Island ist diesjähriger Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Ja nun, jedes Land ist dort irgendwann an der Reihe. 2011 ist es also Island. Die haben bestimmt nur einen kleinen Standplatz, quasi als Alibi. Eine Insel mit rund 320.000 Einwohnern, früher waren es noch weniger. Was werden die schon groß an Büchern anzubieten haben. Obwohl – einmal hat doch mal ein isländischer Schriftsteller den Literaturnobelpreis bekommen. Halldór Laxness hieß der, und das war 1955 – ist also auch schon wieder Ewigkeiten her. HALT!!!

Wikingerschiff

Eine Schriftsteller-Nation

Wenn es eine Nation gibt, die geradezu überfällig ist, als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert zu werden, dann ist es Island. Angeblich sollen sich gut zehn Prozent der Einwohner schriftstellerisch betätigen, von denen längst nicht alle nur für die Schublade schreiben. In Island erscheinen ständig neue Bücher, von denen viele sogar im Ausland verlegt werden. Schon vor der diesjährigen Buchmesse konnten sich in Deutschland einige isländische Autoren ein zwar kleines, aber begeistertes Publikum erobern. Einer der bekanntesten davon ist der Autor Arnaldur Indriðason. Nach einer früheren Tätigkeit als Journalist bei einer Zeitung schreibt er nun Bücher: überwiegend Kriminalromane, daneben Thriller und weitere Genres.

In den Krimis von Arnaldur Indriðason geht es weniger brutal zu als in zahlreichen aktuellen Kriminalromanen. Hier kommt das Grauen auf leiseren Sohlen. Es fließt weniger Blut, doch erfährt ein Leser besonders intensiv, dass ausgeklügelte psychologische Verwicklungen und Hinterhältigkeiten ihre eigenen Spannungsgesetze haben. Dabei mangelt es diesen Krimis nicht an anschaulichen Gruselszenen, wenn in einer Wohnsiedlung ein Skelett ausgegraben wird, Kleinkinder arglos auf menschlichen Knochen herumbeißen oder unter einem Holzfußboden ein Toter liegt. Menschen verbrennen bei lebendigem Leibe oder werden lebendig begraben. Es werden erschütternde Familientragödien aufgedeckt und der Leser erfährt Wissenswertes über Erbkrankheiten. In den meisten dieser Krimis treffen Stammleser auf ihre gewohnte Ermittlertruppe Erlendur, Sigurður Óli und Elinborg  der Kriminalpolizei Reykjavik, bei der gelegentlich private Freuden und Sorgen nicht außen vor bleiben.

 

Bislang sind aus der Serie folgende Romane auf Deutsch erschienen:

 

  1. Menschensöhne
  2. Todesrosen
  3. Nordermoor
  4. Todeshauch
  5. Engelsstimme
  6. Kältezone
  7. Frostnacht
  8. Kälteschlaf
  9. Frevelopfer
  10. Abgründe

 

"Nordermoor" wurde vor ein paar Jahren in Island in enger Anlehnung an die Romanvorlage verfilmt und war auch im deutschen Fernsehprogramm.

Thriller und mehr

 

Ab und zu erscheint ein Band außerhalb dieser Reihe. Im Thriller "Gletschergrab" zeigt Indriðason, dass er sich ebenfalls auf Thriller versteht. Beim abendlichen Lesen im Sessel nur vom Lichtkegel der Leselampe umgeben kann es ganz schön ungemütlich werden, die übrigen Ecken des Zimmers nicht mehr klar zu erkennen und womöglich noch eine Tür im Rücken zu haben. "Tödliche Intrige" erzählt über die Manipulationen einer Frau, die nicht nur im übertragenen Sinne über Leichen geht. In "Codex Regius" geht es um eine isländische mittelalterliche Handschrift.

Die Atmosphäre des Alltags auf der abgelegenen Nordlandinsel ist gut getroffen. Dass es Verbrechern möglich ist, in einer Inselbevölkerung von wenigen Hunderttausend unterzutauchen, bringen die Romane plausibel zum Ausdruck. Daran liegt es also wohl nicht, dass die spannenden Krimis ein unzutreffendes Bild von der Kriminalitätsrate in Island vermitteln. Denn in Wahrheit hat Island eine niedrige Kriminalitätsrate und Morde geschehen äußerst selten, in manchen Jahren gibt es sogar keinen einzigen. Irgendwie kommen die Isländer wohl nicht dazu – vor lauter Islandpulloverstricken mit komplizierten Mustern, Reiten auf Islandpferden mit fünf Gangarten statt sonst üblichen drei, Abchillen in der Blauen Lagune, Tummeln in einem bunten Nachtleben und Aggressionsabbau beim Schreiben gewaltvoller Lektüre in Form von nervenstrapazierenden Island-Krimis. Weiter so!

Textdompteuse, am 26.09.2011
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Bildquelle:
W. Zeckai (Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)
dco-Verlag (Rezension: Wenn dich jemand sieht)

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