Dem Alltag entfliehen

Hier möchte ich bleiben. Hier an diesem Ort, an dem ich die Vorstellung eines Paradieses zu erahnen wähne. Rief mich eine glückliche Vorsehung zu diesem zauberhaften Fleckchen Erde?

Die verlockende Aussicht, behagliche Zeiten in der Oase des ewigen Frühlings zu erleben, gibt mir ein wohliges Gefühl. Ich lehne mich zurück in den Sand und die Wärme lässt mich sanft in einen leichten Schlaf trudeln.

Das Klangspiel der Meereswellen dringt geräuschvoll in meine Ohren und begleitet meine Träume. Sie tragen mich in die Ferne zu den gigantischen Felsen der kargen Insel. Ich sitze auf einem der von der Natur geformten Steine. Die Schönheit der Aussicht raubt mir den Atem. So fühlt sich Freiheit an, denke ich. Verschmolzen mit der Weite des Meeres, dem unendlichen Horizont und einem kräftigen Wind, der mich glauben lässt, ich könnte meine Arme ausbreiten und mit ihm davonfliegen.



 

Traum oder Wirklichkeit? Die Konturen verwischen

Doch ich bleibe sitzen und schaue hinunter. Ich beobachte, wie die salzige Brandung mit unbezähmbarer Kraft die schwarzen Steine umspült, die wie Stalagmiten aus dem Meer ragen, um sich dann wieder mit ihrer weißen, schaumigen Krone in das Blau des Meeres zurückzuziehen.

Die zerklüfteten Steine ritzen meine Haut. Ungeachtet dessen rühre ich mich nicht von der Stelle, sondern hefte meine Augen an dieses einzigartige Naturschauspiel. Die Beharrlichkeit des aufpeitschenden Wassers, welches sich ebenso kraftvoll wie unabhängig seinen Weg sucht, hält mich in ihrem Bann. Krachende Wellen scheinen nach mir zu rufen, mich aufsaugen zu wollen. Völlig unerwartet sehne ich mich plötzlich nach den Tiefen des Ozeans.

Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, klettere ich über raues Gestein hinauf zum Gipfel der Klippe und springe in das schwarzblau schimmernde Wasser. Quälend lange Sekunden verschlingt mich das aufbrausende Meer. Bedrohlich laut dröhnen Wellen, die fortwährend an die Felswand schlagen. Von Panik ergriffen, rudere ich mit den Armen, schnappe nach Luft. Doch statt dessen spüre ich salziges Wasser in meiner Lunge.

 



 

Ende der Träumerei mit Folgen

Mein Hals kratzt. Heftiges Husten reißt mich aus meinen Träumen, die mich viel zu lange wie ein Sandwich in der prallen Sonne schmoren ließen. Wie konnte ich nur so dumm sein, mich in die Mittagsglut zu legen und fest einzuschlafen?

Mein Bemühen, mich aus dem immer noch warmen Sand zu erheben und aufzustehen, scheitert kläglich. Mir ist schwindlig. Meine Beine fühlen sich wie Pudding an, gleichzeitig geben meine Knie nach. Der Boden kommt näher. Wie ein nasser Mehlsack plumpse ich in den Sand. Helle Punkte blitzen vor meinen Augen. Sie drehen sich im Kreis. Mein Herzschlag hämmert in meinen Ohren. Mir wird übel, bevor mich eine wohltuende Dunkelheit kurzfristig erlöst.

Erst als mir ein kaltes, nasses Tuch auf die Stirn gelegt wird, kehren meine Sinne allmählich zurück. Aus großen 2 Liter Flaschen läuft kaltes Wasser über meine Pulsadern. "Um das aufgeheizte Blut zu kühlen", erklären die beherzten Männer von der Strandwacht. Sie kümmern sich rührend um mich, doch nicht ohne mich auf die gefährliche Kraft der Sonne hinzuweisen. Nachdem die Männer meine Badesachen in die Strandtasche verstaut hatten, geleiten sie mich zurück zum Hotel. Glücklicherweise ist es nicht weit, sondern nur ein paar Schritte über die Promenade.

 

Dummheit schützt vor Strafe nicht

Der erste Urlaubstag in meinem Märchenland! Das fängt ja gut an. Doch Dummheit schützt vor Strafe nicht. Weshalb musste ich mich auch in die pralle Mittagssonne legen und dann auch noch einschlafen? Was sich anfangs so wohlig anfühlte, endete mit einem bösen Erwachen. Statt den ersten Abend mit Flamenco und Sangria zu genießen, verbringe ich nun die Abendstunden im Hotelzimmer.

Mit feuchten Tüchern bedecke ich meine sonnenverbrannte Haut. Meine Stirn kühlt eine Kältekompresse. Die Vorhänge habe ich geschlossen, im Zimmer ist es dunkel. Obwohl mein Körper glüht wie ein heißer Lavastein beginne ich zu frösteln. Ich werde wohl noch eine Weile brauchen, mich von den Folgen des Sonnenstichs zu erholen. Dabei habe ich noch großes Glück gehabt, denn es hätte noch viel schlimmer kommen können.



 

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