Jugendlichen lässt die Gewaltbereitschaft steigen

Befragt man Jugendliche nach ihrem Umgang mit Alkohol, so ist das Ergebnis "ernüchternd". Schon im ausgehenden Kindesalter kommen sie mit Alkohol und nicht selten auch mit Drogen in Berührung. Bei vielen, von Jugendlichen verübten Gewalttaten ist Alkohol im Spiel oder sogar der Auslöser. Die enthemmende Wirkung von alkoholischen Getränken ist hinlänglich bekannt. Die häufig nicht mehr zu gewährleistende Kontrolle durch die Eltern ermöglicht es Jugendlichen, sich abends mit Freunden zu treffen und Alkohol zu konsumieren. Leider wird das existierende Jugendschutzgesetz nicht überall konsequent durchgehalten, so dass selbst Kinder noch immer Alkohol kaufen können. Gerade in den letzten Jahren ist das Durchschnittsalter, in welchem junge Menschen zum ersten Mal Alkohol trinken, deutlich gesunken. Das sogenannte "Komasaufen" oder "Kampftrinken" wird von vielen Jugendlichen als Freizeitspaß praktiziert. Im Zustand eines Vollrausches tun die Jugendlichen dann Dinge, die sie im nüchternen Zustand nicht täten. Das Ergebnis sind unter anderem Gewalttaten.

Gewalt in der Schule ist ein täglicher Begleiter

Aber nicht nur in der Familie erleben Kinder und Jugendliche Gewalt. Auch in der Schule (und nicht selten sogar im Kindergarten) kommt es zu Gewalttätigkeiten. Kleine Rämpeleien sind in der Schule sicher normal, aber in vielen Schulen gibt es richtige Schlägereien, Erpressungen, massives Mobbing und sogar Vergewaltigungen. Die sogenannten "Happy Slapping"-Aufnahmen, also das Filmen von Straftaten mit Hilfe des Handys sowie die Weitergabe dieser Kurzfilme, ist unter Jugendlichen weit verbreitet und zeigt das Ausmaß der Gewalt unter und von Jugendlichen und macht deutlich, wie unbedacht und unbedarft mit der Gewalt umgegangen wird.

Ein weiteres Problem an Schulen sind immer häufiger auftretende Bandenkriege, in deren Verlauf zunehmend mit Waffengewalt gegeneinander vorgegangen wird. Messer, Schlagringe und sogar Schusswaffen sind an vielen Schulen längst Realität.

Im Fernsehen und durch Computerspiele wird Gewalt verharmlost

Ein weiterer Grund für gewaltbereite Kinder und Jugendliche scheint darin zu liegen, dass die Medien, explizit das Fernsehen, die junge Generation durch ein geradezu gewaltgetränktes Programm täglich mit Gewalt konfrontiert. Computerspiele, bei denen man nur durch Einsatz von Gewalt gewinnen kann, tun ein Übriges, um Kindern und Jugendlichen vorzuspiegeln, dass Gewalt ein adäquates Mittel sei, um sich durchzusetzen und im Leben erfolgreich zu sein. Wenn man bedenkt, dass viele Jugendliche mehrere Stunden am Tag mit solchen Spielen und damit in einer virtuellen Welt verbringen, dann wird verständlich, warum Gewalt für Kinder und Jugendliche immer mehr zu einem alltäglichen Bestandteil ihres Lebens wird. Nur allzu oft können sie nicht mehr zwischen virtueller Welt und der Realität unterscheiden. In extremen (schon belegten) Fällen identifizieren sich Jugendliche sogar mit der Hauptperson eines Spieles, übernehmen die Persönlichkeit der fiktiven Person und verlieren jeden Bezug zur Realität. Die Untersuchungen bei Amokläufen haben gezeigt, dass die meisten Täter Freunde von gewalttätigen Videospielen waren und in ihren Taten diese Spiele nachgestellt haben.

Was ist zu tun, wenn Jugendliche Gewaltbereitschaft zeigen?

Sowohl die Familie als auch die Gesellschaft sind hier gefordert. Es geht darum, Kindern und Jugendlichen wieder stärker deutlich zu machen, dass Gewalt letztlich keine Lösung ihrer Probleme bedeutet, sondern nur wieder zu Gewalt führt. Der Weg aus der Gewalt kann nur über das Aufzeigen anderer Möglichkeiten der Konfliktbewältigung führen. Verständnisvolle aber konsequente Erziehung, Antiaggressions-Training (beispielsweise in Boot-Camps), psychologische Betreuung (durch Schul- und Familienpsychologen) und auch Gesetzesänderungen zum besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen vor dem Einfluss gewaltverherrlichender und gewaltverharmlosender Medien sind vonnöten.

Kinder und Jugendliche sind heute durch gesellschaftliche oder familiäre Gegebenheiten in einer ganz besonders schwierigen Situation. Letztlich gilt es, diese Situation zu analysieren, zu verändern und vor allem zu verstehen. Denn nur im Verstehen einer Situation lässt sie sich auch wirklich verändern.

Autor seit 13 Jahren
212 Seiten
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