Buchcover

© Piper Verlag München

 

Tex Rubinowitz: Ein asexuelles Liebesverhältnis gewinnt

Die Anordnung der Texte ist nicht rein zufällig, folgt aber auch keinem bestimmten System: sie orientiert sich allein am Abschneiden der jeweiligen Teilnehmer. Deshalb steht auch der Text des Wahlwieners Tex Rubinowitz ("Wir waren niemals hier") an erster Stelle. Es geht um ein asexuelles Liebesverhältnis eines jungen Paares, bei dem sich der Mann zum Trottel machen lässt und in einem Fall, als er wider Erwarten nicht gedemütigt wird, zuschlägt. Rubinowitz verzichtet auf Sprachartistik, präferiert eine kultivierte Beiläufigkeit, ohne dem Drang nach gehobener Kunst zu huldigen. Diese unprätentiöse Geschichte ist goutierbar, zuweilen auch amüsant, aber ohne Bedeutungsschwere – was die Jury übrigens als Vorteil erachtet. Gewiss ein lesbarer Text, aber sicherlich kein großer Wurf, der den Gedanken nahe legt, dass, wenn das schon der Gewinner ist, es nicht wesentlich besser wird. Und tatsächlich, das Niveau nimmt nicht zu, nach dem Lesen der restlichen Texte erweist sich der Jahrgang 2014 als äußerst schwacher. Das ist auch fast durchweg die Meinung der am Ende beigefügten Pressestimmen, die zwar bei der Bewertung der einzelnen Texte im Urteil divergieren, aber im Gesamturteil nahezu übereinstimmen. Die Jury weiß an Rubinowitz vor allem das Saloppe zu schätzen, die unangestrengte Leichtigkeit und den unaufdringlichen Verve.

 

Helvetien und die Asylproblematik

Völlig eingetaucht in die helvetische Welt ist der sehschwache Michael Fehr, der Auszüge aus "Simeliberg" mündlich vorträgt und den kelag-Preis erhält. Geschildert wird ein Konflikt zwischen einem Dorf, einem Gemeindeverwalter und der hiesigen Polizei. Angesichts der diesjährigen Qualität ist das ein würdiger Preisträger, der allerdings eine Jury-Debatte auslöst, die sich mehr mit dem gesprochenen statt geschriebenen Text auseinandersetzt. Die Jury bricht mit ihren Regel und Direktiven und ist sich dessen auch bewusst: Diesmal sei, so Burkhard Spinnen und Hubert Winkels, die Einbeziehung des – als gut befundenen - Vortrags unabdingbar. Schon bei der nächsten Lesung von Romana Ganzoni macht Burkhard Spinnen von diesem Bewertungsinstrument nahezu hemmungslosen Gebrauch, indem er ihre Vortragsweise radikal ablehnt und den Text dadurch quasi vernichtet. Wer von den Jury sehr ernst genommen wird, ist der ambitionierte Senthuran Varatharajah, der den 3-Sat-Preis einheimst. Hier laufen die Diskutanten zur Höchstleistung auf, sie unterziehen den Facebook-Kontakt zweier Migranten einer eindringlichen Prüfung, wobei bei der Bewertung persönliche Präferenzen (bei Meike Feßmann ist es die Asylproblematik) zutage treten. Ohne Zweifel, Varatharajah kann einiges, ist sprachlich versiert, obwohl die Prosa mitunter klingt, als habe der Autor sein Deutsch mit Hegel auf einer einsamen Insel gelernt (Spinnen).

 

Wer soll das außerhalb des Wettbewerbs lesen?

Den Mr. Heyn's Ernst-Willner-Preis gewinnt überraschend Katharina Gericke, die in ihrem Oper-Liebestext fortwährend, geradezu willkürlich die Zeiten wechselt, ohne dass das von der Jury angemerkt wird. Die leitmotivisch eingesetzten notorischen Satzwiederholungen sind manchmal schlichtweg nervtötend. Schade, das die Österreicherin Gertraud Klemm, die mit einer überforderten Mutter aufwartet, nur den Publikumspreis erringt. Abgesehen von den drei Hauptgewinnern gehen die Jury-Meinungen weit auseinander: Während Anne-Kathrin Heier teilweise gelobt wird, lehnen andere ihre originalitätssüchtige, von Kunstwollen geprägte Sprache rundweg ab. Für Gregor Dotzauer vom Berliner Tagesspiegel ist das der Tiefpunkt der Veranstaltung, Bei Anne-Kathrin Heier, bei Roman Marchel auch und anderen fragt man sich unwillkürlich, wer das außerhalb des Wettbewerbs überhaupt lesen soll. Viele vorgelesenen Texte wirken, als seien sie nur für einen überschaubaren Kreis, für eine spezielle Klientel geschrieben. Wenn das Dargebotene ein Gradmesser des Zustands der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ist, so ist sie noch ausbaufähig und es bleibt das Hoffen aufs nächste Jahr. Ein schöner Zug vom Herausgeber Hubert Winkels ist es immerhin, dass er dem Buch die wesentlichen, übrigens sehr kritischen Presseartikel beigefügt hat. Die Auswahl der Texte ist natürlich subjektiv: Hier sind nicht die Besten von 2014 versammelt, sondern die Erfolgreichsten.

Klagenfurter Texte. Die Besten 2014. Herausgegeben von Hubert Winkels. Piper: München 2014, 214 Seiten.

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