Schutz der Urheberrechte oder totale Zensur? - SOPA und ACTA
In den USA wird ein Gesetzesentwurf (SOPA) diskutiert, der die totale Kontrolle und Zensur des Internets ermöglichen würde, bei uns ist es die ACTA.Die bisherige Freiheit im Internet...
Bis jetzt haben wir es im Internet richtig gut: Wir können unsere eigene Meinung äußern, über alles und jeden informieren, weiterbilden und verschiedene Ansichten kennenlernen. Kritische Themen, Enthüllungen, Erfahrungsberichte und Unterhaltung findet man in Hülle und Fülle. Sofern man es nicht übertreibt (in Form von Beschimpfungen oder Spam), und die Urheberrechte achtet, ist das Internet ein Schlaraffenland.
Für alle Themengebiete gibt es eigene Websites, in denen mal mehr mal weniger Wert auf Qualität gelegt wird. Pornographie und rechtsradikale Inhalte sind auf den meisten ohnehin verboten und spammiger Keyword-Müll genauso. Was auf Plattformen nicht erlaubt ist - weil es nicht zum Konzept passt - kann problemlos auf eigenen Blogs veröffentlicht werden.
Das Internet ist ein Stück Freiheit und hat viele, viele Arbeitsplätze geschaffen! Wenn es nach einigen amerikanischen Konzernen der Unterhaltungsindustrie, Pharmavertretern und einem Kongressabgeordneten geht, würde damit bald Schluss sein: Sie fordern die totale Kontrolle über das Internet.
...könnte bald vorbei sein
Am 26. Oktober 2011 reichte ein amerikanischer Abgeordneter der Republikaner einen Gesetzesentwurf "SOPA H.R. 3261" im amerikanischen Repräsentantenhaus ein, der angeblich die Urheberrechte stärken soll. - Angeblich. Denn dieser Gesetzesentwurf ist ein Freibrief zur absoluten Kontrolle über jede Website, jeden Text und alles, was im Internet veröffentlicht wird.
Wikipedia und einige andere Seiten haben am 18. Januar 2012 auf ihre eigene Art dagegen demonstriert: Die englischsprachige Wikipedia blieb schwarz. Viele Schüler beschwerten sich bereits, da sie ihre Hausaufgaben nicht machen können.
Nach den großen Protesten wurde das Gesetz zwar "vorrübergehend" gestoppt, doch ist in den USA momentan großer Wahlkampf. Die Angst, Wählerstimmen zu verlieren ist groß, doch wer weiß, wie es nach der Wahl weitergeht.
Worum geht es in der SOPA zum (angeblichen) Urheberrechtsschutz?
- Es soll wirksam verhindert werden, dass Inhalte, die durch ein Copyright geschützt sind, illegal verbreitet werden.
Der Vorsatz wäre an sich ganz gut, die geplante Umsetzung ist eine Katastrophe.
Dieses wirksame Verhindern würde folgendermaßen ablaufen:
- Die Sperrung von Websites durch die DNS-Server.
- Die Suchmaschinen müssten diese Seiten ebenfalls löschen, andernfalls würden sie sich strafbar machen.
- Hostern, DNS-Providern, Suchmaschinen, Werbevermittlern und Bezahldiensten könnten geschäftliche Beziehungen mit Seiten, die nur beschuldigt (!) wurden, gegen das Copyright zu verstoßen, untersagt werden.
Die Folge: ohne Geschäftsbeziehungen keine Einnahmen = die Kosten könnten nicht mal mehr gedeckt werden.
Ein Beispiel: Google würde beschuldigt, das Copyright verletzt zu haben. (Google ist ja dafür bekannt, es mit Urheberrechten nicht so genau zu nehmen) Ein privater Blogger, der viel Zeit in seinen Blog investiert und wenigstens ab und zu mal eine handvoll Euro durch Google AdSense verdient, dürfte mit Google keine geschäftliche Beziehung mehr führen. Für Millionen kleiner und großer Websites würde so eine Maßnahme das AUS bedeuten.
Links setzen als Straftat
- Schon ein Link zu einer Seite, die des Urheberrechtsverstoßes beschuldigt wird, zählt hier als Geschäftsbeziehung.
Wer setzt nicht mal in seinem Blog oder Online-Artikel einen Link zu einer Seite mit interessanten Informationen? Es gibt wohl keine Website ohne Links - so funktioniert nun mal das InterNET. Demnach wäre man nur noch damit beschäftigt, diese verlinkten Seiten genauestens abzuchecken, ob sie nicht vielleicht irgendwie gegen Copyright verstoßen oder auch nur beschuldigt werden.
Volle Haftung für alles
- Die Websitebetreiber sollen für die Inhalte haften (z.B. jedes Video auf YouTube, jedes Posting bei Facebook)
eBay beispielsweise würde plötzlich für die Angebote der Millionen privaten und gewerblichen Verkäufer haftbar gemacht, da diese Verkäufer auf der ganzen Welt verstreut und kaum fassbar sind.
Ist es ihnen schon aufgefallen? Es geht erst mal nur um Seiten, die beschuldigt werden - von einer rechtskräftigen Verurteilung ist noch gar nicht die Rede. (Die ist vermutlich gar nicht nötig in einem Rechtsstaat.)
- Die Website (der Blog), die einen dieser verbotenen Links setzt, würde ebenfalls gesperrt werden.
Sehr schön ist auch dieser Auszug aus SOPA:
"Sollten diese Auflagen nicht umgehend (eine etwas kurze Frist) erfüllt werden, drohen Geldstrafen..."
Aber das absolut Beste ist das hier: (ich bin so frei und klaue schamlos ein paar Sätze aus SOPA)
"SOPA ermöglicht es jedem Rechteinhaber, von Bezahldiensten unter Verweis auf angebliche Rechtsverstöße die Einstellung der Weiterleitung von Geld an Websites bzw. ihre Betreiber zu verlangen."
Falls sich ein Bezahldienst weigert, dieser - sie nennen es Aufforderung - nachzukommen, kann er selbst haftbar gemacht werden, obwohl er diesen Verstoß gar nicht begangen hat. Und das Tolle daran: Dafür braucht es nicht mal eine gerichtliche Entscheidung - der Verdacht allein reicht vollkommen aus.
Die Gerichte wären nur noch mit Internet-Klagen beschäftigt und hätten für so unwichtige Dinge wie Körperverletzung, Misshandlung oder Totschlag vermutlich nicht mehr viel Zeit.
Wer befürwortet diesen Gesetzesentwurf?
Große Unterstützung findet es - welche Überraschung - bei Medienkonzernen und dem Pharmakonzern Pfizer. Ich denke, das sagt alles über die wahren Beweggründe dieses Kontrollgesetzes.
Ein weiterer Versuch der totalen Kontrolle stellt die ACTA dar, die auch Deutschland betrifft und momentan im stillen Kämmerlein verhandelt wird. Die Öffentlichkeit darf kaum etwas darüber erfahren - und das sollte uns zu denken geben.
Warum muss das Internet "frei" bleiben?
Auch wenn es dem "normalen" User - der sich nicht den Knochenjob eines Websitebetreibers oder Autoren ausgewählt hat - nicht immer bewusst ist, aber alle Inhalte werden unter viel Zeit- und Arbeitsaufwand erstellt. Die Betreiber der einzelnen Websites investieren oft weit mehr als 10 Stunden pro Tag, um den Usern etwas bieten zu können und müssen oft einige Jahre hart daran arbeiten, bis sie wenigstens ihren Lebensunterhalt davon bestreiten können.
Würden nur noch staatlich kontrollierte Inhalte im Netz auftauchen, wäre die Massenmanipulation perfekt. Niemand könnte sich mehr umfassend informieren, eigene Ansichten bilden oder etwas hinterfragen. "1984" wäre nichts dagegen - George Orwell hatte Recht.
Dass man die Urheberrechte respektieren muss, sollte eigentlich jedem klar sein, auch wenn sie oft genug ignoriert werden. Doch die Raubkopierer - die Texte oder Inhalte anderer einfach so "klauen", überleben meistens nicht lange im Internet. Auch sollte jeder Autor immer wieder selber prüfen, ob die Texte aus seiner Feder evtl. auch auf anderen Websites unrechtmäßig verwendet werden. Entdeckt man einen solchen Klau, gibt es genügend Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Raubkopien müssen von den Betreibern der Websites gelöscht werden.
Vor allem in Deutschland ist das Urheberrecht sehr streng. In Amerika sieht es da schon etwas anders aus, dort ist das Copyright wesentlich lockerer als bei uns.
Was würde dieses Gesetz auslösen?
Was die Initiatoren der SOPA vorhaben, ist unmöglich realisierbar und würde Millionen Menschen, die das Internet mit Inhalten füllen (viele davon kostenlos, die anderen verdienen ein paar Cent an den Werbeklicks) und Angestellte großer Websites arbeitslos machen.
Missbrauch erlaubt
Auch würde damit der willkürlichen Ausschaltung der Konkurrenz nicht nur eine Tür geöffnet, es wäre ein einziger Freifahrtsschein, um seinen Konkurrenten den Todesstoß zu versetzen. Angenommen, eine große Website beschuldigt eine andere, sie hätte gegen das Urheberrecht verstoßen. Die beschuldigte Website würde komplett gesperrt und müsste erst beweisen, dass diese Beschuldigungen falsch sind.
"Solange unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist" (wegen diesem Satz, den man leider nicht anders formulieren kann, könnten die mich dann schon sperren). Diese Unschuldsvermutung steht zwar sehr schön auf dem Papier, nur in der Praxis sieht das oft ganz anders aus. Papier ist geduldig und Gesetze dehnbar wie Kaugummi.
Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, was betrifft uns das? Was gehen uns die Amis an?
Das kann ich ihnen in ein paar einfachen Worten erklären:
- Facebook, Wikipedia, YouTube, Twitter, Google - alles amerikanische Konzerne. Könnten Sie sich ein Internet ohne YouTube (dem Mekka für Raubkopien) vorstellen? Die Gesetze der SOPA würden es ermöglichen, dass Facebook, eBay und alle anderen nicht nur teilweise, sondern komplett gesperrt würden. Auch in den Suchmaschinen müssten diese Seiten dann gelöscht werden.
- Im zweiten Gesetzesentwurf mit dem netten Namen PIPA geht es um die Sperrung ausländischer Websites, die für die Amerikaner dann nicht mehr zugänglich wären. Erinnert stark an die Zustände in Ländern mit Militärdiktatur.
Viele Informationen, unabhängige Testberichte von normalen Menschen (und keine gekauften), Erfahrungsberichte über neue Behandlungsmethoden, Unterhaltsames, alles würde auf ein Minimum reduziert - natürlich streng überwacht. Und was die Amis vormachen, findet immer sehr schnell seinen Weg nach Deutschland....
Im Internet würde es dann bald so aussehen:
Zensiert
wg. dem Verdacht auf ein schweres Verbrechen:
Dieser Blogger hat die Urheberrechte einer milliardenschweren Filmproduktionsfirma möglicherweise verletzt.
Diese Sperrung bleibt so lange bestehen, bis der Blogger seine Unschuld bewiesen hat,
Schön, nicht wahr? Könnte ich mir keine drei Sekunden anschauen.
Zu den Gegnern der SOPA zählen u.a.:
Wikipedia, Google, Wordpress, Mozilla, Yahoo, Facebook, AOL, zahlreiche Journalisten, Blogger und Präsident Obama, der leider im Repräsentantenhaus keine Mehrheit besitzt. Wunderbar: Ein einziges Mal hofft man darauf, dass der "mächtigste Mann der Welt" (wie man ihn gerne bezeichnet) seine Macht sinnvoll einsetzt, und dann reicht sie nicht aus. Kriege zu beginnen, ist für ihn anscheinend kein Problem.
Hat die SOPA eine Chance?
Ob über dieses Gesetz abgestimmt wird, das steht noch nicht fest. Die Internetgiganten haben angeboten, sich an einer fairen Alternative zu diesem Entwurf zu beteiligen.
Die Urheberrechte sollen und müssen auf jeden Fall geschützt werden, aber nicht durch vollkommen willkürliche Sperrungen, horrende Geldstrafen und Zensuren, die nur aufgrund von Beschuldigungen ohne vorangegangene Gerichtsverhandlungen wirksam würden.
Ein guter Bekannter von mir (Schauspieler und Autor), der selbst großen Wert auf den Schutz der Urheberrechte legt, meinte heute zu diesem Thema:
"Uns werden weitere Marionettenfäden zur totalen Kontrolle angelegt
- wann wehren wir uns endlich dagegen?"