Der Rabe galt als Bindeglied der inneren und äußeren Welt

Schlechte Eltern werden zwar häufig als "Rabeneltern" bezeichnet, doch auf die Vögel trifft das nicht zu. Sie kümmern sich aufopferungsvoll um ihre Brut und verteidigen sie mit vollem Einsatz. Immer wieder stürzen sie aus großer Höhe auf den Eindringling und stechen mit dem Schnabel nach ihm, wobei ihre Artgenossen noch zu Hilfe kommen. Raben vermitteln immer den Eindruck, als könne sie nichts auf der Welt aus der Ruhe bringen. Mit stoischer Gelassenheit und majestätischem Gang bewegen sie sich über das Land. Ihr durchdringendes, raues Krächzen geht den Menschen durch Mark und Bein.

Für die amerikanischen Ureinwohner der Küstenregionen war der auf Totempfählen dargestellte Rabe (Kwaw'wine) ein allgegenwärtiges Tier ihrer Umwelt. Er galt als Bindeglied der inneren und äußeren Welt. Wenn er erschien, so bedeutete das fast immer ein Zeichen, das etwas geschehen wird. Man hielt ihn für sehr weise und schätzte ihn hoch.

Erst durch einen Diebstahl machte der Rabe das Leben auf der Erde möglich

In der indianischen Mythologie galt der Rabe als Schöpfer der Welt, der den Menschen das Licht brachte. In zahllosen Legenden wurde er als kraftvoll geschildert. So gelang es ihm, dem Biber einen ganzen See voller Lachse zu entwenden, den er der Tochter des Häuptlings Gal-Gum-Gas-su und damit dem Clan als unerschöpfliche Nahrungsquelle schenkte. Dem Glauben der Nordwestküstenstämme (Athabasken, Haida und Tlingit) zufolge pickte der Rabe die ersten Menschen aus Muscheln, die er am Strand gefunden hatte. Dann flog er ins Reich des Himmelsgottes und stahl ihm die Sonne, die Sterne und den Mond. Erst durch diesen Diebstahl machte er das Leben auf der Erde möglich.

Nur die mächtigen Wale existierten schon vorher in den Ozeanen. Auch die Kunst des Hausbaus lehrte der Rabe, indem er die Idee von den Bibern stahl. Bis heute gilt der schwarze Vogel als fantasiereicher Trickser. In den Liedern und Legenden kann er teuflisch und gemein, aber auch mitfühlend und hilfreich sein. Im Gegensatz zu den Europäern sehen die Indianer in dem Raben jedoch keinen Unheilsbringer oder Todesboten, der mit Hexen und Dämonen in Verbindung steht, sondern einen Ratgeber und Begleiter.

BerndT, am 22.02.2014
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Bildquelle:
Daniela Roth (Indianische Tiertotems - Der Lachs)
Brigitte Werner (Indianische Tiertotems - Das Karibu)
tpsdave (Indianische Tiertotems - Der Wolf)
pescador (Indianische Tiertotems - Der Biber)

Autor seit 13 Jahren
369 Seiten
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