110. Ein Bulle hört zu von Cid Jonas Gutenrath - Rezension
Der Polizist Cid Jonas Gutenrath sitzt hinter der Notrufnummer der Berliner Polizei. Ein spannendes Buch aus dem Ort, an dem Nöte und Schicksale der Menschen zusammen laufen.Inhalt
Cid Jonas Gutenrath arbeitet bei der Notrufzentrale der Berliner Polizei: Menschen in allen erdenklichen Notsituationen wenden sich an ihn und seine Kollegen. Dies reicht von lebensgefährlichen Situationen bis zu nächtlichen Kinderängsten und Scherz- anrufen. Genervte Ehefrauen mit Beschwerden über ihren Mann, Menschen mit gebrochenem Herzen, die nicht mehr leben wollen und Kinder, die "Strich-Strich-Loch" wählen, weil sie sich vor einem Gewitter fürchten. Wenn es nur immer so leicht zu erkennen wäre, ob es sich um einen Ernstfall handelt: Was tun, wenn der Anrufer schweigt?
Cid Jonas Gutenrath gibt in seinem Buch Einblicke in seinen Arbeitsalltag. Doch dies macht er nicht aus einer sachlich-distanzierten Position heraus. In all den Geschichten wird der Mensch Cid Jonas Gutenrath mit seinen Gefühlen und bisweilen unkonventionellen Überlegungen sichtbar. Der Autor ist ein wahrer Haudegen: Aufgewachsen in keineswegs konventionellen Familien-verhältnissen, lernte er früh, auf eigenen Beinen zu stehen, fand Halt und Orientierung in einem Karatestudio, arbeitete als Türsteher und Marinetaucher, bevor er zur Polizei kam. Heute ist er Ehemann, dreifacher Vater und überzeugter Polizist.
Kleine Szenen aus Gutenraths Leben leiten bisweilen die Fallgeschichten ein, sind nicht minder spannend zu lesen und unterstreichen seinen ganz individuellen und bisweilen unkonventionellen Zugang zu den Problemen der Menschen.
Cid Jonas Gutenrath:
110 ein Bulle hört zu
Ullstein Verlage GmbH, 3. Auflage 2012
ISBN: 978-3-86493-001-0
Das Buch wurde mir von Blogg dein Buch als kostenloses Rezensionsexemplar zu Verfügung gestellt und kann bei ullsteinbuchverlage.de bestellt oder als eBook heruntergeladen werden.
Ausgewählte Geschichten aus dem Buch finden Sie auf bz-berlin.de.
"Es geht nicht um mich. Es geht um uns. Es geht um uns alle.
Es geht um die Art, wie wir miteinander umgehen, was wir uns gegenseitig antun oder auch nicht. Es geht darum, was wir bereit sind, voneinander preiszugeben. Darum, wie weit wir gehen. Wie weit wir gehen, um zu helfen oder zu schaden. Und genau darin liegt die Faszination, das eigentlich Unbeschreibliche.
Kurz: Es geht im die Wirklichkeit."
Zitat aus dem Vorwort
Ein Buch, das Spuren hinterlässt
Das Zitat aus dem Vorwort lässt uns erahnen, dass es in dem Buch um mehr geht als um den billigen Thrill, die Gänsehaut auf dem Rücken oder die Pointe: Das Thema das Buches ist "Menschsein" und das geht uns alle an. Sind wir nicht alle auch einmal Täter und einmal Opfer? Wie reagieren wir, wenn wir provoziert werden, etwas erreichen wollen, in Not geraten? Und wie weit würden wir theoretisch gehen? Können wir das wissen?
Gehören wir manchmal zu einer anderen Art von Mensch, die Gutenraths Buch munter bevölkert? Menschen, bei denen man denkt: "Denen geht es zu gut, wer keine wirklichen Probleme hat, muss welche erfinden." Oder gehören wir zu denen, die einfach einmal die "Bullen" beschimpfen, weil sie nie da sind, wenn man sie braucht?
Doch bei aller Tiefe wird das Buch nie moralinsauer-sentimental. Gutenrath erzählt einfach Geschichten: Einmal angespannt, dann amüsiert, auch einmal genervt, doch geprägt von einer empathisch-wohlwollenden Haltung. Es ist ein Buch, das einen nicht mehr loslässt bis zu dem Moment, in dem man es weglegt. Dann merkt man, dass es Spuren hinterlassen hat: Ich habe gelacht, mitgezittert und bin ein bisschen nachdenklich geworden. Es ist ein Buch für alle Menschen, die Geschichten lesen und nebenbei etwas über das Leben und sich selber lernen wollen.
Bitte mehr davon!
Ich bin übrigens "per du" mit Cid Jonas Gutenrath. Auf den letzten Seiten des Buches beschließt der Autor, mit seinen Lesern per du zu sein, denn "wir haben ja einiges zusammen durchgemacht." Und so möchte ich sagen: Lieber Jonas (so nennst du dich doch meistens?), falls du das hier liest: Das Buch hast du gut gemacht, fünf Sterne! Bitte schreib noch eins!
Bildquelle:
Karin Scherbart
(Asterix bei den Pikten – Rezension)