117 Jahre Müller'sches Volksbad – Münchner Juwel des Jugendstils
Unter den historischen Pools ruht die komplette Badeabteilung ebenfalls aus der Jahrhundertwende. Und sie wird bis heute genutzt.Müller´sches Volksbad München (Bild: Katti Mieth)
Sschwitzbad (Bild: Katti Mieth)
Im Schwitzbad (Bild: Katti Mieth)
Tauchbecken im Müller´schon Volksbad (Bild: Katti Mieth)
Müller´sches Volksbad München (Bild: Katti Mieth)
Müller'sches Volksbad damals und heute
"Die Wannen- und Duschabteilung war praktisch, wird auch heute noch während der Wies'n-Zeit von Gästen oder ganzjährig von Bauarbeitern oder Obdachlosen genutzt", erzählt Schichtleiter Christian Förtsch. "Ein Wannenbad ist dabei auf 45 Minuten begrenzt. Manche bestellen deshalb gleich zwei Einheiten, die sogenannte "Doppelwanne", um länger zu relaxen oder sich waschen zu können."
Ob diese "Doppelwanne" auch für Liebespaare gilt, da muss Förtsch schmunzeln: "Nein, das geht nicht. Die Wanneneinrichtungen dürfen nur von Einzelpersonen genutzt werden", denn eine Wanne sei ja schließlich der Hygiene verpflichtet, so der Bademeister.
"Zu Zeiten der industriellen Revolution gab es an den Badekabinen noch Vorhänge, Türen kamen erst später", greift Förtsch auf Erinnerungen seines Vaters zurück – er selbst habe im Jahr 1901 ja noch nicht gelebt.
"Es soll eine Art Zeichenkombinationen gegeben haben, die sich der Badegast zu merken hatte. Nannte er die korrekte Kombination von Rose, Kuh oder Rädchen, sperrte der Bademeister die Kabine auf, war die Kombination falsch, blieb sie verschlossen und der Bademeister hielt eine Standpauke. Das hat mein Vater noch erlebt, auch dass der Bademeister ihm für 10 Pfennige den Rücken schrubbte."
Müller´sches Volksbad München (Bild: Katti Mieth)
Müller´sches Volksbad (Bild: Kattia Mieth)
Frauen- und Männerschwimmhalle
Damals waren Männer- und Frauenschwimmbad noch getrennt. Im Jahr 1989 mussten die Damen dann "ihr" Frauenbecken der Allgemeinheit abtreten.
Heutige Badegäste kämen gern in kleinen Gruppen ins ehemalige Frauenbecken, um an die "gute alte Zeit" anzuknüpfen, beobachtet Förtsch: "Während hier einige am Beckenrad gern einen Ratsch halten, ziehen andere im Männerbecken ihre Bahnen, so wie unsere älteste Kundin, die seit Jahrzehnten wöchentlich ihre sieben durchzieht.
"Einmal wurde ich von einem älteren Herrn gefragt, ob der schöne Eingang des Müller'schen Volksbades noch an Ort und Stelle wäre," so der Schichtleiter. Als junger Mann hätte der Gast in München studiert und weil er ein wenig schwächlich gewesen sei, empfahl ihm sein Arzt das Schwimmen. Daraufhin hätte er im Volksbad schwimmen gelernt, heute könne er glücklich sagen, dass die Leibesübungen ihm das Leben gerettet hätten."
Dann kämen auch Menschen, die nachschauen, ob es das Bad noch gibt, so der Schichtleiter, der schon über elf Jahre seien Dienst im Volksbad tut: "Ja, ich berichte gern von meiner Arbeitsstelle, denn es ist ein ganz besonders Schwimmbad. Hier fühlen sie sich in eine andere Zeit versetzt.
Nicht einmal in der Eingangshalle gibt es Automaten, unsere Badegäste bekommen persönliche Betreuung und eine Eintrittskarte wie Anno Dazumal."
Müller´sches Volksbad an der Isar (Bild: Katti Mieth)
Münchner Badgeschichten & das irisch-römische Schwitzbad
Eine liebevolle Story erzählten ihm die über 80-jährigen Zwillingsschwestern aus Tschechien.
Beim Wiedersehen mit dem Münchner Bad seien sie vom königlichen Bau des Architekten Carl Hocheder begeistert gewesen, und berichteten anschließend vom tschechischen Bad, ebenfalls von Hocheder erschaffen, wie verschandelt sie es vorgefunden hätten. Dort, wo sie einst schwimmen lernten, seien die Jugendstil-Schätze durch Kunststoff ersetzt worden – eine Schande.
Seit über hundert Jahren schwimmen und schwitzen hier Badegäste aus Tschechien oder anderen Ländern.
Nachdem die antike Badekultur der Griechen im Mittelalter in Vergessenheit geriet, wurde sie im 19. Jahrhundert wieder aus der Taufe gehoben: "Aus jener Zeit stammte noch der Marmorstein, auf dem ein blinder Masseur mit Wunderhänden seine spektakulären Heil-Seifenmassagen durchführte. Diesen historischen Marmorstein gibt es leider heute nicht mehr, er wurde durch eine finnische Sauna ersetzt," so der Bademeister.
Schwitzbad und Schwimmhallen beherbergen viel Symbolik, Gesichter der Medusa und des Neptun im Widerstreit oder Anzeichen der Zahlenmythologie, wie zum Beispiel die "Fünf Duschen".
"Was das ist? Der Badegast steigt in ein Rohrgestell mit Hunderten von Wasseröffnungen, die "Eiserne Jungfrau", um die eiskalten, scharfen Wasserstrahlen zur Vorreinigung zu erhalten," so der Bademeister.
In den 35 Grad Celsius heißen Gefilden des Schwitzbades steigt der Badegast dann unter der Lichtkuppel mit Kronleuchter in den relaxenden Pool. Wenn er kneipen möchte, kann er auch das tun, denn Müllers irischer Arzt war Impulsgeber einer Kneippanlage.
Zum Kneipen und Schwitzen kommen Mittags- oder Abendgäste, andere können die 45, 60 oder 80 Grad heißen Zellen kaum erwarten, stehen schon am Morgen in der Warteschlefe, erzählt der immer wieder erstaunte Bademeister: "Aber Vorsicht! Im 80 Grad heissen Raum können Sie sich nur mit Saunaschuhen aufhalten, da der Boden so heiß ist, dass man sich ohne Schlappen die Füsse verbrennen würde."
Müller´sches Volksbad aus der Jahrhundertwende (Bild: Katti Mieth)
Auf Rundgang
Acht bis 14 Kilometer täglich legt Schichtleiter Förtsch durch die Anlangen des Bades zurück, in Rettungsübungen muss er selbst einmal im Monat ins Wasser: "Abtauchen, aus dem Wasser holen, den tiefliegenden Wasserspiegel überwinden, am Beckenrand übergeben. Dass ein Badegast in Not gerät, kommt aber Gott sei Dank eher selten vor," so Förtsch.
Nur einmal sei ein Taucher nicht wieder hochgekommen, das drohende Unheil im Blick, sprang Förtsch behände rein, zog den Mann hoch und rettete ihm das Leben.
Entlang schmiedeeisener Treppengeländer geht es hinauf zum "Model": "Dieses Relikt lag verstaubt auf dem Speicher des Hauses – heute hat es seinen gebührenden Platz im Entrée. Das Gipsmodel für den großen Löwenkopf mit Wasserspeicher der Großen Halle zeigt Neptun," schwärmt der Schichtleiter, der sich freut, dieses Teil geborgen zu haben. "Unser am meisten fotografiertes ist jedoch nicht das Model oder der Brunnen," so Förtsch, "sondern die Sternzeichenuhr aus der Zeit des Jugendstils: Sie ist einzigartiges Zeitdokument des Baus im sakralen Barockstil."
Von den heiligen Hallen der historischen Pools führt der Rundgang zum neu errichteten Aussenbereich. Jedoch auch hier befinden sich Zeichen des ausgehenden Jugendstils: "Hier soll sich, einem Atrium gleich, der Zugang zum Maschinenhaus befunden haben."
Abschließen möchte Schichtleiter Förtsch mit einer Anekdote: "Einmal wurde ich gefragt, wieviel Wasser denn in diesem Becken drin sein würde - da sind an die 1000 Kubikmeter Wasser drin. Dann wollte der Gast wissen, wie oft wir Wasser ablassen würden. Wasser wird nur einmal im Jahr abgelassen, seine in den Fluten verloren gegangenen Kontaktlinsen könne und müsse er wohl leider vergessen, die wären längst weggeschwärmt."
Müller´sches Volksbad (Bild: Katti Mieth)
Hinter den Kulissen
An Förtsch's Führungen durch das Müller'sche Volksbad können Sie jeden letzen Freitag im Monat für fünf Euro teilnehmen.
Hierzu ist eine Anmeldung erforderlich, die Teilnehmerzahl ist auf 15 begrenzt.
Quelle: Rundgang mit Schichtleiter Christian Förtsch, Vor-Ort-Recherche mit Selbsttest in Schwitzbad und Schwimmhallen.
Café im Volksbad München im Müller'schen Volksbad.
Bildquelle:
jimmywayne / Flickr
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