Winnetou: Karl May hat vorher doch echte 'Indianer' getroffen
Die Legende besagt, dass Karl May sich seine Indianergeschichten alle ausgedacht hat - ohne je einen Indianer gesehen zu haben ... - das stimmt aber nicht!Die Vorwürfe bzw. der angebliche Betrug, den Karl May begangen haben soll
1. Vorwurf
Die Winnetou-Romane sind in Form einer Ich-Erzählung geschrieben. Dieses literarische ICH ist Old Shatterhand, der als ein deutscher Einwanderer mit dem Namen Karl auf dem nordamerikanischen Kontinent eine Arbeitsstelle als Hauslehrer annimmt. Im Englischen wird Karl zu Charlie - und dieser Name in Kombination mit der Ich-Erzählung wurde Karl May als Anmaßung und Hochstapelei ausgelegt, da er ja niemals in Amerika war. Auf diese Idee kam man, weil er Karl heißt und seine Hauptperson Charlie genannt hat.
Dass er nie auf dem amerikanischen Kontinent war, stimmt zwar, doch die ihm vorgeworfene Anmaßung ist nicht gerechtfertigt, denn Karl May hat ja nie behauptet, dort gewesen zu sein und diese Dinge selbst erlebt zu haben. Offensichtlich hielt man damals Ich-Erzählungen nicht für einen literarischen Schreibstil, sondern für persönliche Lebensberichte. Naja, wer's glaubt ...
Der vermutliche Grund für diese Anschuldigung
Bis dahin war der Erzählstil in der Ich-Form also offensichtlich nur bei eigenen Erlebnissen üblich. So sagt man. Doch das stimmt nicht, denn lange vor ihm hatte bereits auch Goethe (1749 - 1832) längst seine 'Leiden des jungen Werthers' als eine Ich-Erzählung verfasst. Bei ihm wird bis heute davon ausgegangen, dass er diese Geschichte so oder so ähnlich erlebt hat. Bestätigt hat er selbst das jedoch nie! Er antwortete auf die direkte Frage, ob es sich um seine persönlichen Erlebnisse handele, mit der indirekten und ausweichenden Antwort, dass er einige dieser Empfindungen in jungen Jahren wohl so verspürt haben müsse.
2. Vorwurf
Da Karl May nicht belegen konnte, in Amerika gewesen zu sein, wurden seine Beschreibungen als wilde Fantasien bezeichnet. Diese waren dann allerdings sehr detailgetreu, wie wir heute wissen. Wie kann das sein?
Schlussfolgerung und Begründung der Kritiker: Was frei erfunden ist, ist eine Lüge und eine falsche Darstellung der Indianer und der gesamten Geschichte des Wilden Westens. Und das wird dem Schriftsteller bis heute immer wieder vorgeworfen als 'verherrlichte Darstellung', romantische Fantasien etc. pp.
3. Vorwurf
Aus oben genanntem Punkt 2 schlussfolgerten seine Kritiker weiterhin, dass er demzufolge also nie einen einzigen echten und lebenden Indianer gesehen haben kann.
Und genau DAS ist falsch!
Der Klein-Kriminelle
Die Karl May zur Last gelegten Straftaten wie Betrügereien und diverse Diebstähle sind wohl alle belegt. Für diese hat Karl May tatsächlich auch einige Jahre im Gefängnis verbracht. Doch seine schriftstellerische Arbeit als Betrügerei zu bezeichnen, war und ist eine Unverschämtheit. Seine Bücher sind bis heute - und besonders nach dem zwischenzeitlichen Diskurs, ob seine Bücher und die später gedrehten Filme verboten werden sollten, absolute Bestseller. Auch ich überlege, ob ich mir seine Abenteuergeschichten nicht doch noch einmal komplett kaufen sollte. Gern gelesen haben wir die Bücher alle - oder etwa nicht?
Die Shatterhand-Villa ist ein kleines Blockhaus
Ich habe aus beruflichen Gründen einige Jahre in Radebeul bei Dresden gelebt. Die kleine Stadt Radebeul geht direkt in die Großstadt über, hat aber mehr Flair. Dort gibt es einen kleinen alten Bummelzug mit schwarzer Dampflock, der Touristen und Kindern besonders gut gefällt.
In der Karl-May-Straße steht in diesem Ort das ehemalige Wohnhaus, in dem der Schriftsteller seine letzten Lebensjahre verbrachte. Im Garten hinterm Haus befindet sich das sogenannte 'Museum' mit diversen Utensilien von amerikanischen Ureinwohnern. Ein sehr muffiger Ort war es damals für mich, schlecht beleuchtet und nicht besonders ansprechend hergerichtet - das war ca. 1994. Die ausgestellten Kleidungsstücke waren alt und abgetragen - und ich wunderte mich, dass er so viele Gegenstände angeblich Jahre nach dem Erscheinen der Bücher nach Deutschland geholt haben soll.
Vermutlich stimmt auch das nicht. Deshalb habe ich weiter recherchiert - und darin bin ich hartnäckig - also im Recherchieren.
Buffalo Bill und seine Wild-West-Show
William Frederick Cody ist der bürgerliche Name von Buffalo Bill und dieser Mann lebte von 1845 bis 1917 - also zeitgleich mit Karl May (1842 bis 1912). Kann es sein, dass die beiden sich begegnet sind? Es kann sein, denn es war so.
1883 gründete Mr. Cody seine Wild-West-Show und die wurde ein derartig großer Erfolg, dass er mit der gesamten Truppe auch in Europa auftrat. Und wer hätte es gedacht, er kam auch nach Deutschland und trat wohl anno 1890 in insgesamt 24 deutschen Städten auf. Dazu zählen beispielweise Hamburg, Berlin, Dortmund, München und natürlich auch Dresden, wo Karl May lebte.
Der Roman Winnetou I wurde 1893 veröffentlicht, doch es gab wohl bereits 1878 eine frühe Version mit dem schlichten Titel 'Winnetou'. Die Karl-May-Gesellschaft bestätigt, dass sich Karl May die Wild-West-Show in Dresden angesah und auch mit den Indianern Kontakt aufnahm.
Ich kann nur vermuten, dass er von diesen Menschen auch die in dem kleinen Museum ausgestellten Kleidungsstücke und die anderen Utensilien bekam - oder sie ihnen abgekauft hat. Vermutlich konnte er dort auch einige Wörter der indigenen Sprache lernen, die er später benutzte.
Jahre später reiste Karl May mit seiner Frau für einige Monate nach Nordamerika, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Auch von dieser Reise hat er wohl einige Gegenstände mitgebracht.
Fazit
Aus heutiger Sicht ist der Vorwurf, für eine Ich-Erzählung als Lügner und Hochstapler bezeichnet zu werden, natürlich lächerlich. Doch es verwundert, dass nicht nur Goethes 'Leiden ...' sondern beispielsweise offensichtlich auch die drei Bände 'Der Nachsommer', ein Bildungsroman verfasst von Adalbert Stifter im Jahre 1857, für echte Erlebnisse gehalten wurden.
Karl May darf also weiterhin der Held unserer Kindheit bleiben. Wie schön!
Quellen:
https://www.bz-berlin.de/archiv-artikel/wie-buffalo-bill-mit-seiner-wild-west-show-1890-die-berliner-begeisterte
https://www.karl-may-gesellschaft.de/kmg/seklit/jbkmg/2004/121.htm
Bildquelle:
© Elisabeth R. Meier (photographer)
(Der erste Satz einer Geschichte)
Thunderheart-Filmplakat (Ausschnitt)
(Thunderheart - ein Film über indigene Traditionen, produziert von R...)
Jessica Schroth/pixelio.de
(Margret Mitchell - 'Vom Winde verweht' und die Parallelen im echten...)