Theresia Kandl - die schönste Mörderin von Wien
Als erste Frau wegen Mordes in Wien gehängt wurde Theresias Leiche rasch zum Objekt der Begierde.Therese holt die Axt aus dem Keller
"Auskheuden hob i's nimma”, schluchzte die Theresia im Vernehmungszimmer, als Gerichtskommissär Seißer nach unzähligen Verhören endlich ans Ziel gekommen war. Immer wieder habe ihr Mann sie geschlagen, beteuerte Theres, war oft betrunken und bösartig. Da fasste sie im Winter 1808 den "Entschluss”. Es war der neunzehnte Dezember und der Kandl wie so oft im Rausch. Missmutig war er vom Einkaufen heim gekommen, hatte seiner Frau lustlos noch ein paar Schläge angedroht und sich schließlich schlafen gelegt. Als sie ihn wie gewohnt schnarchen hörte, brachte die wütende Theres die Axt aus dem Keller und zertrümmerte ihrem Ehemann den Schädel. Zugeschlagen habe sie mehrmals, gab die Therese an, richtig in Rage sei sie gekommen. Diese "Rage” deckte sich durchaus mit der Leichenbeschau durch den Wundarzt, welcher "nicht weniger als zehn teils tödliche, teils mindere Wunden” feststellte. Doch als das Werk vollbracht war bekam sie es mit der Angst. Wie den Körper verschwinden lassen, wie alles vertruschen? Tatsächlich hatte der alte Seißer seine Zweifel an der Geschichte, denn die am hohen Markt eingegangene Meldung besagte, "daß in der Piaristengasse an der Mauer beym Tempel eine Mannsperson erschlagen und der Kleydung beraubt worden seye..” Im heutigen Wien ist besagte Gasse Teil des achten wiener Gemeindebezirkes, Therese aber wohnte am Hungelgrund Nummer 9, zum Salzküffel. Solch klingende Adressen existieren in Wien heute kaum noch, allerdings lässt sich feststellen, dass Familie Kandl in Matzleinsdorf gelebt hat, einige Kilometer vom Fundort der Leiche entfernt.
Glaubt man den Protokollen, war Therese Kandl eine überaus attraktive Person: "Von schlanker Leibesstatur hat sie ein längliches, sauberes Gesicht, schöne Nase, blaue Augen und blonde, rückwärts in einen Chignon geschlungene Haare.” In einer weitere Passage heißt es: "..trägt am Leibe ein blaulicht mit weißen Tupfen versehenes Korsett, einen rot, mit weißen Tupfen versehenen kotonenen Rock, ein leinenes, geblümtes sowie ein blau - mußlinenes Tüchel um den Hals, weiße Strümpfe und schwarze, lederne Schuhe.” Das Wesen der Frau wird als sanftmütig beschrieben, stets um Contenance bemüht, zumindest solange bis der Name Michel Pellmann fiel.
"Was war mit dem Fleischhauer”, fragte Seißer, der mittlerweile Recherchen hatte anstellen lassen.
Therese, die bisher als Duldnerin aufgetreten war und des Schicksals schwere Schläge tapfer zu ertragen schien, wurde unruhig. Zweifellos hatte der Kommissär die Veränderung an Therese bemerkt und beschloss, die Katze aus dem Sack zu lassen:
"Das Kind ist doch vom Pellmann”, sagte er. "Gib zu deine Schand!”
Laut den Gerichtsakten begann die Kandlin zu toben und verhielt sich ihrem Gegenüber dermaßen aggressiv und respektlos, dass sie von einem Polizeidiener gewaltsam entfernt werden musste. Therese verbrachte ihre erste Nacht im Gefängnis, am nächsten Tag wurde des Verhör fortgesetzt. Tatsächlich hatte die junge Frau noch vor der Hochzeit mit dem alten Kandl ein uneheliches Kind zur Welt gebracht, dessen Vater nicht eruiert werden konnte. Das Kind verstarb bereits Wochen nach der Geburt, die Schande aber blieb. Eine Hochzeit sollte die Gefallene wieder rein waschen. In den kommenden Verhören belastete Therese den Michel schwer, er habe die Tat geplant und ausgeführt, sie sei nur Mitwisserin gewesen. Ihn zu befragen gestaltete sich allerdings als schwierig, denn Pellmann war zum Militär gegangen und seine Stationierung im Kriegsjahr 1809 nicht leicht auszumachen. Endlich aber konnte er nach seiner Rückkehr in Mauer vernommen werden und ein sicheres Alibi angeben. Mehr als dass er mit der Resi vor und nach der Eheschließung sündig umgegangen wäre konnte man ihm nicht nachweisen.
"Der Pellmann war's nicht”, sagte Seißer erbost, "also wer hat dir geholfen?”
Diese Frage blieb ungelöst. Allerdings legte Therese ein umfangreiches Geständnis ab, konnte detaillierte Angaben zum Tathergang machen und im Zuge einer Hausdurchsuchung wurde auch das Tatwerkzeug gefunden, welches noch heute im Kriminalmuseum bestaunt werden kann. Mehr als ein paar Blutspritzer im Schlafzimmer und ein blutverschmierter Anzug waren von dem Ehegatten nicht geblieben.
Den hatte die Therese übrigens in einer stürmischen Winternacht quer durch Wien geschleppt, in einer großen Butte, die sie auf dem Rücken trug. Ein klein wenig Ironie mag jene gruselige Nacht noch erhellt haben, in Form jenes freundlichen Polizisten der durch Zufall Thereses Weg kreuzte und bemerkte, an welch schwerer Last die schöne Wienerin trug. Höflich machte er der jungen Frau seine Aufwartung und rückte die Butte wieder zurecht. In der Piaristengasse aber war Schluss. Einen Plan zur Beseitigung der sterblichen Überreste hatte die erschöpfte Theresia offensichtlich niemals verfolgt, sie ließ den alten Kandl schlicht in den Schnee gleiten und eilte rasch davon.
"Gantz Wien war auf den Beynen”, heißt es. Und weiter notiert Anton Ferdinand von Geusau in seinem "Historischen Tagebuche” von 1809: "Da man in Wien noch keine Weibsperson hatte hängen sehen war der Zulauf des Volkes unbeschreiblich!”.
Eine Frau am Galgen hatte es in dieser Stadt tatsächlich noch nicht gegeben. Und es sollten rund neunzig Jahre vergehen, bis in Wien eine Verurteilte wieder gerichtet wurde.
Zum Ablauf der Exekution gibt es durchaus unterschiedliche Beschreibungen, doch als gesichert kann zumindest gelten, dass die Hinrichtung unter ungewöhnlich großem Aufwand durchgeführt wurde. Dreihundertzweiunddreißig Mann Kavallerie und Infantrie wurden am 16. März aufgeboten um für Ordnung zu sorgen, bei der berüchtigten "Spinnerin am Kreuz”. Schon in den frühen
Morgenstunden war der offene Malefiz - Wagen am Hohen Markt abgefahren, rumpelte durch die engen Gassen der Stadt, ließ Häuser und Plätze endlich hinter sich um gegen 10 Uhr sein Ziel zu erreichen. Gespannt wartete man auf die schöne Mörderin mit den "kaiserblauen” Augen und dem langen, blonden Haar. Schreckensbleich soll sie laut Protokoll gewesen sein, aber aufrecht und gefasst. Bevor der "Freymann” ihr die Schlinge um den zarten Hals legte, soll sie sich noch einmal umgesehen haben. Letzte Worte gab es keine. Einem Gerücht zufolge, welches die vom Tod seit jeher faszinierten Wiener dankbar aufgriffen, habe sich der Pellmann Michel unter den Wachsoldaten befunden, die der Hinrichtung beiwohnten. Ihn habe sie gesucht, wurde noch Jahre später erzählt, selbst als die Schlinge sich schon zu zog. Tatsächlich lässt sich die Anwesenheit oder auch nur der Aufenthaltsort Pellmanns nicht eruieren. Wahrscheinlicher ist wohl, dass Theresia alleine starb.
Eine andere Version der Vorgänge rund um die "Spinnerin” zollt der Deliquentin weit weniger Respekt. Chaotisch und schamlos soll es zugegangen sein, Theresia selbst habe die Stimmung auf dem weg zum Galgen mit Ausrufen wie: "Jessas, mei Haub'n " und "Sö, mein Schuach verlier' i! Hörn'S net?” noch zusätzlich angeheizt und dem johlenden Publikum einen unvergesslichen Tag beschert. Bis sechs Uhr abends hatte sie zu hängen, erst bei Einbruch der Dunkelheit durfte man sie von rechtswegen abnehmen und am "Selbstmörderfleck” ehrlos begraben. Es ist davon auszugehen, dass die "Galgenparty” der Schaulustigen sehr viel länger gedauert hat.
Bildquelle:
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(John McLoughlin - Der Vater von Oregon)
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(Herman Lehmann - Ein Leben zwischen zwei Welten)