"Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich", so beginnt Leo Tolstois Roman "Anna Karenina" und es ist eines der berühmtesten Zitate der Literaturgeschichte. An solche Sätze muss nicht erinnert werden, der Literaturfreund kennt sie. Dann aber gibt es Sätze, die es nie zur Unsterblichkeit bringen werden, die aber beim einzelnen Leser ein spontanes Nachdenken oder auch Grinsen auslösen. Deshalb nun eine ganz subjektive Auswahl an hübschen Sätzen aus in letzter Zeit gelesenen Büchern. Manche Autoren sind, zumindest den Literaturinteressierten, sehr bekannt, manche sind regionale Größen:

"Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel"

"Sein Gesicht wirkte wie von einem hellen Schimmer durchdrungen, als trage er sein persönliches Morgenrot spazieren."

 "Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel", heißt der Krimi von Friedrich Ani aus dem dieses Zitat stammt. Tabor Süden, der langhaarige Kommissar von der Vermisstenstelle des Münchner Dezernats 11 besucht sein Heimatdorf, um an das Grab seiner Mutter zu gehen. Im dortigen Gasthaus bittet ihn ein Lehrer, dessen Tochter seit einem Jahr vermisst wird, um Hilfe. Eigentlich also nicht zuständig, nimmt sich Süden trotzdem des Falles an und trifft irgendwann am frühen Morgen auf einen Kollegen, dessen Gesicht zu obiger Erkenntnis führte. Von Süden selbst könnte man sowas wohl nie behaupten.

"Annas Flaschenpost"

"Wie oft hatte er seiner Mutter schon gesagt, dass er keine Gurken mag, aber irgendwie fand das grüne Teil immer wieder seinen Weg zwischen die Wurstscheiben. Wenn ihm Karolin eine Gurke anbieten würde, wäre das etwas anderes. Das wäre dann wahrscheinlich die leckerste Gewürzgurke des ganzen Universums".

"Annas Flaschenpost", lautet der Titel des Kinderbuches von Michael Döhmann, das eine Flaschenpost durch sämtliche Donauländer begleitet und nicht nur zu der Erkenntnis führt, dass die ekligste Gewürzgurke zur leckersten Gurke des ganzen Universums werden kann, wenn sie nur von einem geliebten Menschen kommt.

"Hennadäpper"

"Mein Vater hatte nach fünf Kindern die Lust am Erziehen verloren, was meiner Erziehung zugute kam".

Dieses höchst interessante Zitat ist dem Buch "Hennadäpper oder: Als die Wachter Hedwig den Regenwurm verschluckte" entnommen. Der Ulmer Buchhändler Manfred Eichhorn beschreibt hier seine schwäbische Kindheit und allen Nicht-Schwaben sei erklärt: "Henna" ist die Mehrzahl von Henne und ein "Däpper" ist ein Schritt, ein "Hennadäpper", gerne auch "Hennadäpperle" genannt, ist somit ein ganz ganz kleiner Schritt vorwärts.

Man darf annehmen, dass Eichhorn, wenn er sonntags in die Kirche musste, auch eher Hennadäpper als Riesenschritte einlegte:

"Ich bevorzugte die 10-Uhr-Kirche, weil man danach die Leute, die die 11-Uhr-Kirche noch vor sich hatten, bemitleiden konnte."

Nach dem Kirchgang aber, konnte man wenigstens mit dem älteren Bruder in die Krone zum Frühschoppen oder zu den Heimspielen der TSG.

"Nachtwanderer"

"Wie oft hatte er sich in Tanzlokalen und Cafés herumgetrieben und nie war ihm eine Dichterenkelin, eine berühmte Musikertochter oder eine Koryphäe begegnet. Ein Stadtrat nach einem Theaterbesuch war das Allerhöchste".

Aus dem Krimi "Nachtwanderer" von Manfred Enderle stammt dieses Zitat. Der Krankenpfleger Thomas Graun wurde von seiner Frau verlassen. Seine Rachepläne werden nur hin und wieder unterbrochen, zum Beispiel als er in einem Lokal eine Nachfahrin Hermann Hesses kennenlernt. Graun, der Literaturfreund und Hesse-Kenner, ist angemessen begeistert, das ist doch immerhin mal was, denn wer ist schon entzückt, wenn er in einer Kneipe nur einen Stadtrat nach einem Theaterbesuch trifft.

"Fallwind"

"Wehe, wenn ein Träumer scheitert. Das verzeihen ihm die Mutlosen nicht".

Dieses Zitat stammt aus der fiktiven Romanbiografie "Fallwind", die Johannes Schweikle zum 200. Jahrestag des missglückten Flugversuchs von Albrecht Ludwig Berblinger, vielen besser bekannt als der Schneider von Ulm, schrieb. Eine ausführliche Rezension der Bücher "Annas Flaschenpost" und "Fallwind" findet sich auf der Seite fehrgelesen auf http://www.fehrgelesen.de.

"Ein sturer Hund"

"Gegen die Theke eben dieser Bar gelehnt, stand der Dunkelblaue und unterhielt sich mit einem Mann der zwar einen silbergrauen Anzug trug, aber die gleiche dunkelblaue Ausstrahlung besaß.”

Ganz besondere Krimis schreibt der in Stuttgart lebende österreichische Schriftsteller Heinrich Steinfest. Befasst sich sein neuester Krimi "Wo die Löwen weinen" mit Stuttgart 21, so widmet sich "Ein sturer Hund", aus dem das Zitat stammt den Machenschaften der Geheimdienste und zwar auf eine höchst amüsante Weise. Der Dunkelblaue und der Silbergraue gehören allerdings nicht zur Sippe der Geheimen.

Ein Nachwort hat der Autor auch geschrieben und in diesem heißt es:

"Um etwaigen Missverständnissen zuvorzukommen, muss gesagt werden, dass sämtliche Personen und Handlungen der Wirklichkeit entsprechen."

So etwas liest man selten am Ende eines Romans.

"Der Ministerpräsident"

"Hannah hatte gesagt, es gebe auch so etwas wie Meinungsfreiheit. Und März antwortete: Dass das für einen Ministerpräsidenten nur eingeschränkt gelte."

"Der Ministerpräsident" heißt die Roman-Satire von Joachim Zelter, in dem der Baden-Württembergische Ministerpräsident kurz vor Beginn des Wahlkampfs einen Autounfall erleidet. Dieser beeinträchtigt nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Sinne, weshalb er nun eigenartige Anwandlungen hat, solcherart, dass er sich plötzlich für Bücher interessiert, sich fragt wozu es eigentlich Ministerpräsidenten braucht und warum Kinder nicht ihre Schulen, ihre Lehrer oder ihre Eltern wählen können, oder Arbeiter ihre Arbeit oder Rentner ihre Rente. Das findet sein engster Mitarbeiter März nicht gut. Solche Aussagen, öffentlich getätigt, könnten den Wahlsieg kosten, nein so weit geht die Meinungsfreiheit eines Ministerpräsidenten nicht.

Und gar für politischen Selbstmord hält März folgende Gedanken seines Ministerpräsidenten:

"Ich sagte ihm, es gebe möglicherweise all diese Scheidungen, weil so viele Menschen verheiratet sind, und es sind so viele Menschen verheiratet, nicht weil sie verheiratet sein wollen, sondern weil sie gerne Hochzeiten feiern. Und sie wollen Hochzeiten feiern, weil sie einmal in ihrem Leben gerne etwas Feierliches erleben und dabei im Mittelpunkt stehen wollen. Wenn man also Hochzeiten feiern könnte, ohne deshalb gleich verheiratet sein zu müssen, vielleicht gäbe es dann weniger Scheidungen. Und dafür mehr Hochzeiten."

Also irgendwie hat er damit schon Recht, der Ministerpräsident und wer sagt denn, dass er nicht gerade solcher Sätze wegen wiedergewählt würde.  

Coverfotos: Klöpfer & Meyer Verlag

Autor seit 12 Jahren
4 Seiten
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