Worum geht's in diesem Roman?

Die Künstlerin Stella hat bereits mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich, die zu unterschiedlichen Diagnosen führe, wobei sie sich mit der letzten, Borderline-Syndrom, völlig identifizieren kann, wegen ihrer Assoziation mit Grenzüberschreitungen und dem Ausbrechen aus engen Grenzen. Ihr Bericht von psychiatrischen und therapeutischen Erfahrungen ist manchmal lapidar, manchmal rebellisch, dann wieder grüblerisch und gelegentlich sogar weise.

 

Aufgrund ihrer Lebensgeschichte und als noch nicht sehr erfolgreiche Malerin sieht sich Stella als gesellschaftliche Außenseiterin, kann dieser prekären Situation aber durchaus Positives abgewinnen, frei nach dem Motto: Nur, wer aus sämtlichen Rahmen gefallen ist, kann das ganze Bild sehen, anders als diejenigen, die im Bild gefangen sind.

 

Allmählich verlagert sich Stellas Aufmerksamkeit auf die Beziehung zu Aliena, ihrer unsichtbare Spielgefährtin aus Kindertagen. Inzwischen hat die Malerin zu dieser Freundin eine zwiespältige Einstellung. Einerseits verdankt sie ihr kreative Inspirationen, andererseits macht es sie neidisch, wenn ihre Komplementärfrau in Träumen ihre mühelose Kreativität vorführt, während Stella sich mit den Problemen der materiellen Welt herumschlägt, ob es dabei nun um ihre finanzielle Situation geht oder um künstlerische Techniken.

 

Angesichts dieses scheinbaren Wetteiferns schlägt Stellas Neid schließlich um in heftigen Zorn, der in den Plan mündet, die einstige Spielgefährtin in ein Bild zu verbannen. Doch als dieses Bann-Bild fertig ist, fordert sie, verärgert über einen Patzer beim Malen, ihr Alter ego auf: "Komm doch und tausch mit mir!"

 

Im Epilog wird von den Folgen dieses vermeintlichen Tausches erzählt, der für eine Verschmelzung steht mit dem, was in spiritueller Literatur oft als Höheres selbst bezeichnet wird. in einer esoterischen Episode geht Stella allerdings nicht besonders schmeichelhaft mit diesem Thema um. Letztlich bleibt die Aufforderung zum Tausch und was sich daraus entwickelt für vielerlei Deutungen offen.

 

Der Roman ist erschienen bei Epubli

als Druckversion ISBN 978-3-8442-2648-5

und als E-Book ISBN 978-3-8442-2649-2

 

Was der Autorin geschah

Als ich im Frühjahr damit beschäftigt war, meinen jetzt vorliegenden Roman "Ein Fall von Borderline" für die Veröffentlichung vorzubereiten, da landete ich statt am Computer im Krankenhaus. Der Herzinfarkt, der mich dorthin verfrachtet hatte, schien von glimpflichem Verlauf — wäre da nicht die sensible Reaktion meines Körpers auf Medikamente jeder Art. Unmittelbar auf den überstandenen Infarkt folgte eine Hirnblutung – und die wiederum wirkte auf das Sprachzentrum — Aphasie!

Ich war nicht mehr in der Lage, einen vollständigen Satz zu artikulieren, ich war nicht mehr fähig, geschriebene Wörter in gesprochene Sprache zu verwandeln.

Ein Arzt teilte meiner Schwester mit, dass er die Chancen auf Verbesserung dieses Zustandes sehr gerin einschätzte.

 

Doch nachdem in einer Spezialklinik fast alle Medikamente abgesetzt worden waren, kehrte… langsam und allmähliche... die Sprache zurück. Der mündliche Ausdruck machte mir immer dann am wenigsten Probleme, wenn ich einfach sagen wollte, was mir gerade in den Sinn kam — was so weit ging, dass Freunde und Verwandte bei Besuchen oder Telefonanrufen ihre Freute zum Ausdruck brachten, weil ich schon wieder sehr "normal" klang. Wenn ich aber als Antwort auf eine Frage nach einem ganz bestimmten Wort suchte — dann schienen sich die Wörter beharrlich zu verstecken. Geradezu niederschmetternd waren meine Abstecher in den Park der Klinik: So viele Pflanzen in voller Blüte — für mich jedoch waren sie wie das wiedersehen mit alten Bekannten, deren Namen mir partout nicht einfallen wollte.

Mein besonderer Dank gilt den Sprachtherapeuten, die mir Mut machten mit der Versicherung, dass mir die Sprache nicht etwa weitgehend abhanden gekommen sei, sondern dass es jetzt zunächst um eine neue Art des "Aufspürens" gehe.

So manches Mal staunte ich über mich selbst, wenn ich vor Freude strahlte, weil mir ein gesuchtes Wort wieder eingefallen war.

Mich freuen, weil in dieser Ödnis das eine oder andere Wort wieder auftaucht? Ja, ich freute mich über solche kleinen Fortschritte, aber ich tat noch mehr: Ich griff mir eine Zeitschrift mit einem substanziellen Text, wobei anfänglich schon die Überschriften erhebliche Probleme bereiteten. Ich machte mir Notizen in einer Kladde, ohne mich durch die massenhaften Schreibfehler demotivieren zu lassen — denn wie soll ich mich wieder in etwas üben, wenn ich es nicht praktiziere?

Auf die Zeitschrift folgte ein Krimi, in der Sprachtherapie folgten rasante Fortschritte.

 

Inzwischen bin ich längst wieder zu Hause, und als ich das erste Mal wieder vor meinem Computer saß, war das, als müsste ich Erinnerungen aus uralter Zeit aktivieren: Wie funktioniert dies, wie geht denn das noch?

Und immer noch neige ich beim Schreiben dazu, Buchstaben zu verwechseln: B statt P oder umgekehrt, U statt O... Und wenn auch weniger häufig und massiv — die Wörter treiben immer noch ihr Versteckspiel mit mir.

Da ist es gut, dass andere Menschen wechselweise meine rasanten Wortschritte bestaunen — oder mich zu Geduld mit mir selbst ermahnen.

Textprobe - Gut, seine Teufel zu kennen

Geschafft. Nicht nur mein Job ist für heute überstanden — ich selbst bin auch fix und fertig, ganz besonders meine Füße. Heute war so viel los, dass mir nicht mal Zeit blieb, mich zwischendurch an der Salat-Bar zu bedienen. Als ich mich vor meiner extra großen Portion Hühnerbrust mit Fenchel und Reis niederlasse, fühle ich mich zu erschöpft zum Essen. Das einzige, was ich in diesem Moment genieße, ist der Kontakt von Hintern mit Sitzfläche.

"Was denn — keinen Appetit?" fragt Elli mit vollem Mund. "Dir müsste doch schon längst der Magen knurren."

"Ja, wie ein Panther."

Sie lässt ihre Gabel sinken, auf der sie ein Stück von ihrem Steak aufgespießt hat, und schüttelt den Kopf. "Was dir immer für Vergleiche einfallen."

"Vielleicht, weil ich heute mal wieder ein Bild verkauft habe."

Was der Panther mit dem Bild zu tun hat, scheint Elli nicht zu interessieren — sie hat etwas ganz anderes im Sinn: "Hey, da könnten wir doch endlich mal zusammen shoppen gehen! Du wolltest dir doch schon längst ein paar neue Treter gönnen."

Jetzt bin ich dran mit Kopfschütteln: "Erstmal muss ich die Vorräte in meiner Küchen ein bisschen aufstocken. Und was dann noch bleibt, brauche ich für Material."

"Also, wenn ich so leben müsste wie du, würde ich verrückt werden."

Auch wenn mir klar ist, dass Elli nur das Leben am Geldlimit meint, kann ich vor Lachen kaum antworten: "Verrückt bin ich schon. Davor brauche ich also keine Angst mehr zu haben."

Mein Gelächter hat eine positive Nebenwirkung: Wie eine frische Dusche spült es sämtliche Anspannung dieses Tages fort, und ich kann die Hühnerbrust genießen.

Die Art, wie mich meine bodenständige Kollegin beäugt, wirkt zwar wie eine Bestätigung meiner Aussage, doch ihr Kommentar ist das genaue Gegenteil: "Du magst ja manchmal sonderbare Einfälle haben aber eigentlich kommst du mir ziemlich gesund vor. Mal abgesehen davon, dass du dich zu sehr einschränkst, deiner Kunst zu Liebe."

 

Tatsächlich hab' ich's sozusagen mit Brief und Siegel, in Form von Entlassungsgutachten aus der Psychiatrie. Aber wenn ich auch keinen schweren Ballast von felsenfesten Meinungen durch's Leben schleppe — von einer Sache bin ich überzeugt: Es ist gut, seine Teufel zu kennen. Wer vor ihnen die Augen zusammen kneift, sieht ja gar nicht, wie sehr sie das eigene Leben bestimmen. Wenn ich mich so umschaue, kommen mir die angeblichen Normalos dieser Welt (ein-schließlich VIPs, ob nun Stars oder Politiker) gestörter vor als ich. Würde man sie darauf aufmerksam machen — bestimmt wären sie zutiefst beleidigt. Und wenn ich schon beim Teufel bin: Nun... da sie weiblich ist, würde vielleicht Hexe besser passen? Die Hexe meiner Kindheit war definitiv meine Mutter. Nicht etwa eine dieser Märchenfeen, die mit einem Schwung ihres Zauberstabs einen Kürbis in eine Kutsche verwandeln können und einen Schmerz oder eine Furcht durch ein sanftes Lied zum Verschwinden bringen. Die wirkungsvolle schwarze Magie meiner Mutter bestand in ständigem Sich-Sorgen — und nicht etwa stillschweigend. Auf diese Weise gab sie sich redlich Mühe, all ihre eigenen Ängste in mich hinein zu stopfen. Klar, später blieb mir gar nichts anderes übrig, als ihr zu verzeihen. Allerdings noch nicht, als ich kapiert habe, dass diese Angst-Mästerei tatsächlich gut gemeint war, sondern erst, als ich verstand, dass das Weiterreichen ihre einzige Methode ist, um mit ihrem eigenen Kram klarzukommen. Ihre am meisten gehätschelte Überzeugung sieht offenbar so aus: Angst, und zwar in möglichst hoher Dosierung (vor Männern, dem eigenen Körper, davor, zur Zielscheibe von Klatsch und Tratsch zu werden, und so weiter und so fort...) ist genau das, was ein junger Mensch braucht, um für den Ansturm des Lebens gerüstet zu sein. Wenn du ständig das Schlimmste erwartest, kannst du nicht überrumpelt oder enttäuscht werden. Und doch habe ich es geschafft, sie zu enttäuschen.

frida, am 28.08.2012
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Bildquelle:
W. Zeckai (Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)
dco-Verlag (Rezension: Wenn dich jemand sieht)

Autor seit 12 Jahren
16 Seiten
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