Aus der Sicht eines Alles-Essers

Vegetarisch ist ja gerade noch so akzeptabel für Alles-Esser. Es ist gesund und der Figur tut es auch gut. Allerdings soll es Mangelerscheinungen geben – und das macht krank. Die toleranten Alles-Esser fragen vegetarisch lebende Freunde oder schauen im Internet nach, um dort zu erfahren, dass besagte Mangelerscheinungen mittlerweile durchaus in den Bereich der Gerüchte gehören. Es hängt von den Vegetariern ab, ob sie einfach nur das Fleisch weglassen oder aber sich vorher genau über das informieren, was sie tun, und daher wissen, wie sie diese Mangelerscheinungen mit bestimmten Pflanzen ausgleichen können. An dieser Stelle könnte als lediglich eine von vielen Möglichkeiten Quinoa erwähnt werden.

Im Gegensatz zu den Vegetariern ernähren sich Veganer ausschließlich von Pflanzen. So sind beispielsweise weder Eier noch Milch erlaubt. Spätestens das jagt dem Alles-Esser, aber auch so manchen Vegetariern Schauer des Entsetzens über den Rücken. Veganer werden meist genau gemustert, ob sie blasser sind oder anders aussehen. Gern wird zudem die Frage gestellt, ob das mit Esoterik zu tun hat. Oder so. Die Lebensweise von Veganern bezieht zusätzlich andere Lebensbereiche ein. So werden Waren aus echtem Leder oder Kosmetika von Firmen abgelehnt, die Tierversuche praktizieren.

Während es bei vielen Vegetariern allein um die eigene Gesundheit und allenfalls noch den Tierschutz geht,  legen Veganer ihr Augenmerk auf den ethischen Gesichtspunkt ihrer Entscheidung – bis hin zu den tatsächlich belegbaren ökologischen Auswirkungen der Massentierhaltung auf den Planeten Erde. Kein Wunder also, dass Veganer oftmals als militant wahrgenommen werden, denn viele Menschen, die darüber zum ersten Mal Details hören, fühlen sich schnell schuldig, obwohl ihnen niemand etwas vorwirft, sondern einfach nur, weil sie die Dinge womöglich zum ersten Mal aus einer anderen Perspektive betrachten.

Aus der Sicht eines Veganers

Wer will schon ständig begründen müssen, warum er was isst? Das ist die Lebenswirklichkeit von Veganern. Zunehmend anerkannter als Lebensform, ist es dennoch nicht so leicht, diese in der Praxis umzusetzen. Wenn Veganer zum Beispiel im ländlichen Raum spontan einen Restaurantbesuch einschieben möchten, finden sie oftmals keine entsprechende Infrastruktur für ihre Unternehmung vor.

"Wie jetzt? Also wir haben nur das Joghurt-Dressing!", heißt es dann lautstark und mit völlig perplexer Miene, um dann zum Tresen des gutbürgerlichen Restaurants zu rufen: "Du, Chef, hier will jemand den Salat ohne Dressing – geht das überhaupt wegen Preis und so?" Das erinnert ein wenig an die Supermarktkassiererin, die vor dem errötenden Kunden ihrer Kollegin irgendwo hinten im Laden die Frage zubrüllt, wie teuer denn die Kondome seien.

Oft wird der Veganer gefragt, ob er denn nun nie wieder Schokolade essen dürfe, während die Veganerin erst gar nicht darauf angesprochen wird, ob sie überhaupt einen Kinderwunsch hat, sondern gleich zur Verantwortung dafür gezogen wird, dass sie im Falle einer Schwangerschaft ja ihrem Kind schaden würde.

Sommerfrühstück / Foto: Katrin AsmussWenn sich nicht vegane Menschen allerdings wirklich für die rein pflanzliche Lebensform interessieren, dann erhalten sie viele Informationen darüber, von denen der Großteil so etliche Neuigkeiten selbst für die sehr gut Allgemeingebildeten bereit hält. Und genau hier liegt der Unterschied zwischen den militanten und den toleranten Veganern. Klar, dass letzterer andere akzeptiert, wenn sie sich ein Steak essen oder einen Kakao trinken. Zuerst erkennt man es jedoch an der Art der Erklärung, denn diese ist sehr kurz. Man kann das getrost als Teaser betrachten, den zusammenfassenden Teil über dem Zeitungsartikel. Wer dann weiter fragt, erfährt Stück für Stück immer mehr, je nachdem ob weitere Nachfragen kommen. Eine der kürzesten Bemerkungen einer Veganerin: "Ich esse alles, was du auch isst. Ich lasse nur die Kuh weg."

Die Militanten ballern dem Fragenden gleich die komplette Philosophie um die Ohren, um nach oder während dieser Ewigkeit gern strategisch günstige und wohl dosierte strafende bis angeekelte Blicke auf den Teller des Vegetariers oder Alles-Essers abzufeuern.

Alles-Esser, Vegetarier und Veganer an einem Tisch

Es geht nicht um das Essen, sondern um die Menschen. Es gibt einerseits viele, die Vegetariern oder Veganern das aus eigener Sicht gesündere Leben mit Fleisch einhämmern möchten und andererseits versuchen so mache Vegetarier oder Veganer wiederum, den Alles-Essern deren Nahrung aus dem Mund zu ekeln. Meistenteils gehen jedoch Kollegen oder Freunde, die diesbezüglich unterschiedliche Lebensweisen pflegen, nach wie vor gemeinsam zum Essen, ohne das ständig in epischer Breite thematisieren zu müssen.

Es liegt –wie bei den Religionen, der sexuellen Orientierung und vielen anderen Bereichen des Lebens– wieder einmal mehr an den Menschen selbst, ob sie andere zu ihren eigenen Werten bekehren oder diese anderen Menschen als Gesetz aufnötigen wollen oder nicht. 

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