Es war um die Mitte der 90er Jahre, erinnert sich Fred Thurnheim, Präsident des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC), da habe er als Redakteur des Österreichischen Rundfunks (ORF) mit der FAZ eine Kooperation in Sachen Neue Medien anzuleiern versucht. "Die wussten nicht, was das Internet überhaupt ist."

Österreichs Journalismus stand damals dem neuen Medium wesentlich aufgeschlossener gegenüber als der deutsche. Nicht zufälligerweise war die Internet-Ausgabe der Tageszeitung Der Standard, derstandard.at, das erste Internet-Portal einer deutschsprachigen Zeitung.

Mittlerweile haben sich, kritisiert Thurnheim nicht als Einziger, die Verhältnisse verschoben. Österreichs Online-Journalismus sei nicht nur gegenüber dem deutschen ins Hintertreffen geraten, sondern im internationalen Vergleich generell. Das liege allerdings, sagen Brancheninsider, auch an den Rahmenbedingungen. Online-Journalismus wird in Österreich immer noch als zweitrangig gegenüber dem Print-Journalismus gesehen und schlecht entlohnt.

Online-Journalisten gelten als arme Hunde – stressgeplagt, schlecht entlohnt

Die Online-Kräfte gelten als die besonders armen Hunde im sowieso immer größer werdenden Kader des journalistischen Prekariats. Ihr Ruf ist der von schlecht entlohnten, stressgeplagten, rund um die Uhr arbeitenden Arbeitssklaven.

 Nimmt man allein Recherchen bei derstandard.at als Maßstab, müsste dieses Image einigermaßen relativiert werden: Die Online-Redakteure absolvieren dort in gut organisiertem Rahmen 40-Stunden-Wochen mit vereinzelten Wochenend-Diensten.

"Ein Print-Einsteiger", erklärt derstandard.at-Chefin Gerlinde Hinterleitner, "verdient beim Standard nicht mehr als ein Online-Einsteiger. Das Gefälle ergibt sich erst im Vergleich zu Print-Kollegen, die schon lange dabei sind."

Online-Journalisten gelten nicht als Journalisten (sondern als Werber, IT-Kräfte)

Ein einfacher Redakteur in seinem fünften Jahr verdient bei derstandard.at 2500 Euro brutto. Allerdings ist der Online-Standard, der Gewinne schreibt, nach wie vor als eines der medialen Renommier-Portale Österreichs gilt und verhältnismäßig die Printausgabe um ein Vielfaches an Reichweite übertrifft, nicht unbedingt ein repräsentativer Indikator für die durchschnittliche Entlohnung österreichischer Onlinejournalisten. Die meisten müssen sich mit deutlich weniger zufrieden geben.

Hauptmakel an der wirtschaftlichen Misere der Onliner ist, dass deren meiste gar nicht im journalistischen Kollektivvertrag erfasst sind. In der Regel kommen für sie die KVs für IT oder Werbung zur Anwendung.

 "Kollektivvertrag neu" soll Onliner den Print-Journalisten gleichstellen

 Gegenwärtig laufen Verlandlungen zwischen dem Verband Österreicherischer Zeitungsverleger (VÖZ) und der Journalistengewerkschaft um einen "Kollektivvertrag neu", der auch die Online-Journalisten erfasst und besser stellt. Günter Felbermayer, Chef vom Dienst von diepresse.com, dem Portal der Tageszeitung Die Presse, ist in diese Verhandlungen involviert: "Solange für Online-Kräfte nicht der gleiche Kollektivvertrag gilt wie für Print-Redakteure, ist ihr Rang als Journalisten zweiter Klasse regelrecht institutionalisiert."

 "Wiederkäuer" von Agenturmeldungen 

Nicht nur bei der Vergütung ihrer Arbeit, sondern auch in ihrem Ruf als "Wiederkäuer" sehen sich Online-Journalisten ungerecht eingestuft. Zwar betonen sowohl Redaktionsmitglieder von derstandard.at wie auch diepresse.com, dass der Anteil von Eigengeschichten zunehme, aber unbestritten ist, dass der größere Teil des Contents mit Meldungen von Nachrichtenagenturen bestritten wird.

 Und die Ursache solcher "Copy-Paste-Praxis", der Zeitdruck, bleibt das Mysterium des Online-Journalismus. Gerne werden in Debatten um seine weitere Entwicklung die Begriffe "Echtzeit" und "Qualität" gegeneinander ausgespielt: So hatten es etwa bei den Terroranschlägen in Norwegen Meldungen von islamischen Tätern voreilig auf viele Nachrichten- und Zeitungsportale gebracht.

 Input der User hat Einfluss auf die Arbeit des Journalisten

 Gerlinde Hinterleitner sieht daher eine der Kern-Aufgaben des Online-Journalismus in einer maximalen Transparenz der Quellenangabe: "Darzulegen, wie man zu einem Artikel kommt – Quellen, Hinweise von Usern, Erweiterungen – das wird die neue Objektivität werden."

 Denn vom Glauben, mehr zu wissen als sein "Publikum", so Hinterleitner, muss sich der Journalist schon verabschieden: "Der Input der User hat Einfluss auf die Arbeit des Journalisten. Was immer passiert, irgendjemand wird dazu immer mehr wissen als der Journalist. Weil er Experte ist, weil er bei einem Ereignis dabei war – warum auch immer. Der Journalist muss von seinem hohen Ross herunter und zur Kenntnis nehmen, dass er nicht mehr wirklich die Person ist, die die Nachricht,macht‘. Aber er wird die Person sein, die die unterschiedlichen Informationen einordnet. Darauf wird man mehr Wert legen müssen als das bisher der Fall war."

Online-Journalismus: Schlüssel zur multimedialen Zukunft (Bild: Gerd Altmann / Pixelio)

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