Un glaub lich - Kurzgeschichten eines Psychotherapeuten
"Un glaub lich - Merkwürdige Kurzgeschichten mit Charakter und Humor" . Von Wolfgang v. Alt-StutterheimDiese "merkwürdig" humorvollen und zum Nachdenken anregenden Kurz-Stories könnten Ihre, meine, seine, die eines Nachbarn oder eines Kollegen sein. Geschichten aus dem Leben. Gesammelte Werke der Menschlichkeit. Gebunden zwischen zwei Buchdeckeln.
Wer könnte Autor eines solchen Werkes sein?
Nur ein Psychologe und Psychotherapeut, wie der in München praktizierenden Analytiker Wolfgang von Alt-Stutterheim blickt tief in die Seele seiner Mandaten, seiner Patienten. Schreibt alles nieder und verbindet Tragödien und Highlights in seinen Kurzgeschichten zu einem lockeren aber auch tiefgründigen Werk.
Hier ein kurzer Einblick in diese exakt-amüsanten 334 Seiten.
Berliner Mauer (Bild: Katti Mieth)
Kurzbiografie eines schreibenden Psychoanalytikers
Seine Kindheit und Jugend verbrachte der Autor und Psychologe Wolfgang v. Alt-Stutterheim in Leipzig. Kurz nach dem Bau der Berliner Mauer, im Jahr 1961, flüchtete er in den Westen, heuerte im Norden als Seemann an und verdingte sich als Hamburger Hafenarbeiter - bis er schließlich seinen Weg zur Psychologie fand.
Ein solcher Werdegang wirft Fragen auf. Hier zunächst neun.
Un glaub lich (Bild: Katti Mieth)
Neun Fragen - ein Interview mit Wolfgang v. Alt-Stutterheim
Das Debütwerk "Un glaub lich – Merkwürdige Kurzgeschichten mit Charakter und Humor" des Münchner Psychotherapeuten und Analytikers Wolfgang Alt-Stutterheim.
Nach dem Studium der Psychologie und sich anschließenden Tätigkeiten in Kliniken für drogenabhängige Jugendliche sind Sie seit 1990 als Psychotherapeut und Psychoanalytiker in München tätig. Wie schwer fällt es Ihnen selbst, Negatives im Leben anzunehmen?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Negative Erlebnisse müssen differenziert betrachtet werden. Oft regen sich die Menschen über Kleinigkeiten auf. Da drängelt sich jemand im Supermarkt nach vorne oder die Verkäuferin hat sich beim Ausstellen des Kassenbons verrechnet. Ein Autofahrer wird wütend, wenn der Vordermann bei Grün nicht blitzschnell Gas gibt. Eine Verabredung wird nicht eingehalten oder ein Bekannter erscheint nicht pünktlich zum vereinbarten Termin. Der Kellner ist überfordert und der Gast muss ewig auf sein Essen warten. Es gibt tausende Möglichkeiten, sich über negative Erlebnisse aufzuregen.
Lohnt es sich, darüber in Ärger zu geraten? Der Körper schüttet bei Stress und Ärger das Hormon Cortisol aus. Es verbleibt stundenlang im Körper. Das Stresshormon belastet unseren Körper. Es beeinträchtigt unser Wohlbefinden und die Gesundheit. Negative Erlebnisse lassen sich durch die Haltung innerer Gelassenheit überwinden. Sie können nach ihrer Bedeutung eingeordnet werden. Was ist wirklich wichtig? Wird mein Leben durch den Verlust weniger Minuten wirklich beeinträchtigt?
Wird die vermeintlich gewonnene Zeit tatsächlich effektiv genutzt? Die Haltung der inneren Gelassenheit ist aber nicht mit Gleichgültigkeit zu verwechseln.
Ich bemühe mich um Gelassenheit, um negative Erfahrungen besser einzuordnen und ihre relative Bedeutung zu erkennen.
Ernsthafte Erkrankungen, der Tod eines nahestehenden Menschen, Trennung oder Scheidung von einem Partner, der Verlust des Arbeitsplatzes durch Krankheit oder Mobbing können nicht mit der Haltung der Gelassenheit kompensiert werden. Jeder braucht bei der Bewältigung von Schicksalsschlägen Zeit, um sie zu verarbeiten. Manche negativen Ereignisse können nur ertragen werden. Jeder hat Erwartungen, Träume und Wünsche, die nicht in Erfüllung gehen. Wir können nicht - wie Diogenes in der Tonne - auf Schicksalsschläge mit Gelassenheit reagieren.
Deshalb habe ich in meinem Buch auch Geschichten dargestellt, die keine Lösung oder Befreiung anbieten - nicht immer gibt es ein Happy End. Vielleicht helfen solche Geschichten dem Leser, die eigenen negativen Erfahrungen besser einzuordnen. Niemand ist in seinem Leben vor negativen Erfahrungen gefeit, auch ich nicht als Psychotherapeut."
Un glaub lich (Bild: Katti Mieth)
Glauben Sie, dass jeder Mensch grundsätzlich etwas Böses in sich trägt?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Die Menschen sind grundsätzlich kooperativ und hilfsbereit. Das Gedeihen eines Kindes wird nur durch Liebe ermöglicht.
Unter schwierigen Lebensbedingungen kann sich die Liebe oft nur unzureichend entfalten. Die Märchen zeigen, dass Kinder lernen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Jedes Kind liebt das Gute. Das Böse wird bestraft oder vernichtet. Der Sieg des Guten über das Böse wird durch die grausame Vernichtung des Bösen gleichzeitig in Frage gestellt."
Wolfgang v. Alt-Stutterheim (Bild: Katti Mieth)
Ein Rückblick auf sein Debütwerk, erschienen im Jahr 2019
Was waren Ihre Highlights und auf was hätten Sie gern verzichtet?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Nach zweieinhalb Jahren Vorbereitung war es endlich soweit. Ich konnte mein erstes Buch veröffentlichen. Ich hielt es wie ein Geschenk in den Händen. Dann stellte ich fest, dass es nicht mehr mir gehört. Die Geschichten hatten sich von mir entfernt. Ich hoffe, dass sich der Leser ihrer annimmt. Ein Jahr fügt sich nahtlos an das andere. Wir sind in der Zeit gefangen. Nur die Phantasie kann sie überflügeln. Auf meine Geburtstage könnte ich gerne verzichten. Sind sie Highlights? Meine Freunde lassen nicht locker. Wir feiern sie Jahr für Jahr. Die Zeit fliegt an uns vorbei."
Brandenburger Tor Berlin (Bild: Katti Mieth)
Ich habe Ihren Geburtstag gegoogelt. Glauben Sie an Horoskope?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Als Wassermann sollte ich experimentierfreudig und kreativ sein. Das stimmt zufällig. Vielleicht ist das Horoskop eine sich selbsterfüllende Prophezeiung. Wir kennen unser Horoskop, wir lieben es, wir halten Ausschau nach den positiven Aspekten. Wer möchte nicht einmal über den Suppenrandteller hinweg einen Blick in die Zukunft werfen. Es wäre doch schön, wenn die Wahrheit in den Sternen steht. Ich staune über die unendliche Weite, die mir - zumindest in klaren Sommernächten - zuwinkt. Und wenn mir auf einer Party gerade nichts Passendes einfällt, dann frage ich meine Nachbarin nach ihrem Horoskop. Das Eis ist gebrochen. Manchmal fällt mir beim Schreiben nichts ein. Dann bringe ich das Horoskop ins Spiel. Ein Wunder geschieht. Die anfänglich stockende Unterhaltung gewinnt wieder an Farbe.
Übrigens wird mein nächster Roman, mit dem Titel "Alles Liebe oder was" in Kürze erscheinen." (Das Buch ist fertig und im Handel erhältlich).
Eastside Gallery Berlin (Bild: Katti Mieth)
Wenn man nach Ihren Namen googelt, spuckt es als erstes Alt-Stutterheim – Adelsgeschlecht aus.
Was könnte Google noch wissen?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "In Google findet man unter den Namen Alt-Stutterheim viele Einträge, die auf meine nähere und weitere Verwandtschaft verweisen. Erst wenn Sie meinen vollen Namen eingeben "Wolfgang v. Alt-Stutterheim" findet Google meinen Erzählband "Unglaublich - Merkwürdige Kurzgeschichten mit Charakter und Humor" - er ist auch bei Amazon unter diesem Namen gelistet und auf der Homepage finden Sie Näheres zu meiner Person."
Ihr erstes Buch haben Sie bereits veröffentlicht
Wieviele sind eigene, wie viele der Horror-oder Glücksmomente-Schilderungen sind Lebensgeschichten von Patienten?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Es versteht sich von selbst, dass die Erlebnisse meiner Patienten der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen. Der Erzählband enthält allerdings Fragmente aus meinem Leben. Wie so oft in der Literatur sind diese Elemente stark verfremdet. Ich sag nicht, schau mal hier, schau mal dort, das habe ich persönlich erlebt. Ohne Lebenserfahrung kann man keine Geschichten schreiben. Meine eigene Vita würde den Leser nicht interessieren. Aber das Leben, die Vielfalt menschlicher Schicksale bietet genügend Stoff, um ganze Bibliotheken randvoll zu füllen."
Sechserbrücke Berlin Tegel (Bild: Katti Mieth)
Sie schreiben auch über München - was fasziniert Sie an der Bayerischen Landeshauptstadt? Und was turnt Sie ab?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Über die bayerische Metropole wurde schon oft ein Loblied gesungen. Das muss ich hier nicht wiederholen. München ist zu meiner zweiten Heimat geworden. Ich kann kein pauschales Urteil über die Stadt abgeben. Jeder macht seine eigenen Erfahrungen. Erst wenn ein Tourist nach München kommt und einen Spaziergang durch den Englischen Garten macht, im Biergarten mit Einheimischen plaudert oder eine Radltour quer durch die Stadtviertel macht, dann erst erschließt sich ihm die Schönheit der Metropole, mitsamt ihren bayerischen Besonderheiten.
Aber Sie stellen eine gute Frage, was turnt mich ab? München ist andererseits ein großes Dorf geblieben. Mittlerweile fehlt die kulturelle Vielfalt. Gegenüber anderen Städten, wie Berlin oder Wien, kann München nicht mithalten. Viele kleine Musiklokale sind in den letzten Jahren einfach kaputtgegangen. Traditionslokale werden überwiegend von Touristen besucht oder haben schon längst ihre Pforten geschlossen. Der brave Bürger will seine Ordnung. Die Lärmschutzverordnungen haben das einst lebendige, von Künstlern dominierte Schwabing in eine Schlafstadt verwandelt."
Wien Hundertwasserhaus (Bild: Katti Mieth)
In den Stories durchstreifen Sie einen Ort nach dem Erdbeben oder Städte und Regionen von Mumbai bis Valletta.
Was fällt Ihnen zur maltesischen Hauptstadt ein?
Waren Sie schon einmal dort?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Vor zwei Jahren habe ich Malta besucht und die Hauptstadt Valletta bewundert. Ein Jahr zuvor wurde dort die Journalistin Daphne Caruana Galizia ermordet. Der europäische Mitgliedsstaat ist unter dem Einfluss korrupter Politiker und Oligarchen in eine Schieflage geraten.
Nicht zu übersehen ist die historische Entwicklung Maltas. Auf Malta finden sich die Einflüsse aller großen Kulturen der Weltgeschichte wieder. Mich haben unter anderem die steinzeitlichen Tempelanlagen beeindruckt. Der Blick in die Vergangenheit Maltas zeigt die Vielfalt der Kulturen, die Malta beeinflusst haben. Von den phönizischen, römischen, altrömisch-byzantinischen, Vandalen, Ostgoten, Arabern bis zum Maltesischen Ritterorden konnte ich auf Malta die historischen Spuren verfolgen. In dem Streitgespräch eines Ehepaares, das Malta besucht, habe ich die Geschichte Maltas erwähnt. Wie das Ganze ausgeht, können Sie gerne nachlesen."
Malta Valletta (Bild: Katti Mieth)
Malta (Bild: Katti Mieth)
Was lesen Sie gerade und warum dieses Buch?
Wolfgang von Alt-Stutterheim: "Zurzeit lese ich ein Buch des französischen Schriftstellers Patrick Modiano. Der Titel des schmalen Bändchens lautet: "Schlafende Erinnerungen" 2014 erhielt er für sein literarisches Werk den Nobelpreis für Literatur. Typisch für Modiano ist die Suche nach Erinnerungen. Die bruchstückhafte Erinnerung an längst Vergessenes zeichnet seine Erzählungen aus. Notgedrungen füllt er den Zwischenraum zwischen Wirklichkeit und Fantasie aus. Die dabei entstehenden Fragezeichen vertuscht er nicht mit einer kompakten Geschichte.
Oft wissen wir selbst nicht, ob eine Erinnerung den Tatsachen entspricht oder sie möglicherweise unserer Fantasie entsprungen ist. Die Suche nach der eigenen Vergangenheit bleibt eine persönliche Bemühung. Die Fantasie schließt die Lücke zur Realität. Es schadet mir nicht, von einem Meister des Erzählens Nachhilfestunden zu erhalten."
Berlin Oberbaumbrücke (Bild: Katti Mieth)
Wolfgang v. Alt-Stutterheim (Bild: Katti Mieth)
Herzlichen Dank, lieber Wolfgang von Alt-Stutterheim für dieses spannende Interview.
©Katti Mieth
Bildquelle:
W. Zeckai
(Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)