ADHS bei Kindern
ADHS, von der Vermutung bis zur Therapie: Erfahrungen und Tipps für ein sorgenfreies KinderlebenWas ist ADHS?
Immer wieder stößt man als ratloses Elternteil auf Diskussionen, ob das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom mit (ADHS) oder ohne Hyperaktivität (ADS) tatsächlich eine Krankheit, oder doch nur eine Marketingstrategie der Pharmaindustrie ist.
ADHS ist eine Krankheit!
Die Symptome treten nicht aus heiterem Himmel im Schulalter auf.
Bei ADHS Kindern werden die Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn nicht ausreichend gebildet. Die Gehirnzellen können ankommende Informationen nicht richtig übermitteln und filtern.
Für das Kind bedeutet dies, dass es eben Gesagtes nicht mitbekommen hat, gerade Gelesenes nicht mehr weiß oder - etwas viel Interessanteres von dem Vortrag der Lehrerin ablenkt.
Ebenso kann das betroffende Kind Hintergrundgeräusche nicht ausschalten. Es nimmt sie in der gleichen Intensität wahr, wie z.B. das gerade geführte Gespräch mit Ihnen.
So steht das ADHS Kind ständig im Informationsüberfluss und kann sich nicht auf die wichtigen Dinge konzentrieren.
Nicht jedes hyperaktive Kind ist ein ADHS Kind!
In der heutigen Zeit gibt es viele Faktoren, wie z.B. mangelnde Bewegung, zu wenig Zuwendung oder auch zu viel fernsehen und Computerspiele, die dazu beitragen, dass das Kind unausgeglichen ist.
Umgekehrt ist nicht jedes Kind mit dem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom ein hyperaktives Kind!
Die ADS Kinder (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität) haben die gleichen Konzentrations- und Lernschwierigkeiten. Hier fällt das Kind nicht durch störendes Verhalten auf, sondern erst, wenn die geforderten Leistungen nicht abgerufen werden können.
ADHS - Die Ursachen
Vermutlich stehen folgende Ursachen im Zusammenhang mit ADHS:
- Sauerstoffmangel während der Geburt
- Missbrauch von Nikotin, Alkohol oder Drogen während der Schwangerschaft
- Nahrungsmittelallergien
- bei Kindern, deren Eltern ADHS haben, besteht ein erhöhtes Risiko, dass sie ebenfalls daran erkranken
ADHS - Die Symptome
Diese Auflistung der Symptome erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist auch nicht bei jedem ADHS Kind jedes Symptom vorhanden. Sie soll nur Anhaltspunkte geben:
Klein- und Vorschulkinder:
- sehr hilfsbereit und anhänglich
- ausgeprägtes Trotzverhalten
- lernt überdurchschnittlich schnell laufen und sprechen
- kann sich schlecht alleine beschäftigen
- ist in allem was es tut, laut und unkontrolliert
- nicht altersgemäße Feinmotorik
- findet keine Freunde
Grundschulkinder:
- lässt sich schnell begeistern, findet es dann aber genauso schnell langweilig
- sehr hilfsbereit und gerechtigkeitsliebend
- der Unterricht und auch Gespräche werden gestört
- ruhig sitzen ist eine Qual
- Regeln und Vorgaben werden ignoriert
- kann keine Ordnung halten
- lässt sich schnell ablenken
- ist unaufmerksam und laut
- hat wenig Ausdauer, Aufgaben zu beenden
- fühlt sich unverstanden und reagiert aggressiv
Jugendliche:
- unaufmerksam
- kaum Selbstwertgefühl
- Aussenseiter
- keine Leistungsbereitschaft, Motivation fehlt
- erhöhte Unfallgefahr
- anfällig für Straftaten und 'falsche Freunde'
- anfällig für Alkohol- und Drogenmissbrauch
- Depressionen (Hat eh alles keinen Zweck)
ADHS - Die Diagnostik
Die Diagnostik sollten spezialisierte Kinderärzte und -psychologen durchführen.
Sie besteht aus mehreren Untersuchungen und Tests und dauert im Schnitt mehrere Wochen bis Monate.
- Allem voran füllen Eltern und Erzieher oder Lehrer Fragebögen aus. Darin wird nach der Vorgeschichte, den Familienverhältnissen und dem Verhalten des Kindes gefragt.
- Hör - und Sehtests werden durchgeführt, um Defekte auszuschliessen
- Der körperliche Gesamtzustand wird festgestellt, um andere Krankheiten, die für sein Verhalten in Frage kommen könnten, auszuschließen.
- Fein- und Grobmotorik werden in mehreren Tests auf den Prüfstand gestellt.
- Diverse Verhaltenstests werden durchgeführt
- Der Psychologe führt Gespräche mit dem Kind, allein und mit den Eltern.
- Ein altersgerechter Intelligenztest wird gemacht
- Das Gehirn wird mittels eines EEG's untersucht, um andere Krankheiten auszuschliessen.
Erst wenn diese Untersuchungen abgeschlossen und ausgewertet sind, kann man sich sicher sein, dass das Kind ADHS hat oder auch nicht.
ADHS - Die Diagnose - Endlich Gewissheit!
Sie haben die Diagnose ADHS bekommen.
Bei manchen Eltern setzt eine gewisse Erleichterung ein, denn man ist weder eine Rabenmutter, noch ist das geliebte Kind böse oder gestört.
Die jahrelangen Selbstzweifel, nichts richtig gemacht zu haben, weichen dem Glauben daran, dass man jetzt etwas tun kann.
ADHS ist nicht heilbar. Aber mit der richtigen Anleitung und auf das Kind abgestimmten Therapien ermöglicht man den Kindern eine unbeschwerte Kindheit und auch später ein ausgefülltes Dasein.
Die Kinder lernen mit verschiedenen Hilfen, sich selbst besser zu kontrollieren und einen festen Platz im Sozialleben zu finden.
ADHS - Jetzt sind Sie gefragt
Jetzt gilt es, alles über ADHS zu erfahren und sich Gedanken über die anstehende Therapie zu machen.
- Lassen Sie sich von den Kinderärzten und -psychologen beraten
- Tauschen Sie sich mit ebenfalls betroffenden Familien aus.
Eine Empfehlung: Dieses Buch weckt das Verständnis für sein Kind und bietet Ansätze und Wege aus Konfliktsituationen.
Mit dem neuen Wissen kann man anders reagieren, sowohl auf das Kind, wie auch bei den Gesprächen mit Erziehern und Lehrern.
ADHS - Die Therapie
Die Therapie muss individuell auf jedes Kind angepasst werden. In Zusammenarbeit der Kinderärzte, Kinderpsychologen und den Eltern werden verschiedene Aspekte berücksichtigt.
- Die Aufklärung und spätere Zusammenarbeit von Eltern, Erziehern und Lehrern ist eine wichtige Voraussetzung um dem ADHS Kind gerecht zu werden.
- Familientherapien
- Verhaltenstherapien
- Psychomotorische Therapien und Sportgruppen haben sich als sehr hilfreich erwiesen. (Näheres unter 'Tipps für den Alltag' weiter unten.)
- Erst wenn diese Ansätze alleine nicht helfen, weil das Kind schon so sehr sozial abgegrenzt oder nicht mehr ansprechbar ist, wird auch eine medikamentöse Behandlung eingesetzt.
Auf gar keinen Fall ist damit gemeint, dem Kind jeden Tag seine Pille zu geben, damit es keinen Ärger macht. Eltern, die nur auf Tabletten zählen und denken, damit wird alles gut, sind schlichtweg auf dem Holzweg. ADHS Kinder brauchen Anleitungen, Strategien und immer wieder neue Motivation, um sich positiv entwickeln zu können. Diese Aufgabe müssen Sie übernehmen, das kann Ihnen keine Tablette abnehmen.
Aber für manche Kinder ist die Einnahme von Methylphenidat eine Chance. Endlich können sie zeigen, was in ihnen steckt. Erfolgserlebnisse heben das Selbstwertgefühl. Sie trauen sich aus ihrem sozialen Schneckenhaus und können Freundschaften mit Bestand aufbauen. Plötzlich ist er/sie nicht mehr der Aussenseiter.
Eltern erleben das erste Mal, wie das Kind regelrecht aufblüht. Auf einmal geht es gerne in die Schule und trifft sich nachmittags mit Freunden.
Hier geht es nicht darum, das Kind ruhig zu stellen, sondern darum, ihm aufzuzeigen, wie es auch anders geht und seine Lebensqualität zu verbessern.
Die Dauer und Menge der Medikamentengabe ist individuell. Anzuraten ist die kleinste Dosierung, die dem Kind hilft, sich zu ordnen.
Ritalin, Medikinet und Co. sollten aber wirklich als begleitende Maßnahme zum Einsatz kommen und als erster Baustein der Therapie wieder wegfallen. Die Nebenwirkungen können gravierend sein.
Wichtig dabei: Beobachten Sie Ihr Kind und gehen Sie regelmäßig mit dem Kind zum Gesundheitscheck. Ein allgemeiner Gesundheitscheck und ein großes Blutbild vierteljährlich kontrolliert die körperliche Gesundheit.
Helfen Sie Ihrem Kind auf seinem Weg
ADHS - Ein strukturierter Tagesablauf ist wichtig
- Versuchen Sie jeden Morgen die gleiche Reihenfolge einzuhalten und zu festigen, z.B. aufstehen, auf die Toilette gehen, Zähne putzen, anziehen und dann frühstücken.Hat das Kind dies einmal verinnerlicht und merkt, dass alles viel friedlicher abläuft, so geht es ihm auch besser.
Ein Tipp: Geben Sie Ihrem Kind einen eigenen Wecker, legen Sie ihm abends die Anziehsachen für den nächsten Morgen hin. Das benötigt wahrscheinlich ein paar Tage oder Wochen Übung und Ihre Nerven. Aber wenn es dann klappt, ist ihr Kind mächtig stolz auf sich und Sie alle haben einen entspannten Start in den Tag.
- Feste Essens- und Schlafenszeiten geben den Kindern ein sicheres Gefühl.
Ein Tipp: Kinder helfen gerne bei der Zubereitung der Mahlzeiten. Stellen Sie einen Stuhl in die Küche und lassen Sie Ihr Kind das Gemüse schneiden und abwaschen oder umrühren. Helfen kann es eigentlich immer.
Für das Zubettgehen genauso Rituale schaffen wie für den Morgen.
- Achten Sie darauf, dass Aufgaben, Anweisungen und getroffenen Vereinbarungen, immer eingehalten werden. Wenn Sie konsequent sind geben Sie Ihrem Kind Halt.
Es kostet wahrscheinlich etwas Mühe und sehr viel Geduld, das Kind auf den richtigen Weg zu bringen. Aber wenn man Rituale einbaut, dem Kind dabei hilft, sie einzuhalten und ihm keine Vorwürfe macht, wenn es nicht klappt, bekommt es Selbstvertrauen und das nötige Gefühl etwas gut zu machen. Die Kinder brauchen diese Erfolge für ihr Selbstwertgefühl.
Ihr Kind braucht Erfolgserlebnisse und Sie werden es auch zu schätzen wissen!
ADHS - Gesunde Ernährung
Achten Sie auf gesunde Ernährung, viel Obst und Gemüse und Vollkornprodukte.
Süßigkeiten sollten wohldosiert sein. Zucker und leere Kohlehydrate verstärken das hyperaktive Verhalten und puschen die Kinder zusätzlich auf.
Für alle Kinder ist es wichtig, wenn sie dazu beitragen können den normalen Tagesablauf mit zu gestalten.
Es gibt viele gesunde Sachen, die Sie mit Ihrem Kind zusammen zubereiten können.
Überlassen Sie Ihrem Kind ruhig einmal den Kochlöffel! Anregungen finden Sie hier.
Psychomotorische Gruppen fördern richtiges Verhalten
In den psychomotorische Gruppen, oder auch beim psychomotorisches Turnen wird den Kindern spielerisch und sportlich beigebracht, sich besser zu konzentrieren, das Sozialverhalten wird positiv gestärkt und Konfliktlösungen für den Alltag erarbeitet.
Ihnen werden Techniken beigebracht, mit denen sie selber die Symptome von ADHS besser kontrollieren können.
Die Kinder werden selbstsicherer und offener.
Ein Beispiel: Sie kennen mit Sicherheit auch die "Hausaufgabenkrise":
Basteln Sie mit Ihrem Kind einen eigenen, ganz individuellen Boxsack, vielleicht sogar mit einem Smiley drauf. Bei der nächsten 'Jetzt geht gar nichts mehr - Situation' soll
Ihr Kind seinen ganzen Frust und seine aufgestaute Energie durch Schlagen und Boxen auf den Boxsack loswerden.
Erfahrunsgemäß endet diese Prozedur in einem großen Gelächter. Eben noch wütend und heulend, lachen die Kinder hinterher meistens über sich selber. Und eine halbe Stunde später kann es dann mit den Hausaufgaben weiter gehen.
Die Kissen können brenzlige Situationen wunderbar entschärfen und begleiten die Kinder unter Umständen über Jahre, auch beim Schlafen.
ADHS - Stehen Sie immer hinter Ihrem Kind
Seien Sie der Ansprechpartner für Ihr Kind
Reden Sie mit ihm über seine Erlebnisse und sein Verhalten, auch was es das nächste Mal besser machen könnte. Hierbei ist es wichtig, dem Kind sein schlechtes Verhalten nicht vorzuwerfen.
Geben Sie im Tipps für die Kommunikation mit anderen Kindern und seinen Lehrern. Am besten jeden Tag nach dem Ablauf und nach Vorkommnissen fragen und darüber reden.
Loben und belohnen sie Begebenheiten, die ihr Kind gut gemeistert hat. Das baut es auf und gibt ihm Selbstvertrauen.
Fördern Sie die positiven Eigenschaften und Fähigkeiten Ihres Kindes
ADHS Kinder haben meistens eine blühende Phantasie und sind oftmals sehr kreativ. Wenn sie etwas interessiert und es nicht sehr viel Zeit in Anspruch nimmt, lernen sie sehr schnell und freuen sich über jeden Zuspruch.
Helfen Sie Ihrem Kind dabei am Ball zu bleiben und motivieren sie es immer wieder aufs Neue, neue Erfahrungen zu sammeln und Aktivitäten wie z.B. im Sportverein durchzuhalten.
Die Kinder sind sehr hilfsbereit und wider aller Vorurteile sozial sehr engagiert. So setzen sie sich oftmals im Kindergarten für andere Kinder ein, die in ihren Augen ungerecht oder gemein behandelt werden.
Diese feine Charaktereigenschaft ist schwer zu bewahren, wenn sie die Erfahrungen machen, dass es niemanden gibt, der auch ihnen den Rücken stärkt, wenn es darauf ankommt.
Setzem Sie sich für Ihr Kind ein, Sie werden wahrscheinlich sehr oft im Kindergarten und später in der Schule antreten müssen. Aber es zahlt sich aus, für sein Kind zu kämpfen.
Gehen Sie offen mit der ADHS Diagnose um
Sprechen Sie mit den Erziehern und Lehrern über Ihr Kind und dessen Probleme.
Wenn die Lehrer merken, dass auch sie- als Eltern- alles dafür tun, dem Kind zu helfen, ist bei ihnen oftmals der Ergeiz geweckt, sich ihrem Kind anzunehmen.
Ein Tipp: Hilfreich kann hierbei die behandelnde Kinderklinik oder der Kinderpsychologe sein. Auf Ihren Wunsch bescheinigen sie Ihrem Kind die Untersuchungsergebnisse und geben den Lehrern wertvolle Tipps im Umgang mit ADHS Kindern. Einfach mal nachfragen.
Verschweigen Sie auch nicht die eventuelle Medikamentengabe, nur weil dies wahrscheinlich zu Diskussionen führen könnte. Stehen Sie zu Ihrer Entscheidung und Sie werden sehen, sie wird akzeptiert.
Ein Tipp: Man kann z.B. mit der Klassenlehrerin des Kindes über das Hausaufgabenheft täglich in Kontakt treten, um auf dem Laufenden zu bleiben. So manche Probleme können so zeitnahe und effektiv gelöst werden.
ADHS - Kämpfen Sie für Ihr Kind
Überforderte Erzieher und Lehrer neigen dazu, Kinder, die nicht in die Norm passen, abzuschreiben. Ihnen sind die kleinen Racker, die ständig den Gruppenablauf oder den Unterricht stören, einfach zu viel Mehrarbeit.
Sie sind schnell dabei, den Eltern nahe zu legen, das Kind auf eine Förderschule zu geben.
Wenn Sie damit nicht einverstanden sind, wehren Sie sich!
Hier geht es um die Zukunft Ihres Kindes! Im günstigsten Fall hat Ihr Kind bereits einen Intelligenztest gemacht. Sie wissen wo Ihr Kind steht und was Sie ihm zutrauen können. Auch hier kann Ihnen der behandelnde Kinderpsychologe weiterhelfen.
Zahlreiche Studien und Beobachtungen belegen, dass ADHS Kinder bei guter Förderung in der Kindheit und einer guten Ausbildung, später nicht selten Führungspositionen inne haben.
Ihre Kreativität und das irrationale Denken (wenn es ihnen bis ins Erwachenenleben erhalten wird), gepaart mit erlerntem Wissen, macht sie zu innovativen Köpfen, die auf dem Arbeitsmarkt sehr begehrt sind.
Zugegeben, bis dahin ist es noch ein sehr weiter Weg. Aber steckt es nicht in allen Eltern, den eigenen Kindern alle Möglichkeiten offen zu halten?