Vogelfang mit gigantischen Fangnetzen - illegal und doch praktiziert

Für etwa 10 Millionen europäischer Zugvögel, die jedes Jahr zwischen August und November auf dem Weg in afrikanische Winterquartiere sind und im Frühjahr wieder zurück fliegen, wird die 700 Kilometer lange Küstenregion von Libyen bis hin zum Gaza-Streifen zur Todeszone.

Schon lange ist bekannt, dass in vielen Ländern Südeuropas und Nordafrikas Zug- und Singvögel als Delikatesse auf der Speisekarte stehen oder von Freizeitschützen abgeschossen werden, doch die Dimension dieser agyptischen Fanganlage, die in ihrer Länge der Entfernung von Hamburg bis München entspricht, ist kaum zu fassen.

In den aufgestellten engmaschigen, teilweise 3-reihigen Netzen entlang der Küste sowie in Netzen an Bäumen und Sträuchern verfangen sich die Vögel, wenn sie auf ihrem kraftraubenden Flug nach einem Ruheplatz suchen. Vögel, die in teilweise vom Aussterben bedroht und geschützt und wegen ihrer bunter Vielfalt und ihrem Gesang in Europa so beliebt sind, werden dort millionenfach gefangen und getötet.

Obwohl diese Form des Vogelfangs auch in Ägypten zum großen Teil illegal ist und den Tatbestand der Wilderei erfüllt, wird sie skrupellos praktiziert. So gibt es zwar gesetzliche Vorgaben für Mindestabstände zwischen den Netzen und maximale Höhen. Niemand hält sich aber daran, ebenso wenig wie an die internationalen Abkommen zum Vogelschutz, die Ägypten mit unterzeichnet. Regeln werden nicht befolgt, Verstöße nicht geahndet.

 

Vom Netz lebend zum Vogelmarkt

Bereits am Netz reißt man den Vögeln die Schwungfedern und Schwänze aus, um sie zwar flugunfähig zu machen, aber noch lebend auf die umliegenden Vogelmärkte bringen zu können. In engen, mehrstöckigen Käfigen warten wunderschöne Vögel wie Triele, Pirole, Nachtigallen, Wendehälse, Ziegenmelker, Turteltauben, Neuntöter, Bienenfresser oder Wachteln dann auf ihre Käufer.

Noch vor Ort werden sie verarbeitet, das heißt nach arabischem Brauch geschächtet und anschließend teuer verkauft. Hauptabnehmer für die dort als Delikatesse geltenden Singvögel sind vor allem Restaurants in Kairo und im ägyptischen Hinterland. Für die Händler, die keinerlei Unrechtsempfinden haben, ist das ein äußerst lukratives Geschäft, Für eine Wachtel, von denen nach Schätzungen alleine 500.000 jeden Herbst gefangen werden, erzielen sie fünf Euro und für Singvögel drei Euro.

Jährliches Trauerspiel für Millionen Zugvögel in Agypten

Warum hat der Vogelfang in Ägypten so stark zugenommen?

Vogelfang gab und gibt es in vielen Ländern der Welt schon seit ewiger Zeit. In Ägypten schon zu Zeiten der Pharaonen, jedoch in wesentlich geringerem Masse und mit einfacheren Tötungsmitteln, wie Pfeil und Bogen und kleineren Netzen.
Durch die heutigen hochmodernen Schusswaffen mit hoher Präzision und Reichweite und mit riesigen, kilometerlangen Fangnetzen, die eine kaum überwindbare Barriere entlang fast der gesamten Mittelmeerküste Ägyptens darstellen, ist mittlerweilte eine Dimension erreicht, die nicht mehr tolerierbar ist.

Lars Lachmann, Vogelschutz-Experte beim NABU, erklärte in einem Interview, dass zwischen 2008 und 2010 von Vogelschützern vor Ort eine leichte Entspannung der Situation beobachtet werden konnte, was man auf das Auftreten der Vogelgrippe zurückgeführt habe und die Furcht der Jäger, sich mit dem Erreger zu infizieren. Seit 2011 allerdings entgleise die Situation, was vermutlich mit dem geringen Preis und der guten Verfügbarkeit chinesischer Fangnetze zusammenhängt, die ab diesem Zeitpunkt großflächig zum Einsatz kommen. Der ''arabische Frühling'', habe dann parallel dazu auch zu einer Schwächung der Ordnungsmacht geführt.

 

Was kann und muss man weiterhin tun?

In Deutschland werden aus Steuergeldern jedes Jahr etwa 2,5 Milliarden Euro für den Vogelschutz – direkt oder indirekt – ausgegeben und zahlreiche Menschen spenden Geld. Geradezu grotesk und zudem eine Katastrophe ist es, wenn in Ägypten dennoch weiterhin jährlich etwa 10 Millionen dieser Vögel getötet werden.

Der NABU macht bereits seit einigen Jahren mit einer Kampagne für die dramatische Situation der Zugvögel aufmerksam. Lars Lachmann, Vogelexperte des NABU, hält Auswirkungen des Vogelfangs in Ägypten auf die europäischen Brutbestände für sehr wahrscheinlich. So hatten im Jahr 2013 auch 115..000 Menschen die vom NABU initiierte Petition an die ägyptische Regierung und die Bundesregierung unterzeichnet.

Die Unterstützer wollten den internationalen Druck erhöhen und forderten die ägyptische Regierung auf, die von ihr unterschriebene Naturschutz-Konventionen einzuhalten und die Jagd auf Vögel effektiv zu regulieren. Eine zusätzliche Spendenkampagne sollte helfen, dringende Schutzaktivitäten internationaler und nationaler Partner vor Ort finanziell unterstützen zu können.

Neben Petition und Spendenkampagne will der NABU auch weiterhin international, über Regierungen und UNO-Konventionen Einfluss auf Ägypten nehmen. Dabei sollen auch deren Verbindungen aus dem Netzwerk von BirdLife International helfen.

Wie sich gezeigt hat, haben leider alle diese Massnahmen bisher kaum etwas bewirkt. Es ist der Autorin leider nicht gelungen, irgendeine aktuelle Information zu finden, aus der hervorgeht, dass das Vogelmorden in dieser abartigen Form endgültig verboten worden ist.

Zu klein ist anscheindend doch die Lobby der Vogelschützer, zu gering die Gelder der europäischen Regierungen zum Schutz der Vögel und zu groß die Gier nach dem schnellen Geld und einer Delikatesse in Agypten und anderen südlichen Ländern.

Es liegt weiterhin an den Menschen weltweit, an der hiesigen und dortigen Politik und Naturschutzverbänden mit Petitionen, Spenden und Boykotten Einfluss auf diese dramatische Praktik in Agypten zu nehmen, wenn wir nicht irgendwann ganz ohne Singvögel in heimischer Natur sein wollen.

Weitere Links:

NABU - Zugvögelschutz Agypten

Info zum Vogelfang in Agypten

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