Abgeordnetenwatch: Eine Idee und ihre Geschichte

Das Portal Abgeordnetenwatch ging im Dezember 2004 online. Gegründet wurde es in Hamburg als ehrenamtliche Initiative von Gregor Hackmack und Boris Hekele. Heutiger Träger ist der Verein Parlamentwatch e. V., dessen Vorstand von den beiden Portalgründern geführt wird. Kerngeschäft ist die Möglichkeit für Bürger, online und öffentlich Fragen an aktuelle Kandidaten oder Abgeordnete zu richten. Das Portal registriert(e) dabei Geschwindigkeit und Häufigkeit bei der Beantwortung. Ursprünglich war die Idee lediglich auf die Beobachtung der Hamburger Politikszene ausgerichtet.

 Mit dem Erfolg kam jedoch der Sinn für Größeres: Das Portal wuchs, erforderte schließlich eine professionelle Betreuung und war einige Jahre und Umfirmierungen später für jegliche Kandidatenchecks und Parlamente ab Landesebene aufwärts nutzbar. Im Dezember 2022 beschäftigte der Trägerverein nach eigenen Angaben schließlich ungefähr 25 feste und 17 freie Mitarbeiter.

Quer durch das politische Spektrum mehrten sich jedoch bereits nach wenigen Jahren die kritischen Stimmen, die vor Kommerzialisierung und Missbrauch warnten. Tatsächlich war es vor 2017 möglich, anhand finanzieller Zuwendungen auf dem Portal durch ein Foto und ausführlichere Informationen zu punkten. Inwiefern das mit Vertrauen und Transparenz kompatibel war, sei einmal dahingestellt.

Durch den Namen geht ein wenig unter, dass Abgeordnetenwatch mehr ist, als nur die Überwachung der Volksvertreter. Weitere Betätigungsfelder sind die Aufdeckung von Lobbyarbeit, gerichtliche Klagen um Datenherausgabe, Kampagnen und Informationen sowie der Kampf gegen Unternehmensspenden an Parteien. Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Themenfelder niemals neutral bearbeitet werden können, was natürlich das Potenzial hat, den Nimbus vom politisch unabhängigen Portal zu zerstören.

Abgeordnetenwatch ist für die Nutzer kostenlos. Die Suchfunktionen sind allerdings manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, aber nach etwas Übung durchaus handhabbar. Finanziert wird der Trägerverein nach eigenen Angaben über Spenden und Förderbeiträge.

Die Beschlagnahmung der Demokratie

Abgeordnetenwatch nimmt für sich selbst in Anspruch, lediglich eine Moderatorenfunktion auszuüben. Dem Portalnamen (=Abgeordnetenbeobachtung) wird dies zunächst nicht ganz gerecht. Abgesehen davon stellt sich natürlich die Frage, wieso in einem freien, demokratischen Land mit vielfältigen Kommunikationsmöglichkeiten ein Moderator für Frage und Antwort zwischen zwei Menschen benötigt wird. Der direkte Kontakt zu Abgeordneten ist immerhin möglich. In der Regel tun Politiker sogar alles, um präsent für ihre Wähler zu sein. Sie sind per Mail, telefonisch und natürlich postalisch erreichbar, unterhalten Abgeordnetenbüros und lassen sich bei der Parlamentsarbeit über die Schulter schauen.

Einen Online-Vermittler braucht also eigentlich niemand. Das behindert manchmal sogar den freien Meinungsaustausch, da ein öffentliches "Gespräch" sehr sorgfältig abgewogene Formulierungen erfordert. Immerhin begreift sich Abgeordnetenwatch ja auch als digitales Gedächtnis. Jeder geschriebene Satz bleibt theoretisch ewig für die Öffentlichkeit verfügbar. Es ist nicht auszuschließen, dass so mancher Politiker dies als Drohung auffasst.

Befürworter des Öffentlichkeitsgedankens argumentieren hingegen, wer sich nicht auf eine öffentliche Meinungsäußerung einlasse, sei kein echter Volksvertreter. Das trifft bei direkt gewählten Abgeordneten allerdings nicht zu. Sie müssen vor allem den Menschen ihres eigenen Wahlkreises Rede und Antwort stehen. Dort wurden und werden sie schließlich gewählt. Deren Interessen vertreten sie. Für diese Wähler ist der relativ kurze Weg zum direkten Gespräch im Wahlkreisbüro ihres Abgeordneten der effektivere Weg.

Nicht zuletzt kann vom digitalen Gedächtnis ja auch der Fragesteller selbst betroffen sein. Meist noch viel weniger als der Berufspolitiker, ist er in der Lage, ausgewogen und rechtssicher zu argumentieren. Jede unvorsichtig formulierte Frage kann dem Betreffenden Jahre später bei einem Bewerbungsgespräch oder vielleicht sogar bei einer eigenen Kandidatur zum Verhängnis werden. Das digitale Gedächtnis weiß eben nicht, dass Menschen ihre Anschauungen auch manchmal ändern oder weiterentwickeln…

Wer bewacht die Wächter: Statistiken und andere Ungereimtheiten

Trotz seiner immer wieder betonten "Moderatorenfunktion", nahm sich das Portal gelegentlich die Freiheit heraus, Antworten nicht als solche anzuerkennen. Dann erfolgte beispielsweise der Hinweis, es handle sich um eine Standardantwort. Seltsam nur, dass dies im Bundestagswahlkampf 2021 bei Annalena Baerbock anders gehandhabt wurde. Fragen an sie wurden meist von einem "Team Annalena Baerbock" eher nichtssagend beantwortet und enthielten in der Regel Verlinkungen auf das grüne Wahlprogramm, parlamentarische Anträge oder Pressemeldungen. Als beantwortet wurden diese Fragen dennoch gezählt. Mittlerweile werden Standardantworten allerdings in einer eigene Rubrik erfasst.

In schöner Regelmäßigkeit erteilte das Portal bisher zudem "Noten" (den doppeldeutigen Begriff "Zensuren" vermied man wohl lieber). Dabei wurde statistisch erfasst, wie hoch die Antwortquote des jeweiligen Abgeordneten und auch die Antwortquote seiner Fraktion war. Dieses Instrument ist allerdings umstritten, denn es öffnet dem Missbrauch alle Türen. Wenn beispielsweise linksaktivistische Internet-Trolle einen Fragensturm auf einen ihnen missliebigen Politiker eröffnen, hat dieser nur die Wahl, entweder eine schlechte Quote zu kassieren oder aber eben statt sinnvoller Politik-Arbeit die Fragen auf Abgeordnetenwatch zu beantworten.

Nicht zuletzt verschleiert die Praxis der Bewertungen die Tatsache, dass das Portal eben nicht im staatlichen Auftrag handelt und auch keinen gesetzlichen Anspruch auf die Antworten der Abgeordneten hat. Wenn ein Volkvertreter grundsätzlich nicht mit dem Portal kommunizieren möchte, ist es unredlich, ihm 100% unbeantwortete Fragen zu attestieren.

Wie transparent arbeitet Abgeordnetenwatch selbst?

"Weil Transparenz Vertrauen schafft" – mit diesem Slogan wirbt das Portal für sich. Doch wie transparent (also vertrauensvoll) ist Abgeordnetenwatch eigentlich selbst? Tatsächlich gibt das Portal über Finanzierungsstrukturen und Firmengeflechte in eigener Sache recht offenherzig Auskunft. Alles andere wäre wohl auch paradox.

Die Transparenz hinsichtlich der politischen Neutralität ist naturgemäß weniger nachprüfbar. Die beiden Portalgründer entstammen einem eher links dominierten Umfeld. Genau dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man sich die Zeit nimmt und das Portal jenseits der Fragen und Antworten ausgiebig studiert. Linksmoderne Vokabeln wie "Gemeinwohlökonomie", "Gleichstellung" und "Vielfalt" dominieren, formuliert in gendergerechten Textkonstruktionen. Auch Hinweise auf Bio-Lebensmittel, Mülltrennung, Job-Fahrrad und eine ethisch-ökologische Bankverbindung sind nicht unbedingt geeignet, an ein unparteiisches Moderationsteam zu glauben, welches transparente, faire und nachvollziehbare Entscheidungen trifft.

Vor einigen Jahren deckte zudem die den Grünen nahestehende (der Demokratiefeindlichkeit also eher unverdächtige) taz auf, dass das Portal Antworten und teilweise auch Fragen unveröffentlicht gelassen haben soll, weil sie nicht den Vorstellungen der Portalbetreiber von Anstand und Faktennähe entsprochen hätten. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt…

Donky, am 01.11.2023
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