Unser erstes Erlebnis mit Delfinen ...

Unser erstes Erlebnis mit Delfinen - Sept. 1986 (Bild: Susanne Edele)

1. Der Lebensaufgabe beraubt

Wer sich anschaut, wie Orcas, die größten Vertreter aus der Familie der Delfine, in freier Natur leben, kann nur fasziniert sein. Dokumentationen zeugen von hoher Intelligenz und Erfindungsreichtum, was vor allem die Jagd betrifft. Je nachdem, in welcher Region eine Walfamilie lebt, haben sich die Tiere auf ihre bevorzugte Beute spezialisiert. Sie entwickeln hoch effiziente Jagdtechniken, um möglichst erfolgreich Beute zu machen. So spezialisieren sich z.B. Orcas in Chile auf Robben im seichten Wasser. Mit einer Welle lassen sich die Tiere bis an den Strand treiben, um unvorsichtige Robben zu erwischen. Mit viel Geschick, welches den Kindern von der Mutter Schritt für Schritt gelehrt wird, gelingt es den schweren Tieren wieder zurück ins Meer zu gelangen. In Norwegen werden große Fischschwärme eng zusammengedrängt und dann mit den großen Schwanzflossen bewusstlos geschlagen. Eingesammelt und gegessen wird dann gemeinsam. Die Jagd und Futteraufnahme, das Erlernen und Weiterentwickeln von Techniken, damit das Überleben der Familie gesichert ist, wird wohl den Hauptteil ihrer Zeit in der freien Natur ausmachen. Nebenbei bleibt jedoch immer noch genug Zeit, um ausgiebig Sozialkontakte zu fördern und zu spielen.

Im Delfinarium bekommen Orcas ihren toten Fisch, den sie übrigens in der Natur nicht fressen würden, mundgerecht ins Maul gelegt. Beschäftigt werden die Tiere mit Kunstückchen, die wohl kaum so anspruchsvoll sein können, um die Jagd draußen zu ersetzen. In der Zwischenzeit dümpeln die Tiere gelangweilt und frustriert im künstlichen Becken.

Faszinierende Dokumentation
in freier Natur

2. Der Familie beraubt

Orcas leben entweder als ortsansässige Großfamilien mit 10 - 25 Mitgliedern, als Umherziehende in Kleinfamilien mit 1 - 5 Mitgliedern oder als Hochseeorcas mit Gruppengrößen von 30 - 60 Stück. Normalerweise bleiben die Familien ein Leben lang zusammen und sind als soziale Gemeinschaft stark aneinander gebunden. Jede Familie hat ihren eigenen Dialekt, mit dem er sich unterhält. Dieser muss den Kälbern, ähnlich wie beim Menschen, erst beigebracht werden. Unterschiedliche Familien können sich also schlecht bis gar nicht verständigen.

Für ein Delfinarium müssen Tiere erst mal gefangen werden. Das bedeutet, dass Jungtiere aus ihrem Familienverband herausgerissen werden und dabei schweren Traumata wie posttraumatischem Stress, physische und emotionale Störungen und Depressionen ausgesetzt werden. Die Tiere haben Angst, massive Adrenalinausschüttung und Panikattacken. Viele der Tiere sterben entweder schon bei der Gefangennahme, beim Transport oder kurze Zeit später in ihrer neuen Heimat. Die Hinterbliebenen Familienmitglieder müssen hilflos mit ansehen, wie ihre Jungtiere abtransportiert werden und sie diese nie wiedersehen. Seit 1961 sind 136 Tiere gefangen worden und an Delfinarien verkauft. Wildfänge halten bis heute an.

Im Delfinarium fristen sie entweder ein einsames Dasein (insgesamt 4 der 48 in Gefangenschaft lebenden Orcas, einer seit 1980), oder treffen dann auf andere Tiere aus fremden Familien zusammen, deren Sprache sie gar nicht sprechen. Im beengten Becken ohne ausreichend Rückzugsmöglichkeiten entstehen Dominanzkämpfe und Aggressionen. Tiere verletzen sich oft gegenseitig. Kaum ein Tier ist ohne tiefe Narben zu finden. Bei einer Show verblutete ein Orcaweibchen nach einer Verletzung einer Arterie vor den Zuschauern. Orcas werden auch zwischen Delfinarien ausgetauscht, was wiederum Gruppen auseinanderreißt und Tiere sich erst wieder aneinander gewöhnen müssen.

3. Der Weite des Ozeans beraubt

Die endlosen Weiten des Ozeans können auch beim besten Willen nicht artgerecht nachgebaut werden. In der Regel sind die Becken nicht mal annähernd naturnah. Es handelt sich um schlichten, tristen Beton. In der freien Natur tauchen Orcas ca. 60 m tief und legen bis zu 150 km pro Tag zurück. Die Becken, in denen Orcas gehalten werden, müssen hingegen nur eine Tiefe von 4,5 Meter haben. Für einen Orca wird in den USA eine Mindestgröße von 324 m2 verlangt. Vor Langeweile schwimmen die Orcas ständig im Kreis, welches als stereotypisches Verhalten bezeichnet wird, oder sie liegen lange Zeit regungslos auf der Wasseroberfläche, was z. B. in Florida zu Sonnenbränden führen kann. Die in freier Wildbahn hoch aufgerichtete, bis zu 1,80 m lange Rückenflosse, die dem Schwertwal seinen Namen einbrachte, hängt durch Schwerkraft und fehlende Bewegung bei allen männlichen Orcas mit der Zeit schlaff auf einer Seite.

4. Der Gesundheit beraubt

In den wenigsten Delfinarien kann richtiges Meerwasser ins Becken gepumpt werden, und dann auch nur speziell aufbereitet. Um die empfindlichen Meeressäuger vor Keimen zu schützen, wird das Wasser oft mit großen Mengen Chlor und anderen Chemikalien versetzt, vor allem in älteren Delfinarien, wo die Filtersysteme und Pumpen schwächeln. Immerhin fallen am Tag doch größere Mengen Urin und Kot an. Die meisten Tiere haben Hautprobleme in Form von Ekzemen und sind anfällig auf Pilze. Chlor reizt Haut und Schleimhäute, vor allem die Augen sind oft betroffen.

Stress und Aggressionen äußern sich bei vielen Orcas als Drohgebärde in Form von Zähneklappern, was auf Dauer den Zähnen schadet. Vor Langeweile nagen die Tiere die Beton-kanten ab und sorgen so für noch mehr Zahnprobleme. Werden die Tiere zwischen den Shows getrennt, nagen sie an den Gittern, sodass mit der Zeit die Zahnhälse freiliegen. Zahnprobleme erhöhen deutlich die Gefahr von Lungenentzündungen, Herzkrankheiten und vielem mehr. Um die Aggressionen etwas einzudämmen und die Tiere ruhigzustellen, werden scheinbar auch Psychopharmaka verabreicht.

Ein weiteres Problem ist die ständige Lärmbelästigung durch die Menschen, die Umwälzpumpen und die Laute Musik bei den Shows. Im Prinzip haben die Tiere niemals richtig Pause. Zu bestimmten Zeiten müssen sie für die Show zur Verfügung stehen, mehrmals am Tag.

Die Believe Show

Meine Gedanken zur Show:

Natürlich habe ich mir die Show auf Video angesehen. Die Show ist mit viel Tamtam aufgezogen und geht fast in Richtung Musical. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass es für die Orcas geistige Auslastung genug ist, die immer gleichen Kunststückchen mehrmals am Tag auszuführen. Publikum nass spritzen, aus dem Wasser springen oder Trainer vor sich herschieben kann definitiv nicht das Leben im Meer ersetzen. Viel mehr hat mich die obige Dokumentation in freier Wildbahn beeindruckt.

5. Der Fortpflanzung beraubt

Von 48 in Gefangenschaft lebender Orcas sind nur noch 16 Wildfänge. Das erscheint eigentlich erst mal positiv. Auf den zweiten Blick kann man jedoch erkennen, dass die Nachzucht der Orcas, und auch der Delfine, keineswegs problemlos gelingt. Ein großer Teil der Orcas hat Fehl- oder Totgeburten, auch die Säuglingssterblichkeit ist sehr hoch. Sollten die Jungen tatsächlich überleben, sind die Mütter total überfordert, weil sie nie gelernt haben, wie man einen Säugling versorgt. Viele Babys werden verstoßen und man versucht sie, mit der Hand aufzuziehen. Die Quote wird zwar etwas besser, da immer mehr an Haltungsbedingungen optimiert wird, jedoch stellt sich mir die Frage, warum man mit aller Gewalt ein Wildtier in Gefangenschaft vermehren und halten muss, wenn die Umstände so suboptimal sind, dass ein großer Teil der Tiere stirbt. Ein dramatisches Beispiel ist Corky. Sie bringt 1977 das erste lebende Kalb in Gefangenschaft zur Welt. Es stirbt nach 16 Tagen. Zwischen 1978 und 1986 kommen weitere 4 Babys zur Welt. Das Älteste wurde 46 Tage alt. 1986 folgte noch eine Totgeburt. Dann konnte Corky keine Kälber mehr bekommen.

6. Dem freien Willen beraubt - Aggressionen gegen Trainer

Immer wieder kommt es zu Aggressionen auch gegen Trainer, die im Wasser mit den Tieren trainieren und auftreten. Nur über die schlimmsten Verletzungen und Todesfälle wurde in den Medien berichtet. Von Pro Wildlife gibt es eine 4-seitige Liste mit allen Übergriffen und aggressivem Verhalten gegenüber Trainer und Artgenossen, die durch die einzelnen Wale begangen wurden. Die Dunkelziffer könnte weitaus höher liegen. Durch die Betreiber der Delfinarien wird das Ganze oft runtergespielt und verharmlost.

Aggressives Verhalten gegenüber Menschen wird in der Natur nicht beobachtet.

Die Wale in Gefangenschaft haben sicher nicht schuld an ihrem Verhalten, sondern sind durch ihre frustrierende Haltung manchmal gezwungen, Dampf abzulassen. Sie können sich nicht aussuchen, mit wem sie zusammenleben und in der enge der Becken bestehen auch kaum Ausweichmöglichkeiten, was Stress für die Tiere bedeutet.

Insgesamt gab es vier Todesfälle, 3 Trainer und eine Privatperson, die sich nachts im Park einschließen ließ und wohl heimlich ins Becken des Wals stieg. Der gleiche Wal, Tilikum, ist auch in die Todesfälle von zwei der 3 getöteten Trainer verwickelt. 1991 ertränkt er mit zwei weiblichen Orcas die Trainerin Keltie Byrne. 2010 packte er seine Trainerin Dawn Brancheau und zog sie unter Wasser. Sea World änderte daraufhin 1 Jahr lang seine Show. Die Trainer durften nicht mehr zu den Walen ins Wasser. Nachdem mehrere Sicherheitsmaßnahmen installiert wurden, gibt es nun wieder Shows im direkten Kontakt.

Glück hatte Trainer Kenneth Peters, als er von Kasatka, eine Orcadame aus Island, mehrmals unter Wasser gezogen wird. Schon früher wurde er von Ihr bedroht. Mit einem gebrochenen Fuß kann er sich aus dem Becken retten.

Gründe genug für mich ...

um nie wieder einen Schritt in ein Delfinarium zu machen. Ich hoffe, dass viele ebenfalls so denken und so Delfinarien mit der Zeit verwaisen und auslaufen. Ein aktueller Erfolg 2013 für Tierschützer ist im Moment die Schließung der Delfinhaltung des Connylands, da für die Schweiz ein Importverbot für Delfine durch Aktionen der deutschen Tierschutzorganisationen von ProWal und WDSF, erwirkt wurde. Mit nur mehr 3 Delfinen wäre also auch keine Nachzucht möglich. Vor Kurzem starben zwei Delfine an Antibiotikavergiftungen. Gegen den Tierarzt wurde Strafanzeige gestellt. Insgesamt starben im Connyland seit der Eröffnung 30 Tiere. Was mit den drei verbliebenen Tieren geschieht, ist im Moment noch geheim.

Was geschah eigentlich mit "Free Willy"?

Der wohl bekannteste Schwertwal aller Zeiten ist Keiko, der über Nacht die Herzen der Kinobesucher erobert hatte. Groß war der Aufschrei der Fans, als rauskam, dass Keiko in Mexiko in einem sehr kleinen, viel zu warmen Becken sein Dasein fristet. Noch dazu nur mit zwei Delfinen als Gesellschaft. Er war unterernährt und hatte massive Hautprobleme. Der Ruf nach Freiheit wurde sehr laut. Das führte dazu, dass die Free Willy Keiko Foundation gegründet wurde, welche Keiko kaufen konnte. Er wurde in ein größeres Becken nach Oregon überführt. Ziel war es, den Wal wieder auszuwildern. Kein leichtes Unterfangen nach 16 Jahren Gefangenschaft. Keiko wurde mit ca. 1 - 2 Jahren gefangen, wesentliche Kenntnisse darüber, wie man draußen überlebt, kannte er gar nicht. Fische fangen war ihm anfangs unheimlich. Aber er lernte es. Von der US Air Force wurde er dann mit Hilfe von Spendengeldern nach Island in eine Bucht geflogen, wo er weiterhin auf ein Leben im Meer trainiert wurde. Insgesamt kostete die Rettungsaktion 20 Millionen Dollar. Die Aussicht auf Erfolg war eigentlich sehr gering. Dennoch konnte er nach 6 Jahren als freier Wal im Atlantik schwimmen. Ab hier gibt es dann verschiedene Versionen vom Ende des 27-jährigen Killerwals. Die einen behaupten, er hätte sich nicht zurechtgefunden und wäre einem Fischerboot nach Norwegen gefolgt. Nach der zweimonatigen Reise wäre er ziemlich ausgehungert gewesen und ließ sich wieder aufpäppeln. Die anderen berichten davon, dass er seine Reise gut ernährt überstanden hatte. Da sich Keiko jedoch nicht an andere Orcas anschließen konnte, seine Familie zu finden war aussichtslos, ließ er sich in einem Fjord in Norwegen nieder und wurde zur dortigen Attraktion. Er konnte kommen und gehen, wann er wollte. Leider starb er schon 2 Jahre später an einer Lungenentzündung.

Ich gönne ihm auf jedem Fall die Erfahrung, wieder im Meer schwimmen zu können, auch wenn von Anfang an klar war, dass er wohl nicht einfach seine Familie wiederfindet und weiterlebt, wie vor seiner Gefangennahme. Dass er freiwillig bei den Menschen bleibt, ist nicht verwunderlich, kann so ein Ozean doch auch recht unheimliche sein, so ganz allein.

Auf ins Oregon State Aquarium - Keiko wird gewogen und verladen

Ein neuer Star am Kinohimmel? - Blackfish kommt

Womöglich ist bald der nächste unfreie Vertreter der Schwertwale ein Kassenschlager im Kino, nämlich in Form eines Dokumentarfilms. Anhand des Lebens von Tilikum, des Wales, der für mehrere Todesfälle verantwortlich ist, soll aufgezeigt werden, wie schlecht es den Walen in Gefangenschaft geht. Ein Blick hinter die Kulissen, wofür sich jeder Tierliebhaber interessieren sollte. Nur so kann erreicht werden, dass irgendwann vielleicht das Ende von Delfinshows auf dem Programm steht.

Blackfish startet am 7. November 2013 in den deutschen Kinos. Ich bin schon sehr gespannt auf den Film und darauf, was Sea World und Co. wohl für Geheimnisse bergen.

Sind auch Sie gegen das Halten von Orcas in Gefangenschaft, dann machen Sie mit bei der Aktion von Pro Wildlife. Hier geht's zur Protestaktion.

Trailer in Deutsch

Blackfish auf DVD und Video on Demand

Da der Film leider nicht in vielen Kinos lief, musste ich einige Zeit warten. Doch jetzt ist die Dokumentation auf DVD erhältlich und kann auch z.B. auf Amazon Video ausgeliehen und angeschaut werden. Meine Meinung: Absolut sehenswert! Einige ehemalige Trainer kommen zu Wort und erzählen manchmal unter Tränen, die Missstände und wie sie auch selbst getäuscht wurden. Ein Film, der berührt.

Die Bucht - Ein Film über menschliche Grausamkeit

Gut erinnern kann ich mich noch an den Dokumentarfilm von Ric O'Barry, dem damaligen Trainer von Flipper. Seit vielen Jahren setzt er sich nun schon dafür ein, dass Delfine nicht in Gefangenschaft gehören und von skrupellosen Menschen gnadenlos ausgebeutet werden. Die blutigen Szenen und die verzweifelten Rufe der Delfine, welche in der Bucht zu Massen brutal abgeschlachtet werden, gehen mir bis heute noch nach. Der Film wurde als bester Dokumentarfilm damals mit dem Oscar ausgezeichnet.

SusanneEdele, am 23.10.2013
6 Kommentare Melde Dich an, um einen Kommentar zu schreiben.


Bildquelle:
a.sansone (Kapern - Woher sie kommen, wie sie aussehen und wo sie besonders gu...)
https://pagewizz.com/users/Adele_Sansone (Rosen und die Frage: Dorn oder Stachel?)

Laden ...
Fehler!