Die Rezepte eines Erfolges - Siegeszug durch Mundpropaganda einer Online-Story

Der Hype um dieses Buch, genauer eine Trilogie, ist gewaltig: Weltweit Millionen, in Deutschland bereits über 500.000 verkaufte Exemplare bisher, Schlangen vor den Veranstaltungsorten mit Lesungen der Autorin, jetzt auch ein Hörbuch, eine Dvd, ein E-Book selbstverständlich, bereits ein Hollywood-Film, Platz 1 auf divrsen Bestsellerlisten sowieso. Als originellen Nebeneffekt verzeichnen entsprechende Anbieter einschlie0ßlich kreativer Baumärkte gestiegene Umsatzzahlen bei den Sado-Maso-Spielgeräten von Fesseln, Paddeln und Peitschen etwa!

Man könnte neidisch werden, gerade als Autorin selbst. Aber man könnte auch Hoffnung schöpfen, was das Marketing angeht, denn dieses Werk verdankt seinen Anfangserfolg nicht etwa einem Riesenwerbefeldzug eines großen Verlages, der Prominenz eines Autors, einem Literaturpreis gar, nein, die Autorin E L James ging andere Wege. Was wir gerne hören: 

  • Die Autorin stellte zunächst eine frühere Version als Fortsetzungsgeschichte mit etwas anderen Figuren unter dem Titel "Master of the Universe" ins Netz. Sie gebrauchte dabei das schöne Pseudonym Snowqueen 's Icedragon.
  • Dann veröffentlichte sie 2011 die Originalausgabe in einem kleinen australischen Verlag, The Writer's Coffeeshop Publishing House.
  • Und dann setzte eine ungeheuerliche Mundpropaganda unter Frauen ein. Die renommierte Neue Zürcher Zeitung etwa schrieb: "Ob im Fitnesscenter, beim Coiffeur oder am Rande des Elternabends - Frauen plaudern über Anastasia Steeles,Red room of pain'-Erfahrungen schon fast so ungezwungen wie einst über die Paarungs-Panik in,Sex and the City'"
  • So lohnte es sich, es in England unter einer eigenen gegründeten Firma Fifty Shades Limited zu veröffentlichen.
  • In Deutschland erwarb 2012 der Goldmann Verlag die Rechte und konnte bereits die achte (!) Auflage auf den Markt werfen.

Dieser Wirbel war mir persönlich erst einmal so verdächtig, dass ich mir schwor, das Buch nicht zu kaufen und zu lesen. Aber man soll nie "nie" sagen! Kam doch neulich eine Freundin damit an, die es auf einem Urlaubsflug mitgenommen hatte, knallte es mir auf den Schreibtisch mit glühenden Wangen und empfahl es mir so ausdrücklich, dass ich es natürlich nicht ablehnen konnte. Und ich gebe es zu: Ich habe es nicht ungern gelesen. Schießlich mache ich gerne mal eine Pause mit Trivialliteratur. Auf dem Gymnasium habe ich gegen Ende eines Schuljahres immer drei damals sogenannte "Schundheftchen" gelesen - einfach so zum Ausgleich.

Das Buch, über das alle reden

Das Buch, über das alle reden (Bild: El James)

Von Entjungferung bis Sado-Maso - Zum Inhalt

Anastasia Steele,die "Heldin" des 602 Seiten starken Romans ist eine Collegestudentin, die englische Literatur studiert. Sie ist 21 und noch immer Jungfrau! Eigentlich sehr erstaunlich im zeitgenössischen Amerika, genauer gesagt, in Seattle und Vancouver, in denen hauptsächlich die Handlung spielt. Sie legt nicht sehr viel Wert auf ihr Äußeres, im Gegensatz zu ihrer Kommilitonin und Mitbewohnerin Kate und sie hat mit Männern erstmal nichts am Hut trotz zweier attraktiver Verehrer. Nun ist sie nicht etwa lesbisch, sondern wartet auf die große Liebe. Die begegnet ihr in Gestalt des wunderschönen, überaus reichen Christian Grey, den sie anstelle von Kate für die Studentenzeitung interviewt. Der Adonis und Herrscher über ein Neue-Medien-Imperium hat ebenfalls ein Auge auf sie geworfen.

Er ist zwar erst schockiert über ihre Jungfräulichkeit, aber Anastasia kann eigentlich nichts Besseres passieren, als von einem erfahrenen Liebhaber in die Welt der körperlichen Liebe eingeführt zu werden anstelle des üblichen Collegedesasters auf diesem Gebiet. Das ist aber beileibe nicht alles. Grey ist Sado-Maso-Anhänger, hat in seinem Hochhaus eine eigene Folterkammer und will sie zu seiner Sexsklavin machen. Dazu soll sie sich vertraglich verpflichten. Der seitenweise Abdruck dieses Vertrages und Anastasias wiederum seitenweise Korrekturen im Buch entbehren nicht einer gewissen Komik, das nur nebenbei.

Sie läßt sich auch bereits zweimal verhauen von Christian, merkt aber, dass dies trotz anschließendem extremen Sex und ebensolchen Gefühlen, nichts für sie ist - will sie doch die emanzipierte selbständige Amerikanerin geben. Schlimmer, sie will ihn, wie er es nennt, zu "Blümchen- und Herzchensex" bekehren. Am Ende des ersten Bandes nimmt sie tränenreich Abschied von ihm. Dass Frauen es aber auch nicht lassen können, Männer umerziehen zu wollen!

Aber liebe Leserinnen vor allem: Es gibt ja noch zwei Bände. Da geht es dann auch um Intrigen und Enthüllungen vor allem von Christians Grey "dunkler Vergangenheit", die ihn so zum Sadisten machte. Und so viel sei verraten, nachdem ich mich auch durch diese beiden dicken Bände, wieder ausgeliehen natürlich von der Freundin, arbeitete: Es gibt ein bisschen Prise von einem Krimi und am Schluss ein traditionelles Happy-End!

Britin, Mutter, TV-Angestellte - Zur Autorin

Obwohl das Buch zuerst in Australien erschien, ist E L James (vielleicht wieder ein Pseudonym?) Britin. Sie ist Mutter von zwei Kindern und war bis vor kurzem - jetzt hat sie es nicht mehr nötig und auch keine Zeit dazu! - Angestellte eines TV-Senders in London, die in einem der grünen Vororte der Hauptstadt lebt. Von frühester Jugend an hatte sie immer geträumt, "einen Roman zu schreiben, über den die Leute sprechen." E L James

Das ist ihr jetzt gelungen. Seit Januar 2012 habe sich ihr Leben radikal geändert, schreibt sie in ihrer Homepage. Die ist übrigens supertoll designed - eine echte Anregung! Mit Blog, Fanseite und Dialogen, oft künstlerisch in schwarz-weiß. Lange keine so professionelle und ästhetische Autoren-Webseite gesehen, meine eigene eingeschlossen! Inzwischen arbeitet sie nach eigener Aussage an einem neuen provokanten Roman für Erwachsene.

Kommentar

Das Buch liest sich wirklich gut, ich habe es zum Teil verschlungen. Abstoßend fand ich es nie, da gibt es ganz andere Kaliber. Und bei manchen Szenen empfiehlt es sich wirklich, den Partner gleich zur Verfügung neben sich zu haben. Männer finden es aus dem Grund schon gut! Es liest sich deshalb auch flüssig, weil es fast nur aus Dialogen besteht, darunter auch einer Art von inneren Monologen der Autorin, die sich selbst kommentiert, es ihr Unterbewusstsein nennt, aber es hat beileibe nichts mit Unterbewusstsein zu tun. Eher kann man es "Zwei Seelen schlagen ach in meiner Brust" nennen, weil die eine es gut findet, was Grey mit ihr macht, die andere sich dafür schilt. Und dann gibt es noch so eine esoterische "Göttin" in ihr. Damit konnte ich nun mal gar nichts anfangen.

Nervig ist die immer gleiche Wortwahl bei der immer ständig sich wiederholenden Beschreibung der schönen Äußerlichkeit von Christian Grey. Und natürlich hat man Assoziationen zu Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Grey", noch dazu, wenn die Heldin englische Literatur liest. Doch es mutet mich an, als hätte die Autorin längere Pausen zwischen den einzelnen Kapiteln eingeschoben und sich nicht mehr erinnert, wie oft sie den "Helden" schon ähnlich beschrieben hatte mit seinen nackten Füßen in einer alten Jeans und seinen roten (!) Haaren, durch die er sich immer wieder mit seinen schlanken Fingern fährt. Bisher galten rothaarige Frauen zwar als Sexidol, rothaarige Männer weniger. Na, die werden sich freuen über diese Lobby.

Ob der Schreibstil gut ist, läßt sich bei der praktischen Dialogform eigentlich schlecht beurteilen. Praktisch auch gleich für Hollywood, dort hat man dann weniger Arbeit mit dem Drehbuch.

Trilogie

 

 

 

 

 

Bildnachweis: Goldmann Verlag, mit freundlicher Genehmigung

Michael Lienestar c/o Homepage E L James, Amazon

 

Arlequina, am 12.11.2012
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