Karl May und die Schweiz
Das Tessin hatte es ihm angetan - auf dem Weg ins "Wilde Kurdistan" drei spannende Tage in LuganoAuf dem Weg ins wilde Kurdistan Station in Lugano
Aber ins "Wilde Kurdistan" ist er gereist, vor gut 110 Jahren. Die Gegend hat er vor Ort studiert. Und dessen hat – es ist schon einige Jahre her – die Deutsche Karl-May-Gesellschaft mit einem internationalen Kongress in Luzern gedacht, um damit, zum Erstaunen vieler, der "Schweiz des Karl May" ihre Aufwartung zu machen. Wobei auf den ersten Blick die Verbindung zwischen der Eidgenossenschaft und dem Kurdistan mit Karl May als Bindeglied etwas merkwürdig erschien und erscheint.
80 Zeilen Loblied auf den San Salvatore
Karl Mays große Orientreise, die insgesamt 16 Monate dauerte, führte ihn in den Apriltagen des Jahres 1899 zunächst in und durch die Schweiz. Und weil er immer und allerorten aufschrieb, was ihn bewegte, so hat er seinerzeit auch Luganos Hausberg besungen. Wer von den vielen Winnetou-Freunden mag sie gelesen haben, die am 1. April 1899 entstandene Eloge auf den San Salvatore, der die Stadt am Luganer See markant überragt? 80 Zeilen lang ist das Gedicht: "Sei mir gegrüßt, Du hochgebautes Gotteshaus". Und weil ihn die schweizerische Berglandschaft offensichtlich stark beeindruckte, verfasste er, ebenfalls während des dreitägigen Aufenthalts in Lugano, auch gleich noch das Gedicht "Am Gotthard". In jenen Tagen residierte er standesgemäß im neu eröffneten Hotel "Bellevue au Lac", das für sich warb mit den Worten "Deutsches Haus mit herrlicher Lage am Landungsplatz Paradiso".
In Ägypten ein Gedicht auf den Vierwaldstätter See
Die Reise des sächsischen Schriftstellers führte seinerzeit über die Schweiz nach Como, Mailand und Genua, von wo aus er nach heutigem Wissensstand erstmals Europa verließ, um seine große Orientreise zu beginnen, die ihn auch durch das "wilde Kurdistan" bis nach Padang auf der heutigen Insel Sumatra führte. Doch der vorgelagerte kurze Aufenthalt in der Schweiz hatte offensichtlich nachhaltige Spuren hinterlassen. Gut zwei Wochen später griff er, inzwischen in Ägypten eingetroffen, nochmals zur Feder. Unter ägyptischer Sonne schrieb er die Gedichte "Am Vierwaldstätter See" und "Auf Rigi-Kulm". Zu der Weltabgeschiedenheit dieses Rigi-Kulm-Gipfels kehrte Karl May zwei Jahre später, 1901, zurück. Hier vollendete er sein pazifistisch geprägtes Spätwerk "Et in terra pax" – dessen pantheistische Thesen noch bis ins Ende des 20. Jahrhunderts vor allem in der katholischen Kirche für Aufregung sorgten. Zugleich arbeitete er auf Rigi-Kulm intensiv an der Broschüre "Karl May als Erzieher", die bald der Vergessenheit anheimfiel.
Das Heimweh – eine "Schweizer Krankheit"
Karl May und die Schweiz. Es schien, als habe er hier – jedenfalls zeitweise – eine zweite Heimat gefunden. Und so schrieb er in einem Aufsatz unter dem Titel "Von dem Heimwehe", veröffentlicht in dem Journal "Naturgeschichte des Schweizerlandes", von der "für die Schweizer besonderen Krankheit". Warum auch immer: das "Heimweh des Schweizers" war ihm die schwerste Form, in der diese "Krankheit" auftreten könne.
Bildquelle:
W. Zeckai
(Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)