Buchbesprechung

Ein Mensch zieht sich aus.

Warum tut er das? Weil er sich exhibitionieren will? Manchmal. Das ist dann unangenehm für den Betrachter, denn da wird in Tagebuchmanier voller Selbstmitleid bejammert, wie tragisch das Leben ist, wie schlecht man weggekommen ist. Es wird ein Fähnchen der Tapferkeit dem Leser entgegengehalten und Bewunderung fürs schlimme Schicksal erheischt.

 

Ulrike Jansen zieht sich aus.

Warum tut sie das? Weil sie eine großartige Person ist und damit anderen beweist, dass das Leben großartig sein kann, wenn man überlebt hat, was im Allgemeinen zur Traumatisierung und Abtötung der Seele führt. Oft überaus humorvoll, nie selbstmitleidig, berichtet die Autorin davon, wie es ist, als Baby "weggeworfen" zu werden, wie es ist, in der Lieblosigkeit, der Übergriffigkeit eines Heims aufzuwachsen. Und in diesem Fall ist die Großmutter eindeutig der Wolf, denn diese Person hat das Baby Ulrike der jungen, ohnmächtigen Mutter weggenommen.

 

Und Wölfe sind sie alle

in diesem Kinderheim unter dem Schaffell der Nonnenkluft. Macht ausüben ist die Devise; wer nicht funktioniert – denn es geht nur ums Funktionieren, nie um Liebe, wie Jesus Christus predigte – wird verprügelt, gequält, ihm wird die Ehre abgeschnitten, bis er gedemütigt am Boden liegt. So erging es der Autorin in der frühen Kindheit.

Auch später dann während der Ausbildung war es kaum anders, denn die Autorin musste 18 werden, um dieser Hölle auf Erden zu entkommen.

 

Statt zu hassen lieben

ist die Devise von Ulrike Jansen. Sie, die beinahe zum seelischen Krüppel geworden ist, verzeiht einfach. Als ob das so einfach wäre! Sie ist eine der Guten, das muss ich neidlos eingestehen. Sie hat das "Rache-Gen" jedenfalls nicht in sich, Hut ab vor so viel Nächstenliebe!

  

Zuerst ein Schmerzbuch, dann ein Glücksbuch.

Ganz ohne Wichtigtuerei beschreibt die Autorin ihren Weg aus der Eiswüste in die Liebe. Statt im Hass zu ersticken, in der Verletzung zu erstarren, sich in eine Psychose zu begeben oder als Amokläuferin Vergeltung für das Angetane zu üben, steigt Ulrike Jansen wie Phoenix aus der Asche und widmet ihr Leben der liebevollen Betreuung und Pflege.

 

Die schlichte Botschaft

der Ulrike Jansen an alle Kinder dieser Welt: Gebt niemals auf! Was euch auch angetan wurde, ihr habt es überlebt. Macht das Beste daraus. Verzeiht, vergebt. Nur dann besteht die Chance, ein erfülltes Leben zu haben. Und ich muss sagen, ja, recht hat sie, die Ulrike Jansen. Denn wer stets hadert, Rachegedanken wälzt, die schlimmen Erinnerungen an der Brust nährt, wird schließlich darin untergehen.

 

Ulrike Jansen wurde 1961 in Wattenscheid geboren, wuchs dort bis 1979 in einem Kinderheim auf. Seit fast 30 Jahren ist sie nun schon in einer Universitätsklinik als Krankenschwester auf der gynäkologischen Station tätig.

 

Ulrike Jansen, In Liebe verzeihen, 235 Seiten, Preis: 13.90 €, Wagner Verlag

Das Buch gibt es hier
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