Georg Heym (1887-1912) - Leben und Wirken des Früh- Expressionisten - Kurzer Lebensabriss eines Zerissenen

Am 16.Januar 1912 ertrank Georg Heym zusammen mit seinem Freund Ernst Balcke beim Schlittschuhlaufen auf der Havel bei Berlin. Er versuchte seinen ins Eis eingebrochenen Freund aus dem Eisloch zu retten, brach dabei selbst ein und fand den Tod.

 Georg Heym wurde am 30. Oktober 1887 in Hirschberg/Schlesien geboren und entstammte einer Familie des protestantischen Großbürgertums. Sein Vater, Hermann Heym, war Geheimrat und Militärstaatsanwalt. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war schwierig, weil der junge Heym unter der konservativen Geisteshaltung seines Vaters, sowie dessen autoritären und jähzornigen Auftretens litt.

 Der Dichter und Lyriker Georg HeymGeorgs Schulleistungen entsprachen demzufolge nicht den Erwartungen seiner Eltern und "Pauker", wie es in Georgs Tagebuchschriften heißt:

 "Um Gotteswillen nicht sich erlauben productiv zu sein. Da sind wir ja noch zu unreif. Dieser Herr ist so ganz nach dem Sinne meines Vaters, der ja auch nur aus Haut und Knochen besteht. Poesie, Kunst usw. sind unpraktisch und überflüssiger Luxus. Wenn ich konsequent wäre, müsste ich mir eigentlich das Leben nehmen. Aber ich glaube an mich." [1]

 So entwickelte er mit der Zeit eine Antipathie gegen alles, was in Tradition und Konvention mit Goethe, Protestantismus und Elternhaus stand. - Er fand einmal als "interessanter Vetter" ein andermal als "schwarzes Schaf" nach mehreren Orts- und Schulwechseln seinen eigenen Zugang zur Kunst des Expressionismus.

 

Der Expressionismus begann als neue Kunstbewegung in Literatur, Drama, Malerei und Plastik in Deutschland vor etwa 100 Jahren. Sie erreichte mit dem ersten Weltkrieg ihren Höhepunkt. Die Anregungen expressionistischer Künstler sind bis heute nicht ausgeschöpft.

 Bertholt Brecht, Johannes R. Becher, Gottfried Benn, Georg Trakl und andere hatten sowohl in der Zeit vor den beiden Weltkriegen als auch danach ihre Bedeutung und sind bis in unsere Gegenwart bekannt. Ihre literarischen Werke haben wechselhafte Zeiten hindurch bestanden.

 Weniger bekannt hingegen ist Georg Heym, dessen lyrische Arbeit den genannten Dichtern und Literaten in besonderer Weise wichtige Anregungen gab. Georg Heym gilt wegen seines frühen Todes als Vollender des Expressionismus, obwohl er eindeutig der Phase des Frühexpressionismus (1909-1914) zuzurechnen ist.

 Erste Gedichte verfasste er im Jahr 1899. Seit 1904 führte er Tagebücher und brachte im Jahr 1906 zusammen mit seinem Freund Ernst Balcke (1887-1912) die Zeitschrift "Kreißende Sonnen" heraus, in der er auch seine ersten Gedichte veröffentlichte.

 Auf Drängen seines Vaters begann er 1907 widerwillig ein Jurastudium in Würzburg, das er in Berlin und Jena fortsetzte. Er schloss es 1911 mit der ersten Staatsprüfung ab, ließ sich aber nach wenigen Wochen Referendariat freistellen.

 Schon während seines Studiums trat er 1910 dem expressionistischen "Neuen Club" in Berlin bei, wo er in der Veranstaltungsreihe "Neopathetisches Cabaret" seine Gedichte vortrug.

Seit dieser Zeit fühlte Heym sich zur Schriftstellerei berufen und entwickelte durch die Bekanntschaft mit den Schriftstellern Jakob van Hoddis und Erwin Loewenson, die ihm neue Sichtweisen eröffneten, seinen eigenen expressionistischen Schreibstil.

 Zu Heyms Lebzeiten wurde im Jahr 1911 sein erster Gedichtband "Der ewige Tag" von Ernst Rowohlt veröffentlicht, der zugleich als das erste bedeutende Zeugnis des lyrischen Expressionismus gilt.

 Diese Jahre im Leben Georg Heyms waren gedrängt voll von Erschaffenskraft, Leben und innerer Zerrissenheit. So bereitete Heym ein Novellenbuch "Der Dieb"( erschienen 1912) vor, das Geschichten wie "Jonathan", "Der Irre" u. a. enthielt, verliebte sich in Hildegard Krohn, der er einige Gedichte widmete. Er war sich nicht sicher, ob eine Diplomatenlaufbahn als Offizier, als staubiger Jurist oder sich ganz der Schriftstellerei zuzuwenden, das Richtige für ihn sei.

 Zu diesem Gemütszustand passt eine Tagebuchnotiz schon aus dem Jahr 1909, in der es heißt: "Ich liebe alle, die in sich ein zerrissenes Herz haben."[1]

 Georg Heym  galt in den Vortragsabenden des "Neopathetischen Cabarets" bald als wortgewaltiger Verkünder des Neuen in der Welt des Zerfalls. In einer Kritik Hans von Webers im "Zwiebelfisch" [2] hieß es: "Er kann alles das, was die anderen auch können, nur stellenweise noch ein gutes Stück mehr. An der Stelle jedoch, wo bei unsren deutschen Dichterjünglingen sonst nur die bekannte schöne Seele sitzt, da hält Georg Heym einen grinsenden Dämon an der Kette; und Blut und Feuer spritzt er, wo sonst eitel Milch und Honig quillt."[3]

 Heyms Vorliebe für exotische und übernatürliche Themen, die ihre Anlehnung an die neuromantische Schule haben, finden in seinen Prosatexten Ausdruck.

 Darüber hinausgehend macht der sensible Schriftsteller apokalyptische Vorstellungen, dunkle Welten, Untergangsstimmungen und dämonisch wirkende Realität zum poetischen Bild. Das Grauenhafte ist nicht Thema, um es genüsslich auszukosten, sondern um der Absurdität des Daseins, die er im gebildeten Bürgertum der Großstädte sah, einen Spiegel vorzuhalten.

Eckhart Landes, Autor

Literaturhinweise:

[1]Tagebuchnotiz in "Heym, Georg, Dichtungen und Schriften Gesamtausgabe". Herausgegeben von Karl Ludwig Schneider, Verlag C.H. Beck, München

[2] Tagebuchnotiz in "Heym, Georg, Dichtungen und Schriften Gesamtausgabe". Herausgegeben von Karl Ludwig Schneider, Verlag C.H. Beck, München

[3]Verleger war der Münchner Buchkunstverleger Hans von Weber (1872-1924), Herausgeber der ersten beiden Ausgaben war der Schriftsteller Franz Blei, von da an bis 1924 der Verleger selbst.

[4]aus "Am Ufer des blauen Tags", Nina Schneider, Böckel -Verlag Glinde, 2000

 

Biographisches aus "Heym, Georg, Dichtungen und Schriften Gesamtausgabe". Herausgegeben von Karl Ludwig Schneider, Verlag C.H. Beck, München

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