Wichtige Lebensstationen Jesu und deren wirkliche Bedeutung

In den ersten drei Kapiteln des Buches untersucht Fabian wichtige Stationen auf dem Lebensweg Jesu, wie sie in der Bibel geschildert werden, und ordnet sie in einen größeren historischen Kontext ein. Hier geht es zunächst um das Rätsel der angeblich jungfräulichen Geburt Jesu. In diesem Zusammenhang verweist Fabian auf andere bedeutende Persönlichkeiten in der Menschheitsgeschichte, denen ebenfalls nachgesagt wurde, dass sie mit göttlicher Hilfe durch eine jungfräuliche Geburt auf die Welt gekommen seien, wie beispielsweise der persische Prophet Zarathustra, der wahrscheinlich zwischen 700 und 600 v. Chr. lebte und der indische Religionsgründer Buddha (ca. 563-483 v.Chr.) Fabian kommt hier zu dem Schluss, dass die Vorstellung eines göttlichen Eingreifens bei der – jungfräulichen - Geburt bedeutender Männer schon lange vor Christus weit verbreitet war und vom aufkommenden Christentum übernommen – man könnte auch sagen: gestohlen - wurde, um mit den anderen Religionen zumindest gleichzuziehen.

Die Taufe und damit die "Entsündigung" Jesu durch Johannes den Täufer, wie sie in der Bibel beschrieben wird, zeigt Fabian zufolge, dass Johannes eigentlich über Jesus stand, was aber schwerlich mit der Gottgleichheit Jesu zu vereinbaren sei. Dazu im Widerspruch stehe auch die Behauptung, dass Johannes Jesu Lehrer gewesen sei. Um diese Widersprüchlichkeit aufzulösen, wurde Johannes in der Bibel, wie Fabian betont, zum Vorläufer und Wegbereiter Jesu kleingeredet. In Wirklichkeit sei Johannes ein eigenständiger Prophet gewesen, der vom Christentum vereinnahmt wurde. In diesem Zusammenhang entlarvt Fabian auch die Legende von der schönen Königstochter Salome, die sich von ihrem Stiefvater König Herodes gewünscht haben soll, ihr den Kopf Johannes des Täufers auf einem Tablett zu bringen, als eine erfundene Märtyrer-Geschichte.

Die Schilderung des sogenannten letzten Abendmahls, das Jesus mit seinen Jüngern gefeiert habe und das die Verwandlung des Brotes und des Weins in Christi Fleisch und Blut beinhalten soll, beruht Fabian zufolge auf zwei historischen Vorlagen, nämlich zum einen auf der Feier des jüdischen Passahmahls, bei dem Gott mit dem Opfern eines Lamms gedankt wird, und zum anderen auf - ziemlich grauslichen - Mysterien, in deren Mittelpunkt der griechische Gott Dionysos stand und die in Griechenland schon 1500 Jahre vor Christus gefeiert wurden. Daran anschließend weist Fabian nach, dass auch christliche Symbole wie das Lamm, genauer: das Opferlamm, die Taube und der Fisch nicht originär sind, sondern es sich dabei um Totemtiere handelt, die ebenfalls bereits in diversen heidnischen Kulturen bedeutsam waren. Fabian folgert daraus, dass neue Religionen, die wie ein Phönix aus der Asche geboren zu sein schienen, in Wahrheit stets auf alten Religionen gründeten oder sogar aus ihnen zusammengesetzt wurden und dass sie zudem uralte Symbole benutzten, denen sie bisweilen neue Bedeutungen gaben.

Etablierte versus geheime Wahrheiten

In den Kapiteln 5 bis 9 geht Fabian der Frage nach, ob uns die - von den Kirchenoberen anerkannten – Evangelien nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes Genaueres über Jesus verraten oder ob wir nicht eher aus den – nicht-anerkannten - apokryphen (geheimen) Evangelien sowie aus den Schriften, die im 20. Jahrhundert in Qumran (Israel) und Nag Hammadi (Ägypten) gefunden wurden, erfahren, wer Jesus Christus wirklich war.

Für Fabian ist der Informationsgehalt der anerkannten Evangelien sehr gering, weil sie offensichtlich nicht von Zeitgenossen Jesu verfasst wurden, sondern erst geraume Zeit nach seinem Tod entstanden sind. Eigentlich seien diese Evangelien nur eine Ansammlung von religiösen Klischees und wurden offensichtlich nur deshalb verfasst, um möglichst viele Menschen zum Christentum zu bekehren oder sie bei der Stange zu halten. Aber auch der Informations- und Wahrheitsgehalt der nicht-anerkannten, geheimen Evangelien, von denen das "Judas-Evangelium" besonderes Aufsehen erregt hat, ist – so Fabian - verschwindend gering, da sie ein widersprüchliches und reichlich konfuses Bild von Jesus Christus zeichnen. Von den apokryphen Evangelien ging also für die christlichen Kirchen und ihr Bild von Jesus Christus keine wirkliche Gefahr aus.

Anders verhält es sich Fabian zufolge mit den Schriften, die als die Schriftrollen vom Toten Meer oder die Qumran-Texte klassifiziert wurden, sowie mit den Schriften, die bei Nag Hammadi entdeckt wurden. So ist in den Qumran-Texten, die ca. 100 Jahre v.Chr. entstanden, bereits von einem Messias die Rede, was für Fabian die Folgerung nahelegt, dass einige Qumran-Texte Vorläufer des Neuen Testaments sind und somit eine Tradition existierte, die nahtlos in das Christentum einmündete, die das Christentum vielleicht erst ermöglichte. Damit aber werde die von den christlichen Kirchen behauptete Einzigartigkeit Jesu in Frage gestellt.

Ähnlich brisant sind für Fabian die 1945 bei Nag Hammadi gefundenen Schriften aus dem 1. und 2. Jahrhundert nach Christus, weil es hier - neben esoterischen und vieldeutigen Texten – auch Schriften gebe, die dem Leser verraten, dass es einst verschiedene Strömungen innerhalb des Christentums gab, die nicht miteinander in Einklang zu bringen waren. Es gab also schon wieder – so Fabian - völlig unterschiedliche Ansichten über Jesus Christus und seine Lehre, so dass auch durch diese Texte die Auffassung in Frage gestellt werde, dass dem Christentum ein unverwechselbares Ereignis zugrundeliege.

Dabei drohte eine wirkliche Erschütterung des Bildes von Jesus und damit des Lehrgebäudes, das die großen Kirchen auf dieser Grundlage errichtet hatten - wie Fabian im letzten Kapitel seines Buchs schildert - durch eine "Gnosis" genannte religiöse Strömung. Dabei habe es sich ursprünglich um ein Geheimwissen gehandelt, dessen Inhalt man sich aber erschließen könne, wenn man sich mit dem Denken und der Lehre des großen griechischen Philosophen Pythagoras 570-510 v. Chr.) - für Fabian eigentlich der Begründer der Philosophie - beschäftigt.

Pythagoras und die Gnostiker

Pythagoras habe seine Anhänger und Schüler zur Übernahme höchster ethischer Maßstäben und Verhaltensweisen angehalten, wobei diese Ethik unter der Überschrift Goldene Verse in die Form eines Gedichts gebracht worden war. Dabei handelt es sich um 71 Lebensregeln, Weisheiten und Ratschläge für ein hochanständiges und glückliches Leben, also insgesamt um einen hochstehenden, ethischen, religiös-philosophischen Verhaltenskodex.

Letztlich erreiche man – wenn man diesen Verhaltenskodex beherzige - Befreiung von den Leiden des Lebens und gelange zu der Erkenntnis, dass man eben kein Körper ist, sondern eine Seele. Aber für Pythagoras sei diese Seele – wie es in den letzten Zeilen der Goldenen Verse heißt - unsterblich und werde immer wieder in einem neuen Körper wiedergeboren. Pythagoras glaubte demzufolge – wie auch der griechische Philosoph Platon – an die Reinkarnation. Damit aber ist – so Fabian – das Geheimnis des Pythagoras und damit auch das der Gnostiker enthüllt. Denn auch die verschiedenen christlichen Bewegungen im 1., 2. und 3. Jahrhundert n.Chr., die später unter dem Begriff "Gnosis" eingeordnet wurden, hätten teilweise die Wiedergeburt gelehrt, wobei sie offensichtlich durch Pythagoras und Platon beeinflusst worden waren.

Eine freie, unsterbliche Seele, die immer wieder in einem neuen Körper wiedergeboren wird, aber muss, wie Fabian betont, in gewissem Sinne selbst als ein Gott betrachtet werden. Der entscheidende Punkt bei der gnostischen Lehre sei also die dem Menschen eigene Göttlichkeit. Aber wenn man aber selber ein Gott sei und immer wiedergeboren werde, brauche man streng genommen keinen Erlösergott, so dass eine - abgehobene – Göttlichkeit Jesu überflüssig werde. Für Fabian ist es daher kein Wunder, dass die Gnostiker von der sich formierenden christlichen Großkirche erbittert bekämpft wurden. Am Ende habe zwar die christliche Großkirche den Kampf gewonnen und den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele sowie die Seelenwanderung durch die Paradies- und Höllentheologie ersetzt. Aber insgeheim habe die Lehre von der Wiedergeburt bis heute überlebt.

Was die Person Jesus Christus betrifft, so handelt es sich dabei für Fabian um eine Kunstfigur, die aus verschiedenen indischen, ägyptischen, persischen, jüdischen, griechischen und römischen Vorstellungen zusammengebastelt wurde. Das ganze Leben des Jesus Christus sei ein Sammelsurium vormaliger Legenden, die es zu 99 Prozent in früheren Religionen gegeben hätte. Überdies habe es vor und nach Jesus Christus zahlreiche Heilsgestalten gegeben, die eine verdächtige Ähnlichkeit mit dem Jesus des Neuen Testaments hätten.

Was mir an dem Buch gefallen hat

Das besondere Verdienst des Buchs von Fabian über Jesus Christus ist für mich, dass er offengelegt hat, dass die Entwicklung des Christentums zu einer mit den weltlichen Herrschern verbündeten Großkirche nicht "alternativlos" war, sondern dass es mit den Gnostikern Strömungen im frühen Christentum gab, deren Lehre, nämlich der Glaube an die Reinkarnation, also an die Unsterblichkeit der menschlichen Seele und damit die jedem Menschen eigene Göttlichkeit, der Ausbildung institutioneller kirchlicher Strukturen mit diversen Amtsträgern entgegenstand.

Hätten sich diese Strömungen im frühen Christentum durchgesetzt – diese Folgerung liegt hier nahe – wäre es vermutlich niemals zur Ausbildung eines kirchlichen Machtapparates gekommen, der, wenn es um die Durchsetzung eigener Interessen ging, ebenso skrupellos agierte wie die weltlichen Despoten, so dass von den genuin christlichen Werten nichts übrig blieb. Dabei haben die "kirchlichen Würdenträger" zur Abstützung ihrer Herrschaftsansprüche den Eindruck erweckt, das Christentum sei sozusagen "vom Himmel gefallen".

Demgegenüber weist Fabian nach, dass das Christentum eigentlich eine Mixtur vorchristlicher, also heidnischer Vorstellungen, Sitten und Gebräuche darstellt, dass also die Entstehung des Christentums nicht auf ein einzigartiges Ereignis wie Christi Geburt zurückzuführen ist.

Was mir an dem Buch nicht gefallen hat

Bei aller berechtigten Kritik schüttet Fabian allerdings "das Kind mit dem Bade aus", wenn er aus der Beobachtung, dass die "Kirchenfürsten" Jesus Christus für ihre Zwecke instrumentalisiert haben, folgert, Jesus Christus habe es als Person nie gegeben, er sei eine von den Betreffenden zurechtgezimmerte Kunstfigur gewesen.

Problematisch ist für mich auch, dass Fabian Jesus mit anderen Personen, die von ihren Anhängern und Bewunderern als "Heilsbringer" verehrt wurden, sozusagen "in einen Topf wirft". Denn bei diesen Messias-Gestalten hat es sich zum Teil um recht dubiose Figuren, wenn nicht sogar Betrüger gehandelt, die zurecht in Vergessenheit geraten sind, während sich heute, also 2000 Jahre nach seiner Geburt, über 2 Milliarden Menschen zum Glauben an Jesus Christus bekennen. Ich glaube kaum, dass sich so ein Glaube allein auf kirchliche Indoktrination zurückführen lässt.

 

Fazit

Kennen wir also nach der Lektüre des Buches die Wahrheit über Jesus Christus? Hat Fabian uns darüber aufgeklärt, was uns bis heute verschwiegen wurde? Ich würde sagen: Ja. Aber diese Wahrheit sieht für mich anders aus als die Wahrheit, die Fabian vorschwebt. Denn das, was Fabian in seinem Buch berichtet hat über die Wurzeln des Christentums sowie über die gnostischen Strömungen im frühen Christentum, legt für mich die Schlussfolgerung nahe, dass Jesus Christus selbst Gnostiker war und zwar der bedeutendste, der jemals gelebt hat.

Das heißt: Genau genommen heißt Gnosis "Erkenntnis Gottes". Aber daraus folgt wiederum, dass der Glaube an Gott auf eigener innerlicher Erfahrung des Heiligen Geistes beruht und deshalb keine Institution zur Vermittlung benötigt. Und als Jesus seine Lehre verkündete und dabei von einem "Reich, nicht von dieser Welt", sprach, meinte er diese Erfahrung der inneren Einheit mit dem "Vater", mit dem Heiligen Geist. Damit aber stellte er für das traditionelle Judentum die bestehende Ordnung infrage und wurde so zu einer Bedrohung. Der "Großkirchen-Jesus" ist also in der Tat ein Phantasieprodukt. Schon diese Begrifflichkeit ist ein Widerspruch in sich. Aber den Jesus, der das Judentum erneuern wollte und das mit seinem Leben bezahlt hat, den hat es als reale Person gegeben. (S. dazu auch: https://www.rosenkreuz.de/index.php/artikel/die-fruehen-gnostiker).

 

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