"Was ist mit Tom?" - eine Rezension
Das Phänomen Autismus stellt Lehrer und Erzieher vor neue Herausforderungen. Britta Segers Buch hilft Pädagogen, Eltern und Kindern gleichermaßen, autistisches Verhalten besser zu verstehen.Mit kindgerechten Geschichten und Bildern führt die Musiktherapeutin Britta Seger Lehrer/innen, Erzieher/ innen und Eltern an das Thema Autismus heran. (Bild: © Iris Kater Verlag Medien GmbH, Viersen)
Inhalt
Das Buch "Was ist mit Tom?" von Britta Seger gibt dieser Zielgruppe in verständlicher Form einige Antworten unter anderem auf die Fragen:
- was die Andersartigkeit eines autistischen Kindes mit Asperger-Syndrom im emotionalen Bereich, in der sozialen Interaktion und im Kommunikationsverhalten ausmacht,
- wie das Kind sich, seine Altersgenossen und seine Umwelt wahrnimmt
- was Eltern und Lehrer tun können, um einem autistischen Kind Lernchancen zu bieten, die an seine spezifischen Bedürfnisse angepasst sind.
Intention und Zielgruppen
Die Autorin ist Musiktherapeutin an einer privaten Förderschule. Über die Musik als alternative Möglichkeit der Kommunikation und Beziehungsgestaltung fand sie Zugang zum Kommunikationsverhalten und zur sozialen Interaktion von Kindern mit Asperger-Syndrom. "Zunächst stellte ich fest, dass ich trotz guter Ausbildung viel weniger über Autismus wusste, als ich dachte und es auch seine Zeit dauerte, wirklich zu verstehen, worin genau die Beeinträchtigung besteht" (Zitat B. Seger).
In ihrem dreiundsechzig Seiten umfassenden, 2011 beim Iris Kater Literaturverlag erschienenen Buch thematisiert sie speziell diese Variante aus dem Autismus-Spektrum. Es soll Menschen, die jeden Tag privat oder beruflich Umgang mit autistischen Kindern pflegen, erste Informationen über das Phänomen Autismus liefern. Darüber hinaus bietet das Buch einen Leitfaden, wie man Kindergartengruppen oder Schulklassen über die Besonderheiten autistischer Kinder aufklären und so deren erfolgreiche Inklusion ermöglichen kann.
Aufbau und Gliederung
Der Aufbau des Buches ist übersichtlich in vier Hauptabschnitte gegliedert:
- zunächst thematisiert eine Bilderbuchgeschichte einige Besonderheiten eines Kindes mit Asperger-Syndrom und wie diese in einer Kindergartengruppe wahrgenommen werden
- der zweite Abschnitt bietet für jede der in den zwölf Bildern geschilderten Situationen mögliche Erklärungen an und liefert entsprechende Hintergrundinformationen
- in Kapitel drei stellt die Autorin ausgewählte Therapieformen mit illustrierten Übungsbeispielen vor
- Abschnitt vier schließlich bietet dem Leser/der Leserin einen kurzen Überblick über die Definitionen des Autismus und über seine Kriterien.
Kritische Wertung
Die Kapitel sind überschaubar gegliedert und von ihrem Umfang her ausgewogen. Die synkopische Darstellung der Bildtexte aus Kapitel eins und der dazugehörigen, erklärenden Informationen im zweiten Kapitel ersparen lästiges Hin- und Herblättern. Die durch Fettdruck hervorgehobenen Begriffe erleichtern die Orientierung und die Suche nach bestimmten Schlagworten. Die ganzseitigen, kolorierten Illustrationen von Anika Wilms, die wahlweise als PowerPoint-Präsentation oder als Folien auf dem Overhead-Projektor präsentiert werden können, sind kindgerecht und leicht verständlich. Die Bilder erleichtern neben den Zitaten und eingängigen Fallbeispielen auch der erwachsenen Zielgruppe den Zugang zu dem an sich abstrakten und schwer vermittelbaren Phänomen Autismus.
Dass sich die Autorin in Kapitel vier lediglich auf pathologisierende Definitionen wie Krankheit, Störung, Intelligenzminderung, Schädigung, Konflikte, Beeinträchtigung und Behinderung beschränkt, mag der Übersichtlichkeit und dem begrenzten Rahmen des Bändchens geschuldet sein, verleiht dem Buch jedoch eine pessimistische Grundfärbung, die nicht sein müsste. Hinweise auf neuere Erkenntnisse (Stichwort Neurodiversität) oder auf die besseren IQ-Werte, die mit autismusspezifischen Intelligenztests erzielt werden können, wären für die Leser/Leserinnen sicher interessant und hilfreich gewesen, zumal sich die Verfasserin nicht etwa mit bloßer Information und Aufklärung zufrieden gibt, sondern aktuelle und positive Aspekte wie Inklusion autistischer Menschen und deren Teilhabe an der Gesellschaft durchaus nicht ausklammert. In diesem Zusammenhang hätte sich die Erwähnung autistischer Stärken argumentativ gut ausgenommen. Auch ein Stichwortverzeichnis und die Aufnahme von Standardwerken von Autoren wie Tony Attwood in das knappe Literaturverzeichnis hätten das Buch sicher nicht überfrachtet.
Fazit
Auf die im Titel gestellte Frage "Was ist mit Tom?" gibt das Buch von Britta Seger auf unterhaltsame, gut lesbare Weise etliche fundierte und sorgfältig recherchierte Antworten. Seine benutzerfreundliche Konzeption wird den gestellten Ansprüchen gerecht und motiviert den Leser/die Leserin, sich mit dem komplexen Thema Autismus eingehender zu beschäftigen. Auch wenn neuere Sichtweisen auf den Autismus und die Stärken autistischer Kinder leider nicht angesprochen werden, sollte das Buch in keinem Kindergarten oder in keiner Schule fehlen.
Seger, Britta: Was ist mit Tom? Geschichten zur Aufklärung über Autismus (Aspergersyndrom) in Kindergarten und Grundschule.
2011 zunächst im Rotblatt Verlag – Iris Kater Verlag & Medien GmbH © - Viersen erschienen, aktuell erscheint das Buch im von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe. ISBN 978-3-86059-274-8
64 Seiten, kart., Preis 12,90 €.