Alkoholfreies Bier: Ja, bitte gern
Alkoholfreies Bier ist ist in den letzten Jahren auch für echte Biertrinker zu einer echten Alternative geworden. Der neueste Test: Alkoholfreies Pils, Lager oder Helles schmecken "wie Bier".Die Marktbedeutung alkoholfreien Bieres nimmt immer weiter zu
Bei der Einführung der ersten alkoholfreien Biere in Ost- und Westdeutschland anfangs der 70-er Jahre war kaum zu erahnen, welchen Marktanteil alkoholfreies Bier erlangen würde. Allein von 2014 bis 2023 legte der Pro-Kopf-Konsum von jährlich knapp 3 Litern auf fast 5 Liter zu, während der von alkoholhaltigem Bier von 99 auf 83 Liter sank. Gründe dafür sind nach Äußerungen von Insidern der Braubranche gestiegenes Gesundheitsbewusstsein und die Suche nach einer herberen Alternative zu süßer Limo. Im übrigen habe sich das Image von alkoholfreiem Bier in der letzten Zeit stark verändert. Das liege – so die Insider - auch daran, dass die Qualität durch neue brautechnische Verfahren enorm verbessert wurde. Inzwischen werde Bier ohne Alkohol anders wahrgenommen.
Isotonische Effekte
Sportlerinnen und Sportler schwören auf isotonische Effekte alkoholfreier Biere und hoffen auf eine schnelle Erholung nach der sportlichen Anstrengung. Ein Gutachter ordnete die Eignung der alkoholfreien Biere als Sportlergetränk und als Durstlöscher ein. Früher war alkoholfreies Bier ein Autofahrergetränk, das man nur ungern als Alternative trank. Mit der Vermarktung als Sportlergetränk wurde diese Kategorie zum ersten Mal vom Verbraucher positiv wahrgenommen. Viele Menschen verzichten zudem bewusst auf Alkohol und sind froh, nun auch auf isotonische Getränke wie alkoholfreies Bier zurückgreifen zu können. Es gibt keine künstlichen Aromen oder Zusätze. Das Bier enthält zudem wichtige Elektrolyte wie Natrium, Kalium, Magnesium oder Chlorid.
Die Anfänge des alkoholfreien Bieres in Deutschland
Das erste alkoholfreie Bier in Deutschland wurde von Braumeister Ulrich Wappler aus der VEB Engelhardt-Brauerei in Stralau (Friedrichshain) entwickelt. Es nannte sich AUBI (Autofahrer Bier), wurde 1972 vorgestellt und hatte einen Alkoholgehalt von 0,3 Vol.-% Alk. Aubi wurde auch in die USA und Großbritannien unter den Namen Foxy light bzw. Berolina vermarktet. Seit 1998 ist Aubi eine geschützte Marke der thüringischen Privatbrauerei Metzler. Nach der Reife wird der Alkohol entzogen. Der Alkoholgehalt beträgt weniger als 0,5 Vol.-% Alk.
In der Schweiz brachte Feldschlösschen das alkoholfreie Ex-Bier mit allerdings nur wenig Erfolg auf den Markt. Seit 1962 arbeiteten Hans Hürlimann, Inhaber der gleichnamigen Brauerei, und sein Forschungsdirektor Steiner, der mit Hefen experimentierte, an einem eigenen Verfahren. Drei Jahre später brachten sie ein Bier unter dem Namen Oro heraus. Mittels einer speziellen Hefe lag der Alkoholgehalt unter 0,5 Vol.-% Alkohol. Später wurde es als Birell vermarktet.
1979 war es die Frankfurter Binding-Brauerei, die in der Bundesrepublik mit alkoholfreiem Clausthaler den Markt der alkoholfreien Biere in Gang brachte. Es gab zwar regionale alkoholfreie Biere, aber erst die nationale Einführung von Clausthaler sorgte für ein bundesweites Echo und viele Diskussionen über "echtes" Bier. Heute gehört die Marke Clausthaler zum Radeberger Konzern.
Die aktuellen Testsieger kommen von Traditionsmarken
"Das Niveau ist hoch", würdigt die Stiftung Warentest in ihrem "test"-Heft (Ausgabe 6/2024) nach einem gründlichen Labor- und Geschmackstest. Von den untersuchten 20 Marken, darunter Traditionsmarken, preiswerte Eigenmarken, Bio- und ausländische Biere können sie ein Dutzend mit dem Urteil "gut" empfehlen. Unter den getesteten Bieren gibt es erhebliche Preisunterschiede, auf die der Verbraucher achten sollte. Alkoholfreies Bier darf bis zu 0,5 Prozent Restalkohol enthalten, der etwa bei der Herstellung übrig bleiben kann.
Bestbenotet mit "gut" schnitten Warsteiner Alkoholfrei Pilsener und Paulaner Alkoholfrei Münchner Hell ab, über deren Geruch und Geschmack die Tester befanden: "Riecht malzaromatisch, leicht hopfenaromatisch. Schmeckt vollmundig und harmonisch."
Ebenfalls mit "gut" schnitten folgende Biere ab
Beck's Blue Alkoholfrei, Krombacher Alkoholfrei Pils, Lidl Perlenbacher Alkoholfrei Extra Herb, Mönchshof Original Naturtrüb's Alkoholfrei, Carlsberg Alc 0.0 Vol Lager Beer, Jever Fun Alkoholfrei Pilsener, König Pilsener Alkoholfrei, Oettinger Alkoholfrei, Radeberger Pilsner Alkoholfrei und Wernesgrüner Alkoholfrei.
Punktabzüge gibt es bei Alkoholfreien, die Makel im Geschmack oder bei der Deklaration aufweisen, etwa wenn sie muffig, schweflig, sauer oder zu dominant süß schmecken. Deswegen kamen sieben Biere auf ein "befriedigend".
Nur ein alkoholfreies Bier bekam ein "ausreichend" wegen zugesetzter bierfremder Kohlensäure - einem No-Go nach dem deutschen Reinheitsgebot und anders als deklariert:
Weitere Pluspunkte alkoholfreien Bieres
Die neuen alkoholfreien Biere enthalten überhaupt keine Restpestizide, was die Warentester besonders freute: Anders als noch im Test von 2018 sind unerwünschte Stoffe kein Thema mehr. Kein alkoholfreies Bier enthält Pestizide.
Auch beim Restalkohol sind alle Biere sauber: Entweder sie bleiben unter der Nachweisgrenze oder haben nicht mehr als die erlaubten 0,5 Prozent.
Alkoholfreie Biere kommen im Schnitt auf 108 Kilokalorien pro 0,5 Liter gegenüber 195 Kilokalorien bei "echten" Bieren. Doch es gibt dennoch bei den alkoholfreien Bieren in den einzelnen Kaloriengehalten große Unterschiede. Daher haben die Warentester einen Tipp auf Lager: Wer eine schlanke Taille liebt, sollte die Kaloriengehalte der Marken vergleichen. Wer Kalorien sparen will, liegt mit alkoholfreiem Bier richtig. Es hat im Schnitt nur gut halb so viele wie der alkoholhaltige Klassiker.
Alkoholfreie Biere auf Herz und Nieren geprüft
In einer aufwändigen Einzelprüfung wurde die Schaumstabilität der Biere ermittelt. Im Labor wurde auch die Herkunft der Kohlensäure bestimmt: ob sie natürlich ist, also aus der Gärung stammt, oder ob sie aus fossilen Quellen zugesetzt wurde. Personen, die für die sensorische Beurteilung von Bier geschult sind, bewerteten unter anderem die geschmackliche Harmonie, sie ermittelten Fehler, also Abweichungen vom idealtypischen Biergeschmack, und beschrieben den individuellen Charakter der Produkte.
Aber auch alkoholfreies Bier kann für bestimmte Menschen gefährlich sein
Insbesondere trockene Alkoholiker sollten sich beim Konsum von alkoholfreiem Bier zurückhalten, ganz unabhängig davon, ob das Bier eine kleine Menge Restalkohol enthält oder ob es wirklich 0,0 Prozent Alkohol aufweist. Das liegt vor allem an der psychischen Abhängigkeit. Diese Art der Sucht geht mit dem starken Wunsch oder einem Zwang einher, ein Getränk wie beispielsweise Bier trinken zu wollen. Dabei spiele es nicht wirklich eine Rolle, ob das Bier alkoholisch sei oder nicht.
Die Flasche sehe gleich aus, der Geschmack sei ähnlich und das Bier werde häufig aus Gewohnheit in gewissen sozialen Situationen getrunken. Wenn trockene Alkoholiker noch den Wunsch verspüren, das Aroma zu riechen, die Flasche in der Hand zu haben, mit den Kumpels anzustoßen, dann haben sie den Absprung häufig noch nicht geschafft. Das liegt am Suchgedächtnis, das beim Öffnen einer Flasche angesprochen werden kann. Wenn ein Suchtmittel dauerhaft konsumiert worden ist, können sich Strukturen im Gehirn verändern. Demnach würden Rezeptoren ausgebildet, die auf den Suchtstoff anspringen und das Glückshormon Dopamin ausschütten. Konsumiert man das Suchtmittel über einen langen Zeitraum, bildet sich das Suchtgedächtnis weiter aus. Selbst Umweltreize wie das Geräusch beim Öffnen der Flasche können hier ein Verlangen auslösen.
Eine weitere Facette sei die körperliche Abhängigkeit, erklären Suchtberater: Alkohol ist ein Nervengift. Missbrauch sei für das Nervensystem extrem belastend. Bei einem Entzug müsse der Körper lernen, ohne das Suchtmittel zurechtzukommen. Bei schweren Alkoholabhängigkeiten führen schon kleine Mengen, wie beispielsweise eine Schnapspraline oder ein "alkoholfreies" Bier, das bis zu 0,5 Prozent Restalkohol beträgt, zum Risiko eines Rückfalls.
Auch Schwangere sollten aufpassen
Auch Schwangere sollten beim Konsum von alkoholfreiem Bier aufpassen. Wie es auf der Website der Charité Klinik für Geburtsmedizin in Berlin heißt, kann jeglicher Konsum von Alkohol in der Schwangerschaft ein Risiko für die gesunde Entwicklung des Kindes darstellen. Da viele "alkoholfreie" Biere geringe Mengen Alkohol enthalten, empfehlen die Experten Schwangeren, keine solchen Getränke zu konsumieren. Werde täglich ein halber Liter alkoholfreies Bier getrunken, entspreche das in etwa der Alkoholmenge von einem Glas Wein pro Woche.
Kinder sollten grundsätzlich kein "Alkoholfreies" trinken.
Ein Bier, das wirklich 0,0 Prozent Alkohol enthält, sei für Schwangere hingegen in Ordnung, wie Suchtberaterinnen erklären. Allerdings sollte auch dabei der Konsum in Maßen erfolgen. Ungesüßte Früchtetees und Wasser seien für Schwangere die besseren Getränke.
Verlangt Ihr Körper Alkohol?
Unterziehen Sie sich doch einmal einem freiwilligen Test, den nur Sie beantworten sollten (aber seien Sie ehrlich zu sich selbst). Betroffene wollen den Grad ihrer Gefährdung oft gar nicht wahrhaben:Die Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren (DHS) kommt zur Diagnose "Alkoholismus", wenn innerhalb der letzten 12 Monate mindestens drei von sechs Indikatoren für Alkoholsucht erfüllt wurden:
Die Testperson hat den starken Wunsch, Alkohol zu konsumieren.
Zeitpunkt, Beginn, Beendigung und vor allen Dingen die Konsummenge verschieben sich.
Körperliche Entzugserscheinungen wie Zittern treten ohne Alkoholkonsum auf.
Es steigt der Zwang, immer mehr Alkohol zu konsumieren, um die Wirkung des Alkohols zu verspüren.
Der Verzehr von Alkohol wird langsam wichtiger als andere Interessen wie beispielsweise Familientreffen, Sport oder andere Freizeittermine.
Körperliche, soziale und psychische schädliche Folgen des erhöhten und fortwährenden Alkoholkonsums hindern nicht am weiteren Alkoholkonsum.
Wenn Sie dreimal oder öfter mit "Ja" geantwortet haben, sollten Sie sich umgehend um ärztliche Hilfe kümmern.
Dieser Artikel kann und soll keine ärztliche Beratung ersetzen, er wäre aber erfolgreich, wenn er bei manchem Leser zu einem Gespräch mit einem Arzt führt. Der eigene Körper und die eigene Gesundheit werden es danken. Eine Haftung für den Inhalt dieses Artikels ist ausgeschlossen.